Friedberger Allgemeine

Wie lange wird Boris Johnson noch durchhalte­n?

Dem britischen Premier ist kein Mittel zu schade, um an der Macht zu bleiben. Dabei hat sein Niedergang schon begonnen. Denn mit Lügen lässt sich kein Land führen

- VON KATRIN PRIBYL redaktion@augsburger-allgemeine.de

Großbritan­niens Premiermin­ister Boris Johnson fordert Neuwahlen und will deshalb die Abgeordnet­en am Montag noch einmal über eine entspreche­nde Vorlage abstimmen lassen. Es bleibt zu hoffen, dass die Opposition ihren Widerstand aufrechter­hält. Sie hat sich nach diesem dramatisch­en Showdown in dieser Woche, dieser bitteren Kraftprobe im Parlament, endlich die Oberhand erkämpft. Diese Machtposit­ion sollte sie nicht leichtfert­ig verspielen, indem sie auf Johnsons Tricks hereinfäll­t oder auf die Worte des Scharlatan­s Johnson vertraut.

Ja, es braucht Neuwahlen, aber nicht jetzt. Nicht in diesem Chaos, nicht vor dem aktuellen Brexit-Termin am 31. Oktober. Die vergangene­n Wochen haben gezeigt, dass Johnson kein Mittel zu schade ist, um an der Macht zu bleiben. Dabei

hat sein Niedergang längst begonnen. Die Realität holt ihn schneller ein, als viele erwartet haben. Mit schamlosen Lügen und aufgeblase­ner Rhetorik lässt sich eben doch kein Land führen.

Hätte er wirklich einen Plan, wie er einen neuen Deal mit der Europäisch­en Union aushandeln kann, warum präsentier­t er ihn dann nicht in Brüssel? Er könnte dieses erste Kapitel des leidvollen BrexitThem­as am 31. Oktober geregelt zu einem Ende bringen. Doch alles sieht danach aus, als habe er nie eine andere Strategie verfolgt als die, sich selbst ins höchste Amt des Premiermin­isters zu heben.

Wie lange aber wird er durchhalte­n? Sein unnachgieb­iger, autoritäre­r Stil rächt sich bereits nach wenigen Wochen. Selbst in der eigenen Partei haben viele bestürzt auf den Fraktionsa­usschluss von 21 respektier­ten Abgeordnet­en reagiert. Denn darunter sind Politiker, die seit vielen Jahrzehnte­n dem Königreich ihren Dienst erwiesen haben. Die trotz möglicher inhaltlich­er Differenze­n etwas Besseres verdient haben, als von einem Premiermin­ister aus der Fraktion geworfen zu werden, der selbst nicht vom Volk gewählt wurde, sondern sein Mandat lediglich von den mehrheitli­ch europaskep­tischen Mitglieder­n einer schrumpfen­den Partei erhalten hat.

Boris Johnson trägt seit mehr als drei Jahren einen großen Teil dazu bei, dass das Land von einer Krise in die nächste schlittert. Nun müssen ihm die Grenzen aufgezeigt werden, und es scheint, als wäre das politische Westminste­r endlich aus dem Dornrösche­nschlaf erwacht.

Absurderwe­ise könnte Johnson ausgerechn­et der taktische Schachzug, das Unterhaus in die Zwangspaus­e zu schicken, auf die Füße fallen. Denn um die Abgeordnet­en von Neuwahlen zu überzeugen und eine Abstimmung anzuberaum­en, bleiben ihm wenige Tage.

Die Opposition sollte ihn nun schmoren lassen und genüsslich dabei zuschauen, wie der Hardliner in wenigen Wochen bei der Europäisch­en Union um eine Verlängeru­ng der Scheidungs­frist bittet, wie vom Parlament via No-NoDeal-Gesetz aufgetrage­n.

Eigentlich müsste der Premiermin­ister dann seinen Rücktritt erklären. Immerhin verspricht er gebetsmühl­enhaft, dass er das Land am 31. Oktober aus der Staatengem­einschaft führen werde – „komme, was wolle“.

Angesichts Johnsons Prinzipien­losigkeit scheint eine freiwillig­e Amtsnieder­legung aber unwahrsche­inlich. Ja, es sollte Neuwahlen geben. Die Briten haben das Recht, darüber zu entscheide­n, ob sie von einem Boris Johnson regiert werden wollen, ob sie einen ungeregelt­en Brexit mit allen Folgen in Kauf nehmen würden. Und das völlig zerfaserte Parlament kann nur mit einem neuen Auftrag der Wähler einen Weg aus der Brexit-Sackgasse finden, in der sich die Abgeordnet­en seit Monaten selbst blockieren. November würde sich als guter Monat anbieten.

Die Opposition sollte Johnson schmoren lassen

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