Der Instagrammer vom Priesterseminar
Der Kühbacher Josef Wagner will Priester werden. Um dieses Ziel zu erreichen, studiert er seit vergangenem Jahr Theologie an der Universität Augsburg. Warum er nebenbei einen Instagram-Kanal betreibt und damit erfolgreich ist
Aichach/Augsburg Um 5.45 Uhr klingelt der Wecker: Für Josef Wagner beginnt um diese Zeit ein normaler Tag. Der 20-Jährige ist Theologiestudent in Augsburg und will Priester werden. Er stammt aus Kühbach und wohnt derzeit im Priesterseminar am Siebentischwald. Dort findet der praktisch-liturgische Teil statt, die Ausbildung ist zweigeteilt. Der andere ist ein Studium an einer staatlichen Hochschule, Wagners Uni ist die in Augsburg. Nebenbei macht er noch Werbung für die Ausbildung: Auf Instagram und dem Videoportal Youtube produziert er Beiträge über kirchliche Themen.
Doch der Grund für ihn, so früh aufzustehen, ist erst einmal ein anderer: Josef Wagner ist derzeit Mesner. Andere Priesteranwärter kümmern sich ihm zufolge um Musik und Gesang, sind Organisten oder für die Ministranten zuständig. „Jedes Semester wechseln die Aufgaben“, sagt Josef Wagner. „Der Mesner bleibt meist ein Jahr.“Die Dauer des Amtes sei jedoch unterschiedlich.
Noch vor dem Frühstück betritt der Student die Sakristei und bereitet die Messe vor. Sie findet im täglichen Wechsel entweder am Morgen oder Abend statt, nur sonntags ist die Messe immer am Morgen. Dementsprechend finden jeweils abends Vespern und morgens Lauden, also Stundengebete, statt. „Wir beten aber nicht jedes Mal vor dem Studieren“, sagt Josef Wagner augenzwinkernd.
Nach dem Frühstück macht er sich zur Universität auf. Sein Abitur hat er 2017 am Aichacher Deutschherren-Gymnasium (DHG) abgelegt. Im Anschluss war er von September 2017 bis August 2018 Priesterseminarist in der Diözese Passau, wo er auf das Theologiestudium vorbereitet wurde. Zu Beginn des Priesterseminars in Passau hat Wagner den Instagram-Account „derboivomseminar“erstellt, den er auch weiterhin betreibt. Mit diesem verfolgt er das Ziel, das Geheimnis um das Priesterseminar zu lüften. „Kaum einer kann sich darunter etwas vorstellen“, sagt er. Dadurch wurde die Pressestelle des Bistums Passau auf ihn aufmerksam. Zusammen produzierten sie eine gleichnamige Youtube–Serie, die verschiedene Aspekte des Glaubens behandelt. Die zwei- bis dreiminütigen Clips enden meist mit einem Denkanstoß für die Zuschauer.
Mit Studienbeginn wurde das Projekt aber eingestellt. Derzeit arbeitet Wagner mit Credo Online, dem Online-Magazin der Diözese Augsburg, zusammen. Sie drehen kurze Youtube-Videos. „Es ist aber kein offizielles Projekt“, betont er. Viel eher diene es dazu, neue Ideen auszuprobieren. Auch für seinen Instagram-Kanal stellt ihm die Redaktion Kameras zur Verfügung.
