Friedberger Allgemeine

Ein Rücktritt und seine Folgen

Das Karriereen­de von Marcel Hirscher lässt auf einmal ein halbes Dutzend Fahrer vom Gesamtwelt­cup träumen. Einen wie den Österreich­er wird es vielleicht nie mehr geben

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Salzburg Der Rücktritt von Marcel Hirscher, 30, ist eine Zäsur. Viel mehr noch als die Abschiede von Aksel Lund Svindal oder Felix Neureuther, die gemeinsam mit dem Österreich­er das vergangene Jahrzehnt im alpinen Ski-Weltcup geprägt haben. Natürlich waren die beiden Sympathiet­räger Svindal und Neureuther für die Branche wichtig und hinterlass­en eine große Lücke. Die Messlatte aber, an der sich alle orientiert haben, die war Hirscher.

„Ich glaube, ich bin einer der wenigen Menschen, wo die Realität größer geworden ist als die Träume“, sagte Hirscher bei seiner Abschiedsp­ressekonfe­renz am Mittwochab­end. WM, Olympia, Weltcup – Hirscher hat alles (mehrfach) gewonnen. Die 20 Glaskugeln seiner Karriere bildeten die Dekoration in Salzburg, als er im weißen T-Shirt ohne jedes Sponsorenl­ogo und wie meistens ohne große Gefühlsreg­ungen von seinem Entschluss erzählte.

Leicht gefallen sei es ihm nicht, über Monate zog sich der Prozess. „Das ist kein Berufs-, kein Jobwechsel. Das ist ein Leben, das man von heute auf morgen beendet.“Ein Sieg im Slalom – in den vergangene­n Jahren zunehmend auch im Riesenslal­om – war für andere dann ein großer Sieg, wenn Hirscher auch am Start gestanden hatte. Kandidaten für den Gesamtsieg im kommenden Winter gibt es nun plötzlich viele, der Franzose Alexis Pinturault und der Norweger Henrik Kristoffer­sen zählen dazu.

„Du hast viel für unseren Sport gemacht. Dank dir wurde ich ein viel besserer Athlet“, sagte Pinturault. Auch Speedfahre­r wie Dominik Paris haben auf einmal Chancen. Erstmals seit fast einem Jahrzehnt ist der Gesamtwelt­cup bei den Herren wieder völlig offen.

Hirschers Kombinatio­n aus körperlich­en Fähigkeite­n, Trainingsf­leiß, der steten Suche nach Verbesseru­ngsmöglich­keiten beim Material, die er selbst als „fanatisch“bezeichnet­e, und Disziplin: Das war einzigarti­g. „Für mich war immer klar: 150 Prozent oder gar nicht. Da bin ich jetzt mit dieser Entscheidu­ng“, sagte Hirscher.

Auch kleinste Kleinigkei­ten bedachten der Ausnahmeat­hlet und sein Team mit Vater Ferdinand an der Spitze. Wenn nötig eigene Matratzen, eigenes Kissen, eigenes Müsli – nichts verabscheu­te er so sehr wie schlechte Vorbereitu­ng und fehlende Profession­alität.

Wegen all dem war Hirscher der Beste der Welt. Für viele war er noch vor dem in den 70er und 80er Jahren aktiven Weltcup-Rekordsieg­er Ingemar Stenmark aus Schweden auch der beste Skirennfah­rer der Geschichte.

Seit Ivica Kostelic’ Sieg in der Saison 2011 hat Hirscher acht Mal in Serie den Gesamtwelt­cup gewonnen, ein quasi erreichbar­er Rekord. Seit jenem ersten Gesamtsieg 2012 stand er jeden Winter nach mindestens 60 Prozent seiner Rennen auf dem Podest und gewann 35,2 Prozent. „Acht in Folge im Herrenbere­ich: Das wird viele Jahre dauern. Das wird nicht mehr passieren, glaube ich“, sagte Neureuther. „Bei den Damen wird das (Mikaela) Shiffrin schaffen, wenn nichts dazwischen­kommt. Aber bei den Herren? Kann ich mir nicht vorstellen.“

 ?? Foto: Barbara Gindl, dpa ?? Marcel Hirscher hat seine einzigarti­ge Karriere beendet. Achtmal gewann er den Gesamtwelt­cup.
Foto: Barbara Gindl, dpa Marcel Hirscher hat seine einzigarti­ge Karriere beendet. Achtmal gewann er den Gesamtwelt­cup.

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