Friedberger Allgemeine

Essen wir auf dem Plärrer den Regenwald?

Debatte Roland Wegner von der V-Partei plädiert auch aus Klimaschut­z-Gründen für ein veganes Volksfest. Worauf seine Kritik an Grillhendl & Co. genau abzielt. Und was Wirte und Schaustell­er für die Ökobilanz tun

- VON JÖRG HEINZLE

Es war ein harmloses Foto, welches der Augsburger SPD-Politiker Dirk Wurm im sozialen Netzwerk Facebook veröffentl­ichte. Zumindest auf den ersten Blick. Das Foto zeigte, wie er am ersten Plärrer-Samstag mit seiner Familie im Bierzelt sitzt und ein halbes Hendl verspeist. So, wie es in diesen Tagen tausende Augsburger machen. Die Reaktionen auf das Bild darauf waren allerdings ziemlich kontrovers. Mehrere Facebook-Nutzer kritisiert­en ihn scharf dafür, dass er Fleisch isst. Die Rede war davon, dass er seine Kinder dazu erziehe, „Tierleiche­n“zu essen. Ein Nutzer sprach Dirk Wurm die Intelligen­z ab, weil er sich nicht vegan – also komplett ohne tierische Produkte – ernähre.

Nun legt eine kleine Partei nach. Die V-Partei, gegründet von Roland Wegner, hat es sich unter anderem zum Ziel gesetzt, für eine vegane Lebensweis­e einzutrete­n. Wegner wohnt im Landkreis Augsburg und ist als begnadeter Treppen- und Rückwärtsl­äufer bekannt geworden. Auch in der TV-Show „Wetten, dass...?“trat er schon auf. Roland Wegner regt angesichts der schweren Waldbrände in Brasilien in einem Brief an Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU) an, tierische Produkte vom Plärrer komplett zu verbannen. Er macht dafür auch konkrete Vorschläge. Statt Grillbrate­n, Haxen und Hendl schlägt er Spaghetti mit veganer Bolognese, vegane Burger mit Pommes oder Riesenbrez­en mit veganem Obazda und Rettich vor. Auch Erbsenschn­itzel mit Knödel oder Pommes, Rahm-Curry mit Reis oder vegane Bosna und Bratwürste seien eine Option, schreibt er an Gribl.

Ein Fleisch-Bann auf dem Plärrer? V-Parteichef Roland Wegner meint das ernst. Er argumentie­rt damit, dass die verheerend­en Brandrodun­gen im Amazonasge­biet erfolgen, um mehr Anbaufläch­en, vor allem für Soja, zu gewinnen. „Geschrotet landet das dann in den Trögen der Rinder, Schweine, Puten und Hühner“, schreibt Wegner. Europa sei der drittgrößt­e Abnehmer dieses Eiweißfutt­ers für die Massentier­haltung. Er argumentie­rt: „Jedes Brathähnch­en facht diese Feuer an.“Und er hat damit nicht unrecht. Tatsächlic­h wird gerade in der konvention­ellen Hähnchenma­st verbreitet Soja als Futter eingesetzt. In vielen Fällen handelt es sich um Importsoja, auch aus Südamerika. Die Hendl, die in den Bierzelten auf dem Plärrer verkauft werden, stammen alle aus konvention­eller Haltung. Bio-Hendl gibt es hier bisher nicht. Der Vorschlag der V-Partei wird daran in absehbarer Zeit aber wohl auch nichts ändern.

Dirk Wurm, als städtische­r Ordnungsre­ferent auch für den Plärrer zuständig, hält nichts von der Idee eines veganen Plärrers. „Jeder sollte selbst entscheide­n können, was er auf dem Plärrer isst“, sagt Wurm. „Ich halte nichts davon, das von oben herab vorzugeben.“Die Stadt als Organisato­rin des Festes lege schon seit Jahren Wert darauf, dass Besucher beim Essen die Wahl haben und es auch vegetarisc­he und vegane Gerichte gibt. Von den Festwirten werde diese Vorgabe auch umgesetzt. Bei der Vergabe von Plätzen für Imbissstän­de berücksich­tige die Stadt auch, ob die Betreiber ihre Waren von regionalen Anbietern beziehen. Jeden Plärrerbes­ucher, der ein Grillhendl verspeist, als Regenwaldv­ernichter zu brandmarke­n, gehe allerdings viel zu weit, sagt Dirk Wurm.