Seit Oktober des vergangenen Jahres studiert der 20-Jährige und lebt mit – über alle Jahrgänge verteilt – elf weiteren angehenden Priestern im Seminar. „Es war ein gewisser Bruch für mich, von Passau nach Augsburg umzuziehen“, sagt er. „Ich habe mich dort ein Jahr eingewöhnt.“Der Tagesablauf an der Uni sei nun weniger geordnet. In den ersten Vorlesungswochen wurde ihm immer klarer, dass sein Wunsch, Priester zu werden, nun konkretere Züge annimmt. Die Beauftragung zum Lektorat im Februar, die er als wichtigen Zwischenschritt auf dem Weg zum Priester sieht, habe ihn in seinem Vorhaben bestätigt. „Ich habe öffentlich, vor allem vor dem Bischof, gezeigt, dass ich diesen Weg gehen will.“
Im Rahmen der praktisch-liturgischen Ausbildung befassen sich die Seminaristen in Spiritual-Stunden mit Bibelstellen. „Man redet deutlich über alle Themen“, sagt Wagner. „Man verschweigt nichts.“Damit meine er die Missbrauchsfälle, die sich in der römisch-katholischen Kirche zugetragen haben. Einmal pro Woche haben die Seminaristen ein Gespräch mit dem geistlichen Leiter des Hauses in kleiner Runde. Am Mittwoch ist stiller Abend. „Das ist ein Abend nur für dich und den lieben Gott“, sagt Wagner. „Ohne Handy.“Auch Gesangslehre und Sprecherziehung stehen auf dem Plan. „Das Predigen kommt erst später in der Ausbildung“, sagt Wagner.
Für ihn sind beide Teile der Ausbildung verbunden. „Der Glaube hält sie zusammen. Dinge, die man im Studium lernt, haben eine Verknüpfung zum Seminar“, sagt er. Die Theorie werde im Studium vermittelt, ist aber thematisch eng verknüpft mit dem Priesterseminar. In dem Fachgebiet Fundamentaltheologie lerne man beispielsweise, warum es sinnvoll sei, zu glauben. Anregungen nimmt Wagner in die nächste Messe mit.
Insgesamt sei Theologie auch mit der Absicht Priester zu werden, ein recht normales Studium, fügt Wagner an. Es gebe wenig Pflichtvorlesungen und keine Anwesenheitskontrolle. „Mir macht es aber Spaß, also gehe ich hin“, sagt er. Besonders habe ihn beeindruckt, wie weit das Feld der Theologie ist: Fundamentaltheologie, Kirchenrecht und Kirchengeschichte beispielsweise. „Man muss sich erst einmal in der Masse zurechtfinden. Es ist ein sehr wissenschaftliches und geschichtliches Fach“, sagt er. Man könne dadurch praktisch alles aus Glaubenssicht betrachten und überall mitreden, das begeistere ihn.
Besonderen Gefallen hat er an der Philosophie-Vorlesung, an der auch Studenten anderer Fachrichtungen teilnehmen. „Die Wenigsten glauben das, was wir Theologiestudenten glauben“, vermutet Wagner. Denn für einige müsse Philosophie frei von einem Gott sein. „Es gibt viele verschiedene Meinungen und alle sind auf der Suche“, sagt er. Das fasziniere ihn. Insgesamt stellt Wagner aber fest: „Ich werde nicht Priester, um Theologie zu studieren, sondern um das weiterzugeben, was ich empfangen habe: den Glauben.“
Erfahren Kommilitonen von Wagners Wunsch, Priester zu werden, blicke er meist in überraschte Gesichter. „Mit Ablehnung reagieren die Leute aber sehr selten“, sagt er. Auch Freunden, die er nicht regelmäßig sieht, seien seine beruflichen Ziele längst bekannt. „Sie fragen: Machst du es noch weiter? Dann sage ich ja“, erzählt er. Auch die Meinung seiner Eltern habe sich nicht geändert. Bereits als er das Priesterseminar in Passau besuchte, seien sie nicht überrascht gewesen. Ihnen war sein Interesse längst aufgefallen.
Gut eineinhalb Jahre, nachdem Wagner den Instagram-Kanal erstellt hat, sagt er im Hinblick auf sein Ziel, das Geheimnis um das Priesterseminar zu lüften: „Es ist ein Prozess. Im Großen und Ganzen hat es aber schon funktioniert.“Nicht nur verschiedene Zeitungen berichteten über ihn, sogar ein Fernsehteam drehte mit ihm vor Kurzem in Augsburg einen Beitrag zum Thema Glaube und Jugend.
Wagners zwei- bis dreiminütige Clips enden meist mit einem Denkanstoß
Kommilitonen sind überrascht von Wagners Wunsch, Priester zu werden