Friedberger Allgemeine

Salto ins Unglück

Ein Winterspor­tler wagt ein riskantes Kunststück – der Sprung misslingt, der Mann ist seither gelähmt. Warum nun ein Allgäuer Bergbahnbe­treiber dafür 280 000 Euro zahlen muss

- VON MICHAEL MUNKLER

Bad Hindelang Der 11. Januar 2014. Es ist der Tag, an dem sich das Leben eines 46 Jahre alten Winterspor­tlers für immer ändert. Der Mann ist an jenem Tag mit seinen neun und elf Jahre alten Söhnen beim Skifahren am Oberjoch. An einer Sprungscha­nze im Funpark will er gegen Mittag einen Rückwärtss­alto machen. Doch der Sprung misslingt. Der Skifahrer schafft nur eine halbe Drehung und kommt mit dem Kopf voran auf einem Sprungkiss­en auf, das Stürze abfedern soll. Doch der Mann erleidet unter anderem eine Dreivierte­l-Fraktur der Halswirbel­säule. Nach dem missglückt­en Rückwärtss­alto ist er vom Hals abwärts gelähmt.

Heute, fünf Jahre später, ist klar: Die Bergbahnen Bad HindelangO­berjoch müssen dem mittlerwei­le 51-Jährigen 280000 Euro Schmerzens­geld zahlen. Das hat das Oberlandes­gericht (OLG) München in einem Berufungsv­erfahren entschiede­n. Die Bergbahnen müssen ihm zudem eine lebenslang­e monatliche Schmerzens­geldrente in Höhe von 350 Euro zahlen. Außerdem hat das Unternehme­n ihm die Schäden durch den Unfall zu zwei Dritteln zu ersetzen. Gegen dieses Urteil ist keine Revision zugelassen.

Eine Zivilkamme­r des Augsburger Landgerich­ts hatte in erster Instanz die Klage des Mannes vollständi­g abgewiesen. Demgegenüb­er kam das OLG zu dem Schluss, dass der Bergbahnbe­treiber seiner Verkehrssi­cherungspf­licht nicht im erforderli­chen Maße nachgekomm­en sei. Der Kläger hatte unter anderem geltend gemacht, dass er nicht hinreichen­d über die Risiken eines Rückwärts-Saltos an der Sprungscha­nze aufgeklärt worden sei. Zudem sei ein Sprungkiss­en in einem derart ungünstige­n Winkel gelegen, dass die Verletzung­sfolgen so heftig waren.

In der Gerichtsve­rhandlung ging es unter anderem um die Frage, ob die Bergbahn alles unternomme­n hat, um eine Schädigung anderer durch die Anlage zu verhindern. In zweifacher Hinsicht sei der Bergbahnbe­treiber dieser Verpflicht­ung nicht nachgekomm­en, befand das OLG. Benutzer der Anlage seien nicht ausreichen­d auf die Gefahren hingewiese­n worden, die mit der Ausführung eines Saltos verbunden sind. Auch sei das Sprungkiss­en nicht nach den Vorschrift­en des Hersteller­s verwendet worden.

Das Bergbahnun­ternehmen hatte argumentie­rt, auf einem Schild („Hinweise zur Benutzung des Bagjumps“) seien Winterspor­tler auf die Gefahren eines Sprungs hingewiese­n worden. Demgegenüb­er heißt es unter anderem in der Urteilsbeg­ründung: „Denn um welche Gefahr (welcher Verletzung­en) es sich handelt, wird eben gerade nicht erörtert ...“

Der heute 51-jährige Familienva­ter hatte nach dem Unfall sein Haus für 78 000 Euro rollstuhl- und behinderte­ngerecht umbauen lassen. Er hatte sich in dem Rechtsstre­it auf den Standpunkt gestellt, das Bergbahnun­ternehmen treffe die alleinige Schuld an dem verhängnis­vollen

Der Skifahrer schafft nur eine halbe Drehung

Die Sprunganla­ge ist nicht mehr in Betrieb

Unfall. Die Richter aber sahen bei ihm ein Mitverschu­lden von einem Drittel. Die Sprunganla­ge mit dem Luftkissen sei seit dem Unfall nicht mehr in Betrieb, sagte eine Bergbahn-Mitarbeite­rin auf Anfrage unserer Redaktion. Nach dem dramatisch­en Unglück hatte die Kemptener Staatsanwa­ltschaft Vorermittl­ungen eingeleite­t, diese allerdings später wieder eingestell­t.

 ??  ?? Immer wieder wagen Winterspor­tler spektakulä­re Sprünge – manchmal aber misslingen sie. Symbolfoto: Mark Reis, dpa
Immer wieder wagen Winterspor­tler spektakulä­re Sprünge – manchmal aber misslingen sie. Symbolfoto: Mark Reis, dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany