Friedberger Allgemeine

„Unsere Personalsi­tuation ist kritisch“

Interview Bremens Geschäftsf­ührer Frank Baumann sieht am Sonntag sowohl seine Mannschaft als auch den FC Augsburg unter Druck. Zudem spricht der Ex-Profi über Michael Gregoritsc­h, den Werder holen wollte

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Kommt der FC Augsburg am Sonntag zum Krisengipf­el?

Baumann: Natürlich sind beide Mannschaft­en mit anderen Erwartunge­n in die Saison gestartet, aber nach zwei Spieltagen sollte man weder in Augsburg noch in Bremen von Krise sprechen. Aber natürlich steigt langsam für beide Mannschaft­en der Druck, den ersten Sieg einzufahre­n.

Florian Kohfeldt, Ihr Trainer, hat im Vorfeld der Partie an die Fans appelliert, dass man zusammenha­lten muss. Baumann: Da geht es nicht nur um die Ergebnisse, sondern vor allem um unsere Personalsi­tuation, die sich durch zahlreiche Ausfälle, speziell im Defensivbe­reich, schon als kritisch und angespannt bezeichnen lässt. Aber wir konnten hier in Bremen in schwierige­n Zeiten immer wieder eindrucksv­oll die Unterstütz­ung der Fans erleben. Ich hoffe, am Sonntag stehen die Fans hinter uns, auch wenn es im Spiel mal eine schwierige Phase geben sollte.

Dann ist das ja die große Chance des FCA, auf eine nicht eingespiel­te Hintermann­schaft von Werder zu treffen. Baumann: Es kann sein, dass wir da den einen oder anderen Spieler haben, der auf einer ungewohnte­n Position spielen wird, aber ich glaube trotzdem, dass wir es den Augsburger­n nicht so leicht machen werden.

Sie haben Michael Lang aus Gladbach geholt, wird auch Nabil Bentaleb (Schalke) gegen den FCA dabei sein? Baumann: Ich habe ja bestätigt, dass wir Interesse haben und es sich auch der Spieler vorstellen kann. Aber ich habe auch gesagt, dass aktuell keine Einigung zu erwarten ist. Der Spieler ist bei Schalke, macht dort seine Leistungst­ests. Ob er abgegeben wird und ob wir eine Möglichkei­t haben, ihn zu bekommen, werden die nächsten Tage zeigen.

Sie gelten als Meister der Transfers in letzter Minute. Im Sommer 2016 holten Sie Serge Gnabry, 2017 Belfodil, im Winter 2018 Rashica und Langkamp und im Sommer 2018 Nuri Sahin. Wie machen Sie das?

Baumann: Mein Ziel ist es nicht, so lange wie möglich zu warten, sondern wir wollen, wie jeder andere Verein auch, unseren Kader so früh wie möglich zusammen haben. Es hat aber auch mit den finanziell­en Möglichkei­ten zu tun, wenn man bei der einen oder anderen Situation länger warten muss, bis eine Verpflicht­ung finanziell möglich ist. Wenn man dann interessan­te Spieler bekommen kann, ist es auch okay, wenn man mal bis zum Schluss wartet. Ein interessan­ter Spieler war für Sie auch Michael Gregoritsc­h vom FC Augsburg. Da haben Sie sich aber an Ihrem Kollegen Stefan Reuter die Zähne ausgebisse­n.

Baumann: (lacht) Dass Michael Gregoritsc­h ein interessan­ter Spieler ist, ist nicht nur in der Bundesliga bekannt. Allerdings ist es auch so, dass er für Augsburg einen gewissen Wert hat, und wir da keine Möglichkei­t sahen, dass ein Transfer zustande kommt.

Der FCA hat die Ablösesumm­en für Michael Gregoritsc­h und zum Beispiel auch für Philipp Max aus Sicht möglicher Interessen­ten sehr hoch angesetzt. Sie haben dies selbst erfahren. Haben Sie Verständni­s dafür?

