Deutsche sorgen sich so wenig wie lange nicht
In welchen Regionen im Land die Menschen am wenigsten Ängste plagen
Berlin In England und den USA gelten die Deutschen als Volk der Angsthasen, dort ist die German Angst sprichwörtlich. Amerikaner und Briten unterscheiden bei ihrem Vorurteil natürlich nicht nach einzelnen Regionen Deutschlands, aber da gibt es deutliche Unterschiede. Die aktuelle Studie der R+V-Versicherung zu den Ängsten der Deutschen zeigt nämlich, dass die Gelassensten im Norden in SchleswigHolstein und Hamburg sowie im Süden in Baden-Württemberg und Bayern wohnen.
Am stärksten drücken die Sorgen die Thüringer und Brandenburger. Dort fürchten sich die Menschen in Summe wegen politischer Probleme wie der Zuwanderung, wirtschaftlicher Probleme wie Arbeitsplatzverlust und privater Probleme wie einer Trennung viel mehr als anderswo. Antworten, warum das so ist, liefert die Untersuchung nicht. Der Politikwissenschaftler Manfred G. Schmidt von der Universität Heidelberg, der die Untersuchung seit Jahren begleitet, glaubt, dass im Osten die dramatische Wirtschaftskrise der 90er Jahre immer noch nachwirkt.
Dass die Deutschen insgesamt ein Volk der Furchtsamen sind, kann die Studie nicht belegen. Im Gegenteil: Die Menschen plagen so wenige Sorgen wie seit 25 Jahren nicht mehr. Vor allem bei den Themen Arbeit und Rente sind sie entspannter als früher. Dennoch ist die Stimmung nicht gut. Die Wut auf die Politik ist groß – wegen der Flüchtlinge und hoher Mieten. Zwiegespalten ist also die Seelenlage. „Seit vier Jahren verdrängen politische Sorgen alle anderen Ängste“, sagte Brigitte Römstedt von der R+V bei der Vorstellung der Ergebnisse am Donnerstag in Berlin. Rund 2500 Menschen wurden dafür befragt.
Mit 56 Prozent fürchtet über die Hälfte, dass der Staat durch die große Zahl an Flüchtlingen überfordert ist. Im vergangenen Jahr war die Angst mit 63 Prozent allerdings noch größer. Ebenfalls mehr als jeder Zweite hat Angst davor, dass es durch den weiteren Zuzug von Ausländern zu mehr Spannungen mit den Einheimischen kommt. Im Vorjahr waren es 63 Prozent. Den dritten Platz im Ranking besetzt Donald Trump, von dem 55 Prozent erwarten, dass er die Welt gefährlicher macht. Das erste Mal haben die Meinungsforscher nach dem Mietenwahnsinn in deutschen Städten gefragt, der es mit 45 Prozent sofort auf Rang sechs der größten Ängste schaffte.
Das Vertrauen in die Politiker, die Probleme zu bewältigen, ist bei den Bürgern gering. In Schulnoten ausgedrückt reicht es im Durchschnitt wie in den zurückliegenden Jahren nur für eine 4. Lediglich sieben Prozent bewerten die Leistung
Frauen ängstigen sich mehr als Männer
des politischen Personals mit gut. Die Zensur 1 wurde praktisch nicht vergeben, dafür die Note 6 von jedem Zehnten. Die Partei, die am stärksten von der Furcht vor Flüchtlingen profitiert, ist die AfD. Politikprofessor Schmidt hält den Umgang der etablierten Parteien mit den Rechtsauslegern und ihren Wählern für fruchtlos. „Die Politik der Ausgrenzung ist falsch“, sagte Schmidt bei der Vorstellung der Ergebnisse. Es müsse um Einbindung gehen. Dann, so Schmidt, müsse die AfD zeigen, ob sie Lösungen für konkrete Probleme zustande bringe.
Dass es bei den Ängsten nicht immer rational zugeht, zeigt der Blick auf das Klima. Paradoxerweise ist die Sorge vor Naturkatastrophen und Wetterextremen im Angesicht von Dürre, Hitze und Klimawandel so gering wie seit anderthalb Jahrzehnten nicht mehr. Bezüglich der Geschlechter zeigt sich, dass Frauen etwas ängstlicher sind als Männer. Mehr zu der Studie im Kommentar.