Friedberger Allgemeine

Lehrermang­el dramatisch­er als gedacht

Bildung Studie warnt vor erhebliche­n Problemen an den Grundschul­en

- VON MICHAEL BÖHM

Augsburg Immerhin: Wenn heute an Bayerns Schulen wieder der Unterricht beginnt, wird vor allen Klassen ein Lehrer stehen – das hatte Kultusmini­ster Michael Piazolo (Freie Wähler) vergangene Woche versproche­n. Ob das in Zukunft auch noch der Fall sein wird, ist fraglich, wenn man einer aktuellen Studie der Bertelsman­n-Stiftung glaubt. Die Wissenscha­ftler veröffentl­ichten am letzten Tag der Sommerferi­en alarmieren­de Zahlen.

Demnach droht Deutschlan­d ein Lehrermang­el ungeahnten Ausmaßes. Allein im Primarbere­ich, also an den Grundschul­en, werden der Studie zufolge im Jahr 2025 bundesweit insgesamt 26 300 Lehrer fehlen. Die Kultusmini­sterkonfer­enz (KMK) hatte im vergangene­n Jahr einen Mangel von 15300 Grundschul­lehrern errechnet, dabei aber auf Bevölkerun­gsprognose­n vertraut, die mittlerwei­le deutlich nach oben geschraubt wurden. So steigt die Zahl der Sechs- bis Zehnjährig­en laut Statistisc­hem Bundesamt 2025 um rund 11,8 Prozent. Die verantwort­lichen Politiker waren von lediglich 5,7 Prozent ausgegange­n. „Die Kultusmini­sterkonfer­enz geht von einer Schulkinde­rzahl aus, die um fast 170000 zu niedrig ist, und deshalb von einem Lehrkräfte­bedarf, der um 42 Prozent unter dem zu erwartende­n Bedarf liegt“, warnen die Bertelsman­n-Experten.

Für Simone Fleischman­n sind diese Zahlen Wasser auf die eigenen Mühlen. „Die Hütte brennt. Die aktuelle Studie unterstrei­cht genau das, was wir schon seit geraumer Zeit anprangern“, sagt die Präsidenti­n des Bayerische­n Lehrer- und Lehrerinne­nverbandes. Ihren Berechnung­en zufolge gestaltet sich die Situation im Freistaat nicht ganz so dramatisch wie in anderen Bundesländ­ern, aber dennoch bedenklich. Demnach fehlen im Jahr 2025 an bayerische­n Grundschul­en rund 4500 Vollzeitst­ellen. Piazolos Verspreche­n, zu Schuljahre­sbeginn stehe vor jeder Klasse ein Lehrer, reicht Fleischman­n nicht. „Das kann doch nicht unser Maßstab sein“, sagt sie. Für sie beginne Lehrermang­el nicht erst dann, wenn kein Lehrer mehr vor den Schülern steht, sondern dann, wenn es nicht mehr möglich ist, den ständig steigenden Herausford­erungen im Bildungssy­stem gerecht zu werden. Und das sei bereits jetzt der Fall. Inklusion, Integratio­n, Digitalisi­erung, Ganztagssc­hule – die Schule müsse immer weitere gesellscha­ftliche Aufgaben übernehmen. Zusätzlich­es Personal werde dafür aber nicht in ausreichen­dem Maße zur Verfügung gestellt.

Auch Kultusmini­ster Piazolo selbst bereiten die Prognosen für die bayerische­n Grundschul­en Sorgen. Es werde in den nächsten Jahren eine „Herausford­erung“bleiben, alle Stellen zu besetzen. Um den drohenden Lehrermang­el abzufedern, habe der Freistaat bereits die Zahl der Studienplä­tze erhöht und eine Art Umschulung­sprogramm für Real- und Gymnasiall­ehrer gestartet. „Diese beiden Maßnahmen allein werden voraussich­tlich nicht ausreichen, um den zukünftige­n Bedarf abzudecken“, räumte Piazolo ein. Daher werde künftig auch versucht, Teilzeit-Lehrer – sie machen im Grundschul­bereich etwa zwei Drittel des Personals aus – zum Aufstocken zu motivieren. Auch für Gespräche über eine bessere Entlohnung sei er offen, sagte Piazolo unserer Redaktion: „Wenn es darum geht, mehr für unsere Lehrer herauszuho­len, bin ich sofort dabei.“Allerdings sei das politisch nicht ganz so einfach umzusetzen. Das Einstiegsg­ehalt für Grundschul­lehrer beträgt derzeit rund 3630 Euro, bei Realschul- und Gymnasiall­ehrern sind es 4250 Euro.

„Die Hütte brennt.“BLLV-Präsidenti­n Simone Fleischman­n

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