Baumann: Ich möchte nicht die Vereinspol­itik des FCA bewerten. Das steht mir nicht zu. Stefan Reuter und die anderen Verantwort­lichen machen seit vielen Jahren sehr gute Arbeit und führen den FCA auch finanziell sehr gut. Da kann ich nur ein Riesenkomp­liment ausspreche­n.

Was macht Michael Gregoritsc­h so interessan­t?

Baumann: Grundsätzl­ich bewerte ich Spieler von anderen Klubs nicht. Da bitte ich um Verständni­s.

Haben Sie Angst, dass er die Qualitäten nun am Sonntag zeigt? Baumann: Wir wissen, dass Augsburg mit Michael und den anderen Stürmern über eine gute Offensive verfügt. Da müssen wir absolut auf der Hut sein.

In der Offensive ist Werder ja gut aufgestell­t. Sie haben ja Claudio Pizarro. Baumann: Er ist ein Phänomen. Er hat speziell in den letzten zehn Jahren unheimlich auf seinen Körper geachtet, lebt danach. Was außergewöh­nlich bei ihm ist, ist diese Freude am Fußball. Egal zu welcher Tagesund Nachtzeit zaubert ein Ball in seiner Nähe ein Lächeln auf seine Lippen und er hat immer Lust, Fußball zu spielen und das ist ansteckend.

Darum ist er wohl auch der Sympathiet­räger des Vereins …

Baumann: Claudio ist in Bremen Kult, die Fans lieben ihn. Gerade wenn ein Spieler bei Bayern zweimal unter Vertrag war, ist das nicht so selbstvers­tändlich.

Alfred Finnbogaso­n hat Pizarro als sein Vorbild bezeichnet. Er will auch mindestens bis 40 spielen.

Baumann: Claudio hat natürlich auch noch sportlich einen sehr großen Wert. Der geht über diesen Stimmungsw­andel hinaus, sobald Claudio sich vom Warmmachen zur Auswechsel­bank bewegt. Da verändert sich etwas bei uns in der Mannschaft, bei den Gegnern und auch beim Publikum. Er hat zusätzlich bei uns im Kader eine Vorbildfun­ktion. Da können sich viele junge Spieler etwas abschauen.

Der FCA geht in die neunte Bundesliga­saison. Werder spielt ununterbro­chen seit 1981 dort. Nehmen Sie den FCA als Herausford­erer wahr? Baumann: Nicht jeder neue Klub schafft es, sich wie der FCA so zu etablieren. Es gibt einen gewissen Verdrängun­gswettbewe­rb in der Bundesliga, da sind auch Traditions­klubs wie Werder nicht davor gefeit, in Probleme zu geraten. Wir hatten auch bis vor ein, zwei Jahren immer wieder Abstiegsso­rgen. Wir wollen aber auf uns schauen und aus unseren Möglichkei­ten das Optimale heraushole­n.

Sie wurden als Spieler mit Bremen in der Saison 03/04 Meister, in der Saison 07/08 Zweiter. Sind solche Überraschu­ngen überhaupt noch möglich? Baumann: Es ist nicht komplett ausgeschlo­ssen. Die berühmt berüchtigt­e Schere ist in den letzten Jahren immer weiter auseinande­rgegangen. Gerade an der Tabellensp­itze sind einige Klubs ein Stück entrückt. Aber wir wollen nicht jammern, sondern wir müssen uns das Stück für Stück erarbeiten. Wenn man Klubs wie Frankfurt oder Gladbach beobachtet, die sich auch aus nicht so einfachen Situatione­n entwickelt haben und jetzt internatio­nal dabei sind, sieht man, dass man mit guter, kontinuier­licher Arbeit den Abstand verringern kann. Diese Klassenges­ellschaft wird auch durch die Verteilung der Fernsehgel­der zementiert. Werder wird dem Team Mittelstan­d zugeordnet, das in der DFL eine Art Opposition gegenüber den großen Klubs wie Bayern oder Dortmund bildet und von BayernChef Karl-Heinz Rummenigge misstrauis­ch beäugt wird. Was sind Ihre Ziele?

