Für ein gutes Miteinander sind alle verantwortlich
Augsburg ist eine Stadt mit hohem Migrantenanteil. Die Gesellschaft hat daraus viel gelernt, was ihr bei der Integration neuer Zuwanderer behilflich sein kann. Doch es gibt Herausforderungen
Deutschland ist ein Zuwanderungsland. Jeder vierte Bürger hat ausländische Wurzeln – vor allem in Ballungszentren ist der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund hoch. So auch in Augsburg: Über 45 Prozent der Bürger, die hier leben, haben ihre Wurzeln im Ausland.
Der Großteil von ihnen lebt schon lange in Deutschland. Viele kamen als Gastarbeiter aus der Türkei, aus Italien oder Griechenland. Das war zu Zeiten des Wirtschaftswunders. Diese Familien leben hier oft schon in dritter Generation. Eine weitere große Gruppe bilden die Aussiedler, die in den 80er- und 90er-Jahren aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion zuwanderten. In den vergangenen Jahren zogen auch zahlreiche Osteuropäer nach Augsburg. Und: In Gemeinschaftsunterkünften und dezentralen Einrichtungen der Stadt leben insgesamt über 2000 Flüchtlinge.
In Frankfurt am Main stellen Menschen mit Migrationshintergrund inzwischen die Bevölkerungsmehrheit, Städte wie Stuttgart und Augsburg stehen auf der
Schwelle dahin. Oft geht das mit Konflikten einher. In Augsburg aber ist das kaum der Fall. Warum das Zusammenleben hier so friedlich abläuft, weiß Geograf Markus Hilpert von der Universität Augsburg: „Die Durchmischung der einzelnen Stadtteile von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund ist gut.“Es gebe zwar Konzentrationen in Stadtteilen wie Oberhausen, Lechhausen oder dem Univiertel. Doch grundsätzlich leben in allen Bezirken der Stadt Menschen mit ausländischen Wurzeln. Eine Ballung in nur wenigen Quartieren komme in Augsburg nicht vor.
Als positiv bewertet Hilpert die Aufwertung, die Oberhausen in den vergangenen Jahren erlebt hat. In vielen Bereichen wurde die bauliche Substanz erneuert, das Nahversorgungsangebot etwa an der Donauwörther Straße verbessert, auf brachliegenden industriellen Flächen werden Neubauprojekte angegangen. Auf dem Zeuna-Stärker-Areal an der Äußeren Uferstraße zum Beispiel sollen rund 700 neue Wohnungen für 1500 Menschen entstehen und auf dem Gelände der ehemaligen Produktionsstätte der Centralmolkerei Augsburg (Cema) an der Zirbelstraße rund 400 Wohneinheiten – vom Mikro-Apartment bis zum Stadthaus. Daneben wird das Oberhauser Gaswerkareal saniert. Das Staatstheater ist dort mit einer Spielstätte vertreten, Künstler und Musiker konnten neue Räumlichkeiten für Ateliers oder Bandübungsräume anmieten. Das Jugendfestival Modular fand in diesem Jahr erstmals dort statt. Sobald das Gelände fertig saniert ist, sollen weitere Kulturschaffende und Vertreter der Kreativwirtschaft folgen. Diese Entwicklung ist als absolut positiv zu bewerten. Ein Stadtteil, über den vor Jahrzehnten noch die Nase gerümpft wurde, gilt nun fast schon als hip.
Die Aufwertung von Stadtteilen kann aber auch Schattenseiten haben. Sie kann einen Verdrängungsprozess auslösen, der wiederum eine Konzentration von Menschen aus bestimmten Kulturen und sozialen Milieus in anderen Vierteln verstärkt. Dies kann den sozialen Frieden gefährden. In Augsburg ist das bislang nicht der Fall. Hilpert aber kennt andere Beispiele. „Im East End in London haben lange vor allem Menschen aus Bangladesch gewohnt.
Dann haben es die Yuppies für sich entdeckt, die Gegend wurde aufgewertet.“Heute gebe es dort Kunstgalerien, Szene-Bars, InClubs, Spitzen-Restaurants und Vintage-Boutiquen. Wohnen ist aber teuer geworden. Aufgrund der hohen Mieten musste die angestammte Bevölkerung nach und nach in andere Viertel weichen. Das darf in Augsburg nicht passieren. Damit es zu keinem Ungleichgewicht kommt, müssen in jedem Stadtteil Menschen mit guten und geringen Einkommen, Augsburger mit und ohne Migrationshintergrund leben können. Die Stadt hat erst kürzlich einen wichtigen Grundstein dafür gelegt: Die Mitglieder des Bauausschusses beschlossen bis auf Weiteres, dass bei künftigen Neubauprojekten die Quote von sozial gefördertem Wohnungsbau auf 30 Prozent festgesetzt wird.
Daneben spielen Integrationsangebote eine große Rolle. Menschen mit ausländischen Wurzeln, die schon lange in Augsburg leben, haben sich bereits integriert oder ihre Lebenswelt gefunden, in der sie gut klarkommen. Menschen, die noch nicht so lange in der Stadt sind, benötigen aber Unterstützung beim Erlernen der Sprache, beim Joberwerb oder beim Gang zu Behörden und Ämtern. Da Augsburg seit Jahrzehnten Wohnort von Menschen mit Migrationshintergrund ist, gibt es zahlreiche Vereine, Institutionen, Stammtische, Freundesund Helferkreise, die Neu-Augsburgern unter die Arme greifen. Dass das beim Großteil der zugewanderten Menschen problemlos abläuft, ist auch ihr Verdienst. Das Miteinander von Menschen vieler Kulturen funktioniert in Augsburg. Damit es so bleibt, ist das Zusammenspiel vieler Faktoren nötig. Nicht nur die Stadt ist gefordert, sondern auch die Bürger – ob mit oder ohne Migrationshintergrund.