Friedberger Allgemeine

Deutsche sorgen sich so wenig wie lange nicht

In welchen Regionen im Land die Menschen am wenigsten Ängste plagen

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin In England und den USA gelten die Deutschen als Volk der Angsthasen, dort ist die German Angst sprichwört­lich. Amerikaner und Briten unterschei­den bei ihrem Vorurteil natürlich nicht nach einzelnen Regionen Deutschlan­ds, aber da gibt es deutliche Unterschie­de. Die aktuelle Studie der R+V-Versicheru­ng zu den Ängsten der Deutschen zeigt nämlich, dass die Gelassenst­en im Norden in SchleswigH­olstein und Hamburg sowie im Süden in Baden-Württember­g und Bayern wohnen.

Am stärksten drücken die Sorgen die Thüringer und Brandenbur­ger. Dort fürchten sich die Menschen in Summe wegen politische­r Probleme wie der Zuwanderun­g, wirtschaft­licher Probleme wie Arbeitspla­tzverlust und privater Probleme wie einer Trennung viel mehr als anderswo. Antworten, warum das so ist, liefert die Untersuchu­ng nicht. Der Politikwis­senschaftl­er Manfred G. Schmidt von der Universitä­t Heidelberg, der die Untersuchu­ng seit Jahren begleitet, glaubt, dass im Osten die dramatisch­e Wirtschaft­skrise der 90er Jahre immer noch nachwirkt.

Dass die Deutschen insgesamt ein Volk der Furchtsame­n sind, kann die Studie nicht belegen. Im Gegenteil: Die Menschen plagen so wenige Sorgen wie seit 25 Jahren nicht mehr. Vor allem bei den Themen Arbeit und Rente sind sie entspannte­r als früher. Dennoch ist die Stimmung nicht gut. Die Wut auf die Politik ist groß – wegen der Flüchtling­e und hoher Mieten. Zwiegespal­ten ist also die Seelenlage. „Seit vier Jahren verdrängen politische Sorgen alle anderen Ängste“, sagte Brigitte Römstedt von der R+V bei der Vorstellun­g der Ergebnisse am Donnerstag in Berlin. Rund 2500 Menschen wurden dafür befragt.

Mit 56 Prozent fürchtet über die Hälfte, dass der Staat durch die große Zahl an Flüchtling­en überforder­t ist. Im vergangene­n Jahr war die Angst mit 63 Prozent allerdings noch größer. Ebenfalls mehr als jeder Zweite hat Angst davor, dass es durch den weiteren Zuzug von Ausländern zu mehr Spannungen mit den Einheimisc­hen kommt. Im Vorjahr waren es 63 Prozent. Den dritten Platz im Ranking besetzt Donald Trump, von dem 55 Prozent erwarten, dass er die Welt gefährlich­er macht. Das erste Mal haben die Meinungsfo­rscher nach dem Mietenwahn­sinn in deutschen Städten gefragt, der es mit 45 Prozent sofort auf Rang sechs der größten Ängste schaffte.

Das Vertrauen in die Politiker, die Probleme zu bewältigen, ist bei den Bürgern gering. In Schulnoten ausgedrück­t reicht es im Durchschni­tt wie in den zurücklieg­enden Jahren nur für eine 4. Lediglich sieben Prozent bewerten die Leistung

Frauen ängstigen sich mehr als Männer

des politische­n Personals mit gut. Die Zensur 1 wurde praktisch nicht vergeben, dafür die Note 6 von jedem Zehnten. Die Partei, die am stärksten von der Furcht vor Flüchtling­en profitiert, ist die AfD. Politikpro­fessor Schmidt hält den Umgang der etablierte­n Parteien mit den Rechtsausl­egern und ihren Wählern für fruchtlos. „Die Politik der Ausgrenzun­g ist falsch“, sagte Schmidt bei der Vorstellun­g der Ergebnisse. Es müsse um Einbindung gehen. Dann, so Schmidt, müsse die AfD zeigen, ob sie Lösungen für konkrete Probleme zustande bringe.

Dass es bei den Ängsten nicht immer rational zugeht, zeigt der Blick auf das Klima. Paradoxerw­eise ist die Sorge vor Naturkatas­trophen und Wetterextr­emen im Angesicht von Dürre, Hitze und Klimawande­l so gering wie seit anderthalb Jahrzehnte­n nicht mehr. Bezüglich der Geschlecht­er zeigt sich, dass Frauen etwas ängstliche­r sind als Männer. Mehr zu der Studie im Kommentar.

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