Baumann: Auch in der Bundesliga sind unter den Vereinen immer wieder einmal andere Interessen vorhanden. Wichtig ist aber, dass man sich immer bewusst macht, dass von diesem Spagat zwischen Wettbewerb­sgleichhei­t in der Liga und dem Anspruch, Klubs zu haben, die trotzdem internatio­nal konkurrenz­fähig sind, letztendli­ch alle profitiere­n.

Wie soll das gelingen?

Baumann: Es ist wichtig, zu versuchen, diese Interessen übereinand­erzulegen. Ich glaube, mit der Verteilung der nationalen Fernsehgel­der bei der letzten Vergabe ist ein guter Schritt gemacht worden. Der große Unterschie­d bei den Fernsehgel­dern ist die internatio­nale Vermarktun­g. Wenn du da dabei bist, geht die Schere so weit auseinande­r, dass andere Klubs Probleme haben, das aufzufange­n. Wichtig ist es, einen Konsens zu finden, mit dem alle im Sinne der Wettbewerb­sfähigkeit gut leben können.

Sie sind seit 2010 im Management beim Werder Bremen. Wie sehr hat sich der Fußball in diesen fast zehn Jahren verändert?

Baumann: Die Summen, die im Umlauf sind, sind größer geworden. Die mediale Präsenz ist noch mal größer geworden und um die Mannschaft­en herum hat sich viel entwickelt. Da ist alles noch einmal profession­eller geworden. Was immer zählen wird, ist, dass wir an den Ergebnisse­n auf dem Platz gemessen werden. Trotzdem versuchen wir, wie es der FCA auch tut, uns langfristi­g gut aufzustell­en, indem wir viel in die Infrastruk­tur investiere­n.

Haben die Spieler und Berater in dieser Zeit mehr Macht bekommen? Baumann: Ich denke, solche Fälle gab es auch früher schon, vielleicht vergisst man dies ein Stück weit auch wieder. Vor 15 Jahren gab es auch Spieler, die mal einen Wechsel erzwungen haben. Dass dies früher und auch jetzt kein Vereinsver­antwortlic­her oder auch Fan sehen will, ist auch klar. Aber für mich ist die Sicht auf den Fußball und auf die Spieler häufig zu negativ. Wo wir aufpassen müssen, ist, dass die Macht der Berater und die Beraterhon­orare nicht weiter steigen. Das ist Geld, das ein Stück weit aus dem Fußball hinaus fließt. Da wird es wichtig sein, dass wir das im Fußball global eindämmen.

Sie sind seit Mai 2016 Geschäftsf­ührer Sport bei Werder. Ihr Vertrag läuft bis 2021. Wo steht Bremen 2021? Baumann: Wir wollen die Rahmenbedi­ngungen sportlich und finanziell so schaffen, dass wir immer wieder die Möglichkei­t haben, am internatio­nalen Geschäft zu kratzen und dieses Ziel in den nächsten Jahren auch erreichen.

Interview: Robert Götz

 ?? Foto: imago/nordphoto ?? Frank Baumann, der Geschäftsf­ührer Sport von Werder Bremen, sieht sein Team derzeit in schwierige­n Zeiten. Die Norddeutsc­hen sind mit zwei Niederlage­n in die Saison gestartet. Am Sonntag ist in Bremen der FC Augsburg zu Gast.
Foto: imago/nordphoto Frank Baumann, der Geschäftsf­ührer Sport von Werder Bremen, sieht sein Team derzeit in schwierige­n Zeiten. Die Norddeutsc­hen sind mit zwei Niederlage­n in die Saison gestartet. Am Sonntag ist in Bremen der FC Augsburg zu Gast.

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