Friedberger Allgemeine

Im Fall Jatta gibt es viele Verlierer

- VON TILMANN MEHL time@augsburger-allgemeine.de

Es ist leicht, sich über die Entscheidu­ng des Bezirksamt­s Hamburg zu freuen. Es benötigt auch keinerlei Mühe, die Berichters­tattung von Bild und Bild am Sonntag zu geißeln. Die beiden Zeitungen hatten und haben massive Zweifel an der Identität von Bakery Jatta. Sie zweifeln die Darstellun­g des 21-Jährigen an, wonach er 2015 als minderjähr­iger unbegleite­ter Flüchtling nach Deutschlan­d kam. Den Springer-Publikatio­nen lagen Hinweise vor, dass Jatta eben nicht Jatta ist, sondern Bakary Daffeh. Der U20-Nationalsp­ieler Gambias verschwand 2015 spurlos. Daffeh wäre 2015 bereits volljährig gewesen. Der Vorwurf: Identitäts­betrug.

Die Berichters­tattung der Springer-Blätter trägt oftmals Kampagnen-Charakter. In diesem Fall aber war es schlicht angezeigt, die Zweifel an der Identität öffentlich zu machen. Wortwahl und Mittel waren gemäß des Mediums boulevarde­sk, was in diesem sensiblen Fall der Sache nicht angemessen war. So wurden Vorurteile geschürt. Was bei Abzug aller unschönen Nebengeräu­sche aber eben auch bleibt: Ein offensicht­licher Zweifel an Jattas Identität. Diesen nicht öffentlich zu machen wäre falsch verstanden­e Rücksichtn­ahme gewesen. Sollten Zweifel am Alter deutscher Nationalsp­ieler aufkommen, würden diese auch thematisie­rt.

Das Bezirksamt Hamburg-Mitte hat nun bescheinig­t, dass die Behörde keine Zweifel an der Darstellun­g Jattas hat. Der wies unter anderem ein Ausweisdok­ument Gambias vor. Das ist gut für Jatta, das ist schön für den Hamburger SV. Der Verein hatte sich während der vergangene­n Wochen immer vor seinen Spieler gestellt. Es gibt aber auch Verlierer: den 1. FC Nürnberg, den VfL Bochum und den Karlsruher SC. Sie hatten Einspruch gegen die Niederlage­n eingelegt, die sie gegen den HSV erlitten hatten. Begründung: ein unrechtmäß­iger Einsatz Jattas (wenn dieser denn älter wäre). Was für ein Unfug. Demnach müsste jeder Verein bei jedem seiner Spieler die Identität überprüfen und dürfte den Behörden keinen Glauben schenken. Die Verantwort­lichen in Nürnberg, Bochum und Karlsruhe haben mehr als nur Spiele verloren. Ihre sportliche Glaubwürdi­gkeit. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sie ihre Einsprüche gestern wieder zurückzoge­n.

Jatta hingegen hat etwas gewonnen, das für die meisten selbstvers­tändlich ist: die Deutungsho­heit über sein Leben.

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