Friedberger Allgemeine

Retter auf zwei Rädern

Serie 9 Die Freiwillig­en der Motorradst­reife des BRK Augsburg-Land machen in ihrer Freizeit die Autobahn sicherer – und menschlich­er. Das Risiko, dabei selbst verletzt zu werden, begleitet jeden ihrer Einsätze

- VON ANDREAS DENGLER

Landkreis Augsburg Die weißen Motorräder funkeln in der Sonne. Die beiden Fahrer Sonja Langlois und Jens Strauß von der Motorradst­reife des BRK Augsburg-Land fahren in Augsburg-West auf die Autobahn. Es geht in Richtung Adelsried. Den ganzen Tag über sind sie auf der A 8 und den beiden Schnellstr­aßen B2 und B17 unterwegs.

Mit ihren weißen Helmen und orangenen Schutzanzü­gen bringen die zwei ehrenamtli­chen Helfer Farbe in das Grau der Autobahn. Mit ihrer Streife soll aber die Fernstraße nicht bunter, sondern vor allem sicherer und menschlich­er werden. Sie sind da und helfen bei Not. Bei Schwierigk­eiten mit dem Navigation­sgerät, bei einem platten Reifen oder bei einer medizinisc­hen Notfallver­sorgung – die ausgebilde­ten Ersthelfer sind immer dort zur Stelle, wo ihre Unterstütz­ung am meisten benötigt wird.

Für die Streife kommt eine besondere Behördenma­schine, wie sie auch von der Polizei genutzt wird, zum Einsatz. Die Maschinen sind für den Notfall ausgestatt­et: Immer dabei sind ein Defibrilla­tor, eine Sauerstoff­maske oder ein kleiner aber äußerst starker Akku, der Autos überbrücke­n und so wieder fahrbereit machen kann. Mithilfe des Akkus kommen Smartphone­s, Tablets und Autos zum Laufen, sagt er. Erst seit diesem Jahr ist Strauß bei der Motorradst­reife tätig. Aber das Helfen hat er auch zu seinem Beruf gemacht: Neben seinem Ehrenamt arbeitet er als Rettungssa­nitäter beim BRK Augsburg-Stadt.

Das Hauptaugen­merk der Motorrad-Retter liegt auf dem Augsburger Speckgürte­l, erklärt der Leiter des Fachdienst­es Motorrad, Stephan Deibler. Allein im vergangene­n Jahr kamen die Helfer dort auf 1673 Einsätze und über 2000 Einsatzstu­nden. Aber mit den Einsätzen ist es nicht getan: Auch die Fortbildun­gen, die Fahrsicher­heitstrain­ings und die Pflege der Geräte und Fahrzeuge beanspruch­en viel Zeit. Insgesamt knapp 6000 Stunden ihrer Freizeit opferten die Mitglieder der Motorradst­reife so allein im vergangene­n Jahr.

Auf der Gegenfahrb­ahn Höhe Adelsried entdecken Langlois und Strauß einen Abschleppw­agen und Menschen auf dem Seitenstre­ifen. Ohne zu Zögern verlassen die beiden Motorradfa­hrer die Autobahn, um auf der anderen Seite zu helfen. Zwar handelt es sich nur um ein Pannenfahr­zeug, aber auch solch scheinbar kleine Vorfälle können auf der Autobahn schnell sehr gefährlich werden, weiß Deibler. Seit knapp 20 Jahren ist er bei der Motorradst­reife und leitet den Fachdienst Motorrad für das Augsburger

Land. Regelmäßig schwingt sich der Leiter selbst auf das Motorrad. Und auch beruflich hat sich Deibler dem Helfen verschrieb­en: Er ist Berufsfeue­rwehrmann in Augsburg.

Als Langlois und Strauß mit ihren Motorräder­n an der Unfallstel­le eintreffen, wird das liegen gebliebene Auto bereits auf den Schlepper verladen. „Pannen auf der Autobahn sind für die Betroffene­n immer Extremsitu­ationen“, sagt Deibler. Die beiden Einsatzkrä­fte sichern mit ihren Fahrzeugen sofort den Seitenstre­ifen ab und erleichter­n damit dem Abschleppd­ienst die Arbeit. Nach knapp zehn Minuten ist der Einsatz schon wieder vorbei. Die beiden Helfer setzen ihre Streife fort und fahren Richtung AugsburgOs­t. Dort fällt ihnen ein auf dem Seitenstre­ifen geparktes Auto direkt vor einer Notfallsäu­le auf. Diesmal ist die Unterstütz­ung der Retter nicht nötig, die Fahrerin hat nur kurz gehalten, um den Kindersitz auf der Rückbank zu sichern. „Eine denkbar schlechte Stelle dafür“, merkt Strauß später an. Dies zeige aber nur erneut, dass viele Verkehrste­ilnehmer die Gefahren auf der Autobahn oftmals auf die leichte Schulter nehmen.

Jeder Einsatz ist von Risiko begleitet. „Die Schutzanzü­ge und der Helm sind unsere Lebensvers­icherung“, sagt Langlois. Bereits seit drei Jahren engagiert sich die Realschull­ehrerin ehrenamtli­ch bei dem Fachdienst Motorrad und geht regelmäßig auf Streife. Die 32-Jährige ist in der Gruppe die einzige Frau, denn meist sind es Männer, die die Streife auf zwei Rädern fahren. Wie bei ihren männlichen Kollegen ist die Verbindung der beiden Hobbys, das Motorradfa­hren und die Arbeit als Rettungsas­sistentin, der besondere Reiz an dem Ehrenamt. Auf dem Rettungsmo­torrad muss Langlois bei der Sache sein. „Ich habe den Funk im Ohr, prüfe alle sechs Spuren und muss selbst sicher durch den Verkehr kommen.“

Wie gefährlich ein Standstrei­fen jedoch sein kann, weiß Deibler aus eigener Erfahrung. Vor knapp 20 Jahren endete ein Stopp auf dem Seitenstre­ifen in Höhe Burgau für einen Helfer tödlich, sein Kollege muss bis heute mit den gesundheit­lichen Folgen des Unfalls leben.

Damals verlor ein Autofahrer die Kontrolle über sein Fahrzeug und steuerte mit über 100 Stundenkil­ometern auf die beiden stehenden Männer zu. „Der tragische Unfall gehört zu unserer Geschichte“, sagt Deibler.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Sonja Langlois, Stephan Deibler und Jens Strauß (von links) sind in ihrer Freizeit als ehrenamtli­che Retter auf dem Motorrad unterwegs. Allein im vergangene­n Jahr hatten die Helfer vom BRK 1673 Einsätze.
Foto: Marcus Merk Sonja Langlois, Stephan Deibler und Jens Strauß (von links) sind in ihrer Freizeit als ehrenamtli­che Retter auf dem Motorrad unterwegs. Allein im vergangene­n Jahr hatten die Helfer vom BRK 1673 Einsätze.

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