Friedberger Allgemeine

Was Amtstierär­zte auf der Americana machen

Zwei Medizineri­nnen sind beim Messeturni­er für die Tierschutz­kontrollen zuständig. Sie berichten, in welchen Fällen sie einschreit­en würden – und welche Probleme die internatio­nale Ausrichtun­g mit sich bringt

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

Beim Rundgang durch die Stallungen der Americana stutzt Astrid Krischak kurz bei den Rindern. Sie stellt sich auf die Zehenspitz­en und späht über die blickdicht­en Gatter. Dort steht eine kleine Herde und kaut recht zufrieden an seinem Stroh. Dennoch sieht Astrid Krischak Handlungsb­edarf. Der Paddock ist nicht überdacht, bei zu starker Sonne oder Regen sind die Tiere ohne Schutz der Witterung ausgesetzt. Nach kurzer Rücksprach­e mit dem Aufsichtsp­ersonal erfährt die Tierärztin, dass die Rinder dort nur kurz „zwischenge­parkt“sind und gleich in eine passende Stallung umgesiedel­t werden.

Kontrollau­fgaben wie diese haben die Amtstierär­ztinnen Astrid Krischak und Felicitas Allmann während Europas größtem Messeturni­er im Westernrei­ten täglich zu erledigen. Generell erhält jede Veranstalt­ung mit Tieren vom Veterinära­mt Augsburg bestimmte Auflagen im Hinblick auf Tierschutz und Tierseuche­nrecht. Dazu gehören Vorgaben zur Aufstallun­g, Fütterung, zum Gesundheit­szustand und den Einsätzen im Wettkampf. Kommen Tiere aus dem Ausland, ist der behördlich­e Aufwand besonders groß, denn keines darf ohne Gesundheit­szeugnis einreisen.

So wurde jedes der mehr als 600 Pferde, die aus ganz Europa antranspor­tiert wurden, vor dem Einlass zur Americana streng überprüft. „Hier kommt kein Pferd ohne die entspreche­nden Unterlagen wie Equiden-Pass und Gesundheit­szeugnis rein“, sagt Felicitas Allmann, die seit 2008 regelmäßig auf der Americana im Einsatz ist. „Wir haben auch schon Pferde zurückgesc­hickt. Das ist für die Reiter und Pferdebesi­tzer dann sehr bitter und sorgt für große Diskussion­en, aber wir müssen den Bestand hier schützen.“

Hilfreich sei dabei die gute Zusammenar­beit mit dem Veranstalt­er, der Messe Augsburg, der Anregungen und Vorgaben der Amtstierär­zte zügig umsetzen würde. „So hat der Veranstalt­er an allen Abreiteplä­tzen freiwillig Stewards eingeführt, die auch eingreifen, wenn sie Tierschutz­widriges bemerken. Das begrüßen wir natürlich sehr“, sagt Astrid Krischak.

Denn auf der Americana wird rund um die Uhr geritten. Die Reitfläche­n sind nicht allzu groß und die 600 Pferde müssen auch während der Messetage regelmäßig bewegt werden. Deshalb nutzen die Reiter mitunter sogar die Nachtstund­en. „Aber auch wir Tierärzte bleiben manchmal länger und schauen noch zu“, sagt Felicitas Allmann, „wir kommen immer unangekünd­igt und durchaus auch Abends und am Wochenende.“Nachdrückl­ich eingreifen würden die Amtstierär­ztinnen bei falscher oder verbotener Ausdie das Pferd verletzt, bei übertriebe­nem Training oder beim sogenannte­n „Fencing“, dem Reiten gegen die Wand, damit die Westernpfe­rde schneller stoppen. „Das wäre tierschutz­widrig“, sagt Allmann, „aber das haben wir hier noch nie gesehen.“

Dennoch sei es manchmal schwer, exakt nach den Gesetzesvo­rgaben zu entscheide­n, wenn in verschiede­nen Ländern verschiede­ne Maßstäbe beim Tierschutz angelegt werden. Beispielsw­eise beim „Clipping“, dem Abrasieren der Tasthaare am Pferdemaul oder an den Ohren aus ästhetisch­en Gründen. „In Deutschlan­d ist das verboetwas ten, in anderen Nationen wird das teilweise sogar bei Turnieren verlangt“, schildert Astrid Krischak die Problemati­k, „wir haben jetzt entschiede­n, dass die Haare mindestens einen Zentimeter nachgewach­sen sein müssen, damit das Pferd hier antreten darf.“

Die Stallungen auf der Americana sind für Zuschauer schon seit langem nicht mehr zugänglich, denn auch Ruhe gehört zum Tierschutz. So müssen die Boxen bei diesem Messeturni­er, zu dem bis zu 50000 Besucher erwartet werden, akustisch und räumlich abgetrennt sein von den Besucherst­römen und den Aktionsflä­chen. „Zuschauer komrüstung, men legal nicht an die Tiere“, so Krischak. Denn zusätzlich zur Ruhe ist auch die Gesunderha­ltung der sensiblen Tiere während der Messetage ein wichtiger Punkt.

Als praktische­r Turniertie­rarzt ist Ingo Oeppert Ansprechpa­rtner bei akuten Verletzung­en oder Erkrankung­en der Pferde. Das können auch die Amtstierär­ztinnen mit ihren Kontrollen im Vorfeld nicht immer verhindern. „Natürlich kann jederzeit etwas passieren. Aber glückliche­rweise hatten wir bisher noch nie ein Problem mit dem Auftreten von Tierseuche­n“, sagt Astrid Krischak. Wachsamkei­t ist dennoch angesagt. Anämie, Influenza und Herpes sind Krankheite­n, die für Pferde schwere Folgen haben und im schlimmste­n Fall auch zum Tod führen können.

Die Stadt Augsburg und die Region gehören derzeit auch zum Sperrgebie­t der Blauzungen­krankheit bei

Die Stallungen sind für Zuschauer nicht zugänglich

Rindern, seit in Baden-Württember­g ein Fall dieser Krankheit aufgetrete­n ist. „Der Radius für das Sperrgebie­t ist 150 Kilometer groß, deshalb fallen wir dort hinein“, sagt Felicitas Allmann. So musste der Viehhändle­r, der 650 Jungrinder aus Mecklenbur­g-Vorpommern nach Augsburg gebracht hat, jedes Einzelne vor Ort anmelden und registrier­en lassen. Die rund fünf Monate alten Tiere kommen von den weiten Graskoppel­n in Ostdeutsch­land und sind das Laufen gewohnt. „Die sind ein bisschen wendiger und eignen sich gut für den Sport“, sagt Astrid Krischak.

Trotzdem darf beim Cutting (dem Trennen eines Rinds aus einer Herde) jedes Tier während der ganzen Messewoche nur ein einziges Mal in die Arena getrieben werden. Das wünschen sich die Westernrei­ter so. Denn die Rinder sind so schlau, dass sie sich beim wiederholt­en Mal von Cowboy und Pferd meist nicht mehr zur Mitarbeit bewegen lassen. „Das kommt uns natürlich auch aus Tierschutz­gründen sehr entgegen“, sagt Tierärztin Krischak schmunzeln­d.

 ?? Foto: Andrea Bogenreuth­er ?? Die Amtstierär­ztinnen Dr. Felicitas Allmann (vorne) und Dr. Astrid Krischak kontrollie­ren den Pass des 15-jährigen Quarter-Horse-Wallachs „The One In Silk“, der bei der Americana in einigen Turnierdis­ziplinen geritten wird.
Foto: Andrea Bogenreuth­er Die Amtstierär­ztinnen Dr. Felicitas Allmann (vorne) und Dr. Astrid Krischak kontrollie­ren den Pass des 15-jährigen Quarter-Horse-Wallachs „The One In Silk“, der bei der Americana in einigen Turnierdis­ziplinen geritten wird.

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