Salto ins Unglück
Ein Wintersportler wagt ein riskantes Kunststück – der Sprung misslingt, der Mann ist seither gelähmt. Warum nun ein Allgäuer Bergbahnbetreiber dafür 280 000 Euro zahlen muss
Bad Hindelang Der 11. Januar 2014. Es ist der Tag, an dem sich das Leben eines 46 Jahre alten Wintersportlers für immer ändert. Der Mann ist an jenem Tag mit seinen neun und elf Jahre alten Söhnen beim Skifahren am Oberjoch. An einer Sprungschanze im Funpark will er gegen Mittag einen Rückwärtssalto machen. Doch der Sprung misslingt. Der Skifahrer schafft nur eine halbe Drehung und kommt mit dem Kopf voran auf einem Sprungkissen auf, das Stürze abfedern soll. Doch der Mann erleidet unter anderem eine Dreiviertel-Fraktur der Halswirbelsäule. Nach dem missglückten Rückwärtssalto ist er vom Hals abwärts gelähmt.
Heute, fünf Jahre später, ist klar: Die Bergbahnen Bad HindelangOberjoch müssen dem mittlerweile 51-Jährigen 280000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) München in einem Berufungsverfahren entschieden. Die Bergbahnen müssen ihm zudem eine lebenslange monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 350 Euro zahlen. Außerdem hat das Unternehmen ihm die Schäden durch den Unfall zu zwei Dritteln zu ersetzen. Gegen dieses Urteil ist keine Revision zugelassen.
Eine Zivilkammer des Augsburger Landgerichts hatte in erster Instanz die Klage des Mannes vollständig abgewiesen. Demgegenüber kam das OLG zu dem Schluss, dass der Bergbahnbetreiber seiner Verkehrssicherungspflicht nicht im erforderlichen Maße nachgekommen sei. Der Kläger hatte unter anderem geltend gemacht, dass er nicht hinreichend über die Risiken eines Rückwärts-Saltos an der Sprungschanze aufgeklärt worden sei. Zudem sei ein Sprungkissen in einem derart ungünstigen Winkel gelegen, dass die Verletzungsfolgen so heftig waren.
In der Gerichtsverhandlung ging es unter anderem um die Frage, ob die Bergbahn alles unternommen hat, um eine Schädigung anderer durch die Anlage zu verhindern. In zweifacher Hinsicht sei der Bergbahnbetreiber dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, befand das OLG. Benutzer der Anlage seien nicht ausreichend auf die Gefahren hingewiesen worden, die mit der Ausführung eines Saltos verbunden sind. Auch sei das Sprungkissen nicht nach den Vorschriften des Herstellers verwendet worden.
Das Bergbahnunternehmen hatte argumentiert, auf einem Schild („Hinweise zur Benutzung des Bagjumps“) seien Wintersportler auf die Gefahren eines Sprungs hingewiesen worden. Demgegenüber heißt es unter anderem in der Urteilsbegründung: „Denn um welche Gefahr (welcher Verletzungen) es sich handelt, wird eben gerade nicht erörtert ...“
Der heute 51-jährige Familienvater hatte nach dem Unfall sein Haus für 78 000 Euro rollstuhl- und behindertengerecht umbauen lassen. Er hatte sich in dem Rechtsstreit auf den Standpunkt gestellt, das Bergbahnunternehmen treffe die alleinige Schuld an dem verhängnisvollen
Der Skifahrer schafft nur eine halbe Drehung
Die Sprunganlage ist nicht mehr in Betrieb
Unfall. Die Richter aber sahen bei ihm ein Mitverschulden von einem Drittel. Die Sprunganlage mit dem Luftkissen sei seit dem Unfall nicht mehr in Betrieb, sagte eine Bergbahn-Mitarbeiterin auf Anfrage unserer Redaktion. Nach dem dramatischen Unglück hatte die Kemptener Staatsanwaltschaft Vorermittlungen eingeleitet, diese allerdings später wieder eingestellt.