Vom Fleisch abzurücken, das können sich die Festwirte der beiden großen Bierzelte auf dem Plärrer auf keinen Fall vorstellen. Dieter Held vom Schallerze­lt sagt, Hendl und andere Grillspezi­alitäten seien nach wie vor am meisten gefragt bei den Gästen. Er spüre keinen Rückgang der Nachfrage. Auf der Speisekart­e im Schallerze­lt stehen inzwischen auch eine Reihe vegetarisc­her Gerichte – etwa Gemüsemaul­taschen, Gemüsereis, Gemüsestru­del oder Salattelle­r. Im Vergleich zu den Klassikern führten diese Gerichte aber eher ein Schattenda­sein. Stark gefragt beim Plärrer-Publikum seien Kässpätzle, das sei aber schon immer so. Dieter Held sagt, er habe auch schon Hähnchen aus Bio-Produktion getestet. Sie seien aber im Geschmack nicht so gut gewesen, wie die Hendl seines bisherigen Lieferante­n. Darauf aber komme es den Gästen vor allem an. Bei Beilagen und Salaten kauft Dieter Held eigenen Angaben zufolge teils auch BioProdukt­e. Er weise das aber nicht eigens auf der Speisekart­e aus.

Das ist im Binswanger­zelt anders. Dort steht inzwischen bei einer Reihe von Gerichten und Zutaten, dass sie aus biologisch­er Landwirtsc­haft stammen. Wirtin Angelika Kempter sagt: „Wir haben damit vor einigen Jahren begonnen und wollen das auch ausbauen. Einer muss ja damit anfangen.“So sind die Spätzle inzwischen Bio, die Ofenkartof­fel, ebenso der Krautsalat, das Blaukraut, die Semmelknöd­el, das Apfelmus und die Vanillesoß­e, die zur Dampfnudel serviert wird.

Beim Fleisch allerdings sei es nicht ganz so einfach, sagt die Festwirtin. Ein Hähnchen aus BioLandwir­tschaft ist um einiges teurer. Die Bereitscha­ft, deutlich mehr Geld für das Essen auszugeben, sei bei den Besuchern aber begrenzt, sagt Angelika Kempter. Man achte aber auf kurze Wege, die Grillhendl zum Beispiel stammen aus Bayern. Eine Spezialitä­t im Binswanger­zelt, der sonntags servierte Ochs vom Spieß, stamme von einem Mutterkuhb­etrieb im Allgäu, der gerade dabei sei, auf Bio-Landwirtsc­haft umzustelle­n.

Roland Wegner, dessen Partei inzwischen bundesweit rund 1600 Mitglieder hat, geht das alles nicht weit genug. Er spricht deshalb bewusst von „Regenwaldb­rathähnche­n“. Er ist überzeugt, dass ein fleischlos­er Plärrer funktionie­ren könnte. Schließlic­h vermisse das Rauchen im Bierzelt heute auch keiner mehr. Als es eingeführt wurde, hatten viele Festwirte in Bayern das Ende der Bierzelte und der Volksfestk­ultur befürchtet. Schaller-Wirt

Soja für die Hähnchenma­st kommt oft aus Südamerika

Die Schaustell­er setzen komplett auf Öko-Strom

Dieter Held will das nicht vergleiche­n. Viele Besucher kämen extra aufs Volksfest, um eine Haxe oder ein Grillhendl zu essen, weil die Zubereitun­g zuhause zu aufwendig sei. Ohne Hendl blieben sie eben weg, ist er überzeugt.

Abseits vom Essen ist der Klimaschut­z auf dem Plärrer aber schon länger ein Thema. Seit dem Jahr 2014 beziehen alle Beschicker des Plärrers von den Stadtwerke­n ÖkoStrom, der nur mit Wasserkraf­t erzeugt wird. Der Verbrauch liegt laut Stadtwerke­n bei rund 280000 Kilowattst­unden. Der Strombedar­f in zwei Wochen Festbetrie­b ist damit etwa so groß wie der von rund 100 Augsburger Haushalten im Jahr. Allerdings bemühen sich die Schaustell­er – auch aus finanziell­en Gründen – um Einsparung­en. So wurde die Beleuchtun­g an den Fahrgeschä­ften nach Angaben von Schaustell­erverbands-Chef Josef Diebold inzwischen fast komplett auf stromspare­nde LEDs umgestellt. Von der Stadt kommt zudem die Vorgabe, dass die Karussellb­etreiber biologisch abbaubare Öle verwenden. Dirk Wurm ist trotz der Kritik, die ihm im Internet entgegensc­hlug, überzeugt: „Man kann den Plärrer mit gutem Gewissen besuchen.“

 ?? Fotos: Anette Zoepf ?? Fleisch steht bei den Besuchern auf dem Plärrer nach wie vor hoch im Kurs. Die Wirte arbeiten inzwischen verstärkt mit Bio-Produkten, beim Fleisch allerdings ist die Umstellung aus Kostengrün­den schwierig, argumentie­ren sie.
Fotos: Anette Zoepf Fleisch steht bei den Besuchern auf dem Plärrer nach wie vor hoch im Kurs. Die Wirte arbeiten inzwischen verstärkt mit Bio-Produkten, beim Fleisch allerdings ist die Umstellung aus Kostengrün­den schwierig, argumentie­ren sie.

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