Friedberger Allgemeine

Wer fair einkauft, macht die Welt besser

Nein, auch Produktsie­gel lösen nicht alle Ungerechti­gkeiten im Handel. Aber das ist noch lange kein Alibi für Unternehme­n, einfach weiterzuma­chen wie bisher

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger-allgemeine.de

Preisschil­d schlägt Gewissen: Gerne blenden wir Verbrauche­r aus, was hinter den scheinbar unschlagba­ren Angeboten für Kleidung, Elektroger­äte oder Nahrungsmi­ttel steht. Nämlich allzu oft Raubbau an der Natur, die Missachtun­g von Menschenre­chten oder gar Kinderarbe­it. Es ist deshalb höchste Zeit, genauer hinzuschau­en, wie die Produkte, die wir täglich nutzen, erzeugt werden. Der Kunde hat eine riesige Verantwort­ung, seine Kaufentsch­eidung kann die Welt verändern, zum Besseren oder Schlechter­en.

Nun ist es dem Einzelnen aber keineswegs zuzumuten, bei allen Waren, die er kauft, selbst zu überprüfen, ob bei deren Herstellun­g alles ethisch und ökologisch korrekt zugegangen ist. Deshalb sind unabhängig­e Prüfsiegel zur Orientieru­ng unverzicht­bar. Mit dem Grünen

Knopf, für den CSU-Entwicklun­gsminister Gerd Müller lange gekämpft hat, gibt es nun endlich ein Textilsieg­el, das die Einhaltung von wichtigen Mindeststa­ndards staatlich garantiert.

Wie so oft stand auch am Anfang dieser Entwicklun­g eine Katastroph­e. Nach dem verheerend­en, wie ein Menetekel anmutenden Unglück in der Textilfabr­ik Rana Plaza in Bangladesc­h wissen wir, welch hohen Preis billige Kleidung haben kann. Beim Einsturz des Gebäudes, in dem unter elenden Bedingunge­n auch für den deutschen Markt genäht wurde, starben rund 1100 Menschen.

Das war vor sechs Jahren, und eigentlich dürfte seither niemand mehr die Augen davor verschließ­en, dass das sagenhaft günstige Hemd oder Kleid oft direkt mit himmelschr­eiendem Unrecht zu tun hat. Und zwar in mehrerlei Hinsicht. Für das Weltklima wertvoller Regenwald wird gerodet, auch um Baumwolle anzubauen. Dabei kommen gewaltige Mengen umweltschä­dlicher Chemikalie­n zum Einsatz, werden Trinkwasse­rreserven aufgebrauc­ht und Landarbeit­er ausgebeute­t. Auf dem Weg von der Rohfaser zum fertigen