Friedberger Allgemeine

Diese Familien haben in den Bierzelten das Sagen

Die großen Zelte auf dem Plärrer sind Familienbe­triebe. Und bei beiden steht bald ein Generation­enwechsel an. Wie das im Alltag funktionie­rt – und welche Arbeitstei­lung es dabei hinter den Kulissen gibt

- VON JÖRG HEINZLE

Dieter Held, 67, ist in der Wirtschaft und im Bierzelt seines Vaters Charly aufgewachs­en. Aber trotzdem wollte er eigentlich nie ein Festzelt betreiben. „Ich habe ja mitbekomme­n, dass das harte Arbeit ist und nicht so einfach, wie es sich vielleicht viele vorstellen“, sagt er. „Manche glauben ja, mit einem Bierzelt wird jeder zum Millionär.“Trotzdem ist Dieter Held vor 14 Jahren Festwirt auf dem Plärrer geworden. Er betrieb damals wie heute die Gastronomi­e auf dem Messegelän­de, wollte sich aber breiter aufstellen, um nicht allein von der Messe abhängig zu sein.

Inzwischen zeichnet es sich ab, dass das „Schaller“-Zelt wohl noch länger von der Familie Held betrieben wird. Neben seiner Frau Petra, 57, sind längst auch die Kinder Dirk, 47, Max, 24, und Tina, 28, eingebunde­n. Tina Held ist quasi die „Kronprinze­ssin“. Sie könnte als neue Festwirtin fungieren, wenn ihr Vater sich aus dem Betrieb zurückzieh­t. Sie war 13 Jahre alt, als ihre Eltern das „Schaller“übernahmen. „Man wächst da einfach rein“, sagt sie. Zeitweise habe sie überlegt, ob sie beruflich nicht irgendetwa­s mit Tieren machen soll. Doch dann fiel ihre Entscheidu­ng für die Gastronomi­e. Heute arbeitet sie im Zelt und beim Messe-Catering mit. Oft ist sie im Festzeltbü­ro anzutreffe­n, inzwischen übernimmt sie aber auch immer häufiger die Rolle der Gastgeberi­n und begrüßt die Besucher.

Dieter Held ist überzeugt davon, dass man langsam reinfinden muss in die Aufgabe. Ein Bierzelt sei eine eigene Welt mit ganz eigenen Gesetzen. „Das kann man auf keiner Uni lernen.“Vieles müsse man mit dem Bauchgefüh­l entscheide­n. Etwa die Auswahl der richtigen Bands, die für Stimmung und den nötigen Umsatz beim Bier sorgen sollen. Als Festwirt müsse man das Ohr an den Menschen haben und neue Trends „erschnüffe­ln“. Sein Sohn Dirk hat von Anfang an im Bierzelt mitgearbei­tet. Heute kümmert er sich um den Zeltaufbau, den Einkauf für die Küche und um den Steckerlfi­schStand neben dem Zelt. Sohn Max ist inzwischen auch beim Zeltaufbau und beim Steckerlfi­sch dabei.

Er habe seine Kinder nicht gedrängt, in das Geschäft einzusteig­en, sagt er. Er hätte auch kein Problem damit gehabt, das Zelt irgendwann zu verkaufen. Nun kommt es anders, und man merkt dem Festwirt an, dass er schon auch stolz darauf ist, dass seine Kinder das Werk der Eltern fortführen wollen. In drei Jahren, mit 70, kann Dieter Held sich vorstellen, die Verantwort­ung ganz an die jüngere Generation abzugeben. Komplett aus dem Bierzelt verabschie­den will er sich aber auch dann noch nicht. „Ich werde schon noch regelmäßig im Zelt sein, ich muss aber nicht mehr.“

Solange eine Wirtsfamil­ie nicht aufhört, sind die Plärrer-Festzelte so etwas wie ein Erbhof – wenn man keine gravierend­en Fehler macht, wegen derer die Stadt die Zusammenar­beit beenden würde. Zwar müssen sich auch die Zeltbetrei­ber jedes Jahr neu für den Plärrer bewerben. Allerdings gab es zuletzt nie einen zusätzlich­en Bewerber, der den beiden vorhandene­n großen Bierzelten den Platz streitig machen wollte. Neue Bewerber hätten es auch schwer, da bei den Vergabekri­terien stark auf die Zuverlässi­gkeit und Erfahrung geachtet wird. Und da punkten vor allem die aktuellen Wirte. Neulinge müssten zudem auch noch eine Augsburger Brauerei finden, die auf sie setzt.

Seit dem Jahr 1997 verkauft die aus Gersthofen stammende Familie Binswanger-Kempter nun schon das Bier der Hasen-Brauerei auf dem Plärrer. In diesem Jahr übernahm Alois Binswanger mit seiner Frau Margarethe das „Hasen“-Zelt. Zuvor hatte Charly Held das Zelt betrieben, Vater des heutigen „Schaller“-Wirts. Auch im Binswanger­Zelt sind heute mehrere Generation­en aktiv. Angelika Kempter, 59, die Tochter des verstorben­en Alois Binswanger, leitet mit ihrem Mann den Betrieb. Aber auch ihre Kinder Thomas, 31, und Monika, 34, und deren Partner übernehmen mehr und mehr Verantwort­ung. Thomas etwa kümmert sich seit einigen Jahren um die Auswahl der Bands, um den Schankbetr­ieb und den Aufbau. Regelmäßig steht er auch selbst am Zapfhahn. Monika leitet die Bar und kümmert sich um Buchhaltun­g und andere Büroaufgab­en, die im Betrieb anfallen. „So einen Betrieb kann man nur erfolgreic­h führen, wenn die Familie zusammenhä­lt“, sagt Angelika Kempter.

Bis vor Kurzem hat die Familie auch noch eine Metzgerei mit mehreren Filialen betrieben. Aus diesem Geschäft haben sich die Kempters

Während der Plärrer läuft, wird in Neusäß aufgebaut

aber zurückgezo­gen. Sie konzentrie­ren sich jetzt ganz aufs Festzelt. Als Alois Binswanger 1983 zum ersten Mal ein Festzelt bewirtete, war das noch das zweite Standbein. Die Familie ist heute nicht nur auf dem Plärrer aktiv, sondern auch bei Festen in ihrer Heimatstad­t Gersthofen, auf dem Neusässer Volksfest und beim Frühlingsf­est im Augsburger Stadtteil Göggingen. Und sie bewirten auch bei Firmenfest­en mit ihrem Zelt. Da ist es gut, dass man innerhalb der Familie die Aufgaben verteilen kann. Denn während derzeit noch der Herbstplär­rer läuft, muss das Zelt in Neusäß schon aufgebaut und eingericht­et werden. Das Fest dort geht nur fünf Tage nach dem Ende des Plärrers los.

Noch führen Angelika und Rainer Kempter den Betrieb. Doch in absehbarer Zeit wollen sie das Zepter an die Kinder weitergebe­n. „Wir haben es ihnen nie so vorgegeben, aber es ist natürlich schön, dass sie weitermach­en wollen“, sagt Angelika Kempter. Ganz aus dem Festzelt verabschie­den wird aber auch sie sich so schnell nicht. Wer einmal Festwirt ist, den zieht es eben immer wieder ins Zelt zurück.

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Fotos: Peter Fastl Das Zelt der Familie Binswanger-Kempter gibt es auf dem Plärrer seit gut 20 Jahren. Aktiv sind (von links) Rainer und Angelika Kempter, Sonja Thaller und Thomas Kempter, Monika und Markus Hatzelmann.
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Sie sind seit inzwischen 14 Jahren die Wirtsfamil­ie im „Schaller“-Zelt (von links): Dirk, Tina, Max, Petra und Dieter Held.

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