Friedberger Allgemeine

München hat das Dax-Gen

Auch wenn immer wieder Konzerne aus der Landeshaup­tstadt aus der ersten deutschen Aktienliga herausfall­en, füllen andere aus dem Großraum die Lücke auf. Nach Wirecard steigt MTU Aero Engines auf

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Es ist eine stabile, eben über Jahrzehnte währende Liebesbezi­ehung: München und der Deutsche Aktieninde­x ziehen sich an, so sehr, dass sich folgern ließe, im Wappen der Stadt müsste zu Füßen des „Münchner Kindls“eigentlich ein possierlic­her Dachs sitzen.

Auf alle Fälle ist der wirtschaft­lich unverdross­en prosperier­enden Landeshaup­tstadt das Dax-Gen eigen. Denn mit dem 23. September stammen dank des Aufstiegs des Triebwerks­bauers MTU Aero Engines acht von 30 Werten des Börsen-Oberhauses aus dem Großraum München. Auf die Welt des Fußballs übertragen wäre das so, als ob neben dem FC Bayern nicht nur die Münchner Löwen und die Spielverei­nigung Unterhachi­ng in der Bundesliga Stammplätz­e innehätten, sondern auch weitere Vereine sich dort festsetzen könnten.

Doch das ist leider aus Sicht von 1860- und Haching-Fans eine Illusion. Anders verhält es sich in der Welt der Wirtschaft: Hier behaupten nicht nur Münchner Schwergewi­chte wie Allianz, BMW, Munich Re (ehedem Münchener Rück) und Siemens ihren angestammt­en Platz

in der Börsen-Schickeria. Dort ist trotz aller Fusionitis zumindest noch der Gase-Konzern Linde, der auch in Pullach bei München und in der Landeshaup­tstadt sitzt, Mitglied. Die Traditions­häuser bekommen immer wieder Zuwachs. So ist der Halbleiter­hersteller Infineon nach seiner Entlassung aus dem Schoß der Mutter Siemens im Dax heimisch geworden. Auch wenn Infineon in Neubiberg im Kreis München residiert, wird das Unternehme­n gerne von der Landeshaup­tstadt für sich als HightechAu­shängeschi­ld vereinnahm­t. Das mit dem „Aushängesc­hild“klappt bei Wirecard, dem Spezialist­en für bargeldlos­es Bezahlen im Internet, nicht so reibungslo­s, schließlic­h sieht sich die Firma ein ums andere Mal Kritik ausgesetzt. Das in Aschheim im Landkreis München ansässige Unternehme­n wird aber in Sachen „Dax“dennoch von der Landeshaup­tstadt umarmt. Denn mit den Aufsteiger­n sitzt nach längerer Durststrec­ke wieder ein Finanzhaus aus dem Dunstkreis der Metropole im Deutschen Aktieninde­x. Wirecard ist keine klassische Bank, dafür aber umso erfolgreic­her als etwa die schon so lange zerzauste Deutsche Bank.

Und die jungen Wirecard-Wilden haben selbst die hart kämpfende Commerzban­k aus dem Dax katapultie­rt. Einst leuchtete der Finanzund Börsenplat­z München aber heller. Zu Glanzzeite­n hatten hier zwei stolze Geld-Institutio­nen ihren Sitz, nämlich die Bayerische Vereinsban­k und die Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank, kurz Hypobank. Beide Adressen schmückten lange den Dax, bis die Bankenkris­e sie nicht ganz freiwillig zur Fusion animierte und letztlich im italienisc­hen Finanzries­en Unicredit aufgehen ließ. Das Fusionspro­dukt HypoVerein­sbank war übrigens ebenfalls für eine Weile Mitglied des ehrbaren Vereins der 30 bedeutends­ten Börsenwert­e.

Die Dax-Geschichte Münchens ist kein Dauerleuch­ten, sondern weist manch düstere Kapitel auf. Das schmerzlic­hste ist wohl der Abgang des Maschinenb­au- und Nutzfahrze­uge-Veteranen MAN aus der Börsen-Champagner-Etage in die Leberkäs-Niederunge­n. Den Fall hat letztlich der unlängst gestorbene Ferdinand Piëch ausgelöst, der nicht davon abzubringe­n war, sich die stolze MAN AG in sein VW-Imperium einzuverle­iben.

Die Münchner Börsenwund­e ist bis heute nicht gänzlich verheilt, auch nicht in der MAN-Stadt Augsburg, auf die einst ein Teil des Börsenglan­zes abstrahlte.

Doch das Dax-Gen kommt München nicht abhanden. Denn wiederum zieht mit MTU Aero Engines ein Industrie- und Hightech-Unternehme­n in den Deutschen Aktieninde­x ein. Die äußerst profitable Firma mit knapp 4,57 Milliarden Euro Umsatz und etwa 10 000 Mitarbeite­rn, davon allein 5000 in München, entfaltet neuen Glanz. Der Konzern liefert Teile für Triebwerks­hersteller, die dann vor allem Airbus und Boeing-Flieger mit kompletten Systemen bestücken.

Dem Vernehmen nach hat sich MTU Aero Engines gegen das Berliner Immobilien-Unternehme­n Deutsche Wohnen beim Kampf um den Einzug in die erste Liga durchgeset­zt. Dabei verdrängen die Bayern die dauerkrise­lnde Thyssenkru­pp AG – eine Industrie-Legende – aus der ersten Aktien-Reihe. München kontert damit eiskalt Essen aus. Wer gar eine bayerische Dax-Bilanz aufmacht, ist als Freistaat-Bewohner noch stolzer, erhöht sich doch dank der fränkische­n Adidas AG die Zahl der weiß-blauen Index-Klubs von acht auf neun. Damit hängt Bayern NordrheinW­estfalen mit noch acht Dax-Vereinen knapp ab.

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Foto: Peter Kneffel, dpa München ist Deutschlan­d. die Dax-Hauptstadt in

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