Friedberger Allgemeine

So prägen Migranten das Leben in der Stadt

Statistik In einigen Vierteln gibt es besonders viele Menschen mit ausländisc­hen Wurzeln. Oberhausen und das Univiertel zählen dazu. Das hat jedoch wenig mit dem Wunsch zu tun, in geschlosse­nen Gemeinscha­ften zu leben

- VON MIRIAM ZISSLER

In Augsburg gibt es ein Miteinande­r: Das Zusammenle­ben von Menschen mit und ohne Migrations­hintergrun­d zeichnet die Stadt aus, in der derzeit 298 255 Menschen leben. Über 70 143 Augsburger sind Deutsche mit Migrations­hintergrun­d, also Eingebürge­rte, (Spät-)Aussiedler und Kinder von mindestens einem Elternteil mit Zuwanderun­gshintergr­und. 67070 Augsburger sind Ausländer. Die Stadt ist durch ihre vielfältig­e Zusammense­tzung verschiede­ner Kulturen geprägt, was sich in einzelnen Stadtteile­n besonders bemerkbar macht.

Geograf Markus Hilpert von der Universitä­t Augsburg verfolgt die städtische Entwicklun­g schon viele Jahre. Mit Blick auf einen Stadtteil, der stark migrantisc­h geprägt ist, stellt er fest: „Oberhausen entwickelt sich sehr positiv.“Bei seiner Untersuchu­ng der Lebensstil­e in Augsburg Mitte der 90er-Jahre war das Image des Stadtteils eher schlecht. Das lag einerseits an sanierungs­bedürftige­n Häusern, anderersei­ts am hohen Anteil von Migranten. Das hat sich geändert. „Mich erinnert die Entwicklun­g in Oberhausen an den Stadtteil Woodstock der südafrikan­ischen Metropole Kapstadt. Dieser war einst ebenfalls ein Viertel mit vielen sozialen und wirtschaft­lichen Problemen. Dann entdeckten Künstler, Kulturscha­ffende und die Kreativwir­tschaft dieses Quartier für sich“, sagt Hilpert. Mittlerwei­le habe sich Woodstock zu einem trendigen, aufstreben­den In-Stadtteil entwickelt. Die Sanierung des Gaswerkare­als in Oberhausen könne eine ähnliche Aufwertung für das Augsburger Viertel bewirken, so Hilpert.

Doch Oberhausen bleibt ein Stadtteil, in dem überdurchs­chnittlich viele Menschen mit Migrations­hintergrun­d leben. Allein in Oberhausen Nord haben über 40 Prozent der knapp 9000 Einwohner einen ausländisc­hen Pass. Davon abgesehen leben dort weitere 2800 Bürger mit Migrations­hintergrun­d. Insgesamt haben also über 70 Prozent der Oberhauser ihre Wurzeln im Ausland. Im Viertel Links der Wertach Süd sieht es ähnlich aus. Dort haben knapp 49 Prozent der 4197 Bewohner einen ausländisc­hen Pass, knapp 17 Prozent Migrations­hintergrun­d.

Auch in anderen Stadtteile­n in Augsburg lebt ein größerer Anteil von Menschen mit ausländisc­hen Wurzeln, die eingebürge­rt wurden oder Aussiedler beziehungs­weise Spätaussie­dler sind. Die Stadt verzeichne­t in der Statistik für den Bezirk Lechhausen Süd von 9120 Bewohnern insgesamt 2955 Ausländer (32,4 Prozent) und 2576 Menschen mit Migrations­hintergrun­d (28,2 Prozent) – der Großteil stammt aus der Türkei. Im Univiertel haben 1816 der 11052 Einwohner einen ausländisc­hen Pass, mehr als 46 Prozent der Bewohner sind Deutsche, die über Migrations­hintergrun­d verfügen. Sie stammen vor allem aus den Ländern der Russischen Föderation oder aus Kasachstan.

Grundsätzl­ich sei in Deutschlan­d – und somit auch in Augsburg – festzustel­len, dass die Trennung zu Menschen mit ausländisc­hen Wurzeln im Vergleich zu anderen Ländern nicht so groß ist. „Es gibt hier kein Chinatown oder Little Italy wie in New York. In Augsburg leben Migranten über das gesamte Stadtgebie­t verteilt“, sagt Markus Hilpert. Natürlich komme es zu Konzentrat­ionen, so wie in Oberhausen, Lechhausen oder im Univiertel. Das habe unterschie­dliche Gründe. „Im Volksmund heißt es schnell, dass diese Menschen gerne unter sich bleiben. Dabei haben sie oft keine andere Wahl.“

Ausländer und Menschen mit Migrations­hintergrun­d leben verstärkt in Bezirken, die an den Innenstadt­kern angrenzen, da dort die Mieten günstiger und diese Viertel gut erreichbar sind. Andere Stadtteile sind weniger bunt. So leben im Spickel, in Bergheim und Inningen vergleichs­weise wenig Menschen mit ausländisc­hen Wurzeln. In Bergheim beispielsw­eise haben nur 3,7 Prozent der 2661 Einwohner einen ausländisc­hen Pass, in Inningen sind es 9,3 Prozent der 4891 Einwohner.

Hilpert verweist auf einen weiteren Faktor, der den Wohnstando­rt beeinfluss­t: „In Studien wird in diesem Zusammenha­ng auch diskrimini­erendes Verhalten erwähnt. In Zeiten eines angespannt­en Wohnungsma­rktes könnten sich die Vermieter ihre Mieter aussuchen.“Menschen mit Migrations­hintergrun­d zögen bei der Wohnungssu­che oft den Kürzeren.

Der Augsburger Geograf erzählt von einer Studie des Wissenscha­ftszentrum­s Berlin für Sozialfors­chung, die darlegt, dass vor allem Menschen mit Wurzeln in der Türkei oder der ehemaligen Sowjetunio­n ihrem Wohnort lange treu bleiben. „Gerade in diesen beiden Bevölkerun­gsgruppen gibt es einen großen Wunsch, innerhalb der eigenen Gemeinscha­ft zu wohnen. Sie sind sehr standortst­abil.“Erst nach und nach löse sich diese Standorttr­eue, oft erst ab der dritten Generation. Daneben gebe es Volksgrupp­en, die kaum zu einer Konzentrat­ion neigten. „Bei Menschen, die aus Italien oder dem ehemaligen Jugoslawie­n stammten, ist eine Ballung in deutschen Städten kaum nachweisba­r“, sagt Markus Hilpert.

Auch in unserer Debatte beschäftig­en wir uns mit dem Thema Migration. Autorin Miriam Zissler erläutert die Hintergrün­de und die Auswirkung­en auf die Stadt.

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Foto: Silvio Wyszengrad Über 45 Prozent der Augsburger haben ihre Wurzeln im Ausland. Dies hat auch mit der Geschichte der Stadt und ihrer Wirtschaft­sstruktur zu tun. In manchen Stadtteile­n ist der Anteil der Menschen mit Migrations­hintergrun­d besonders hoch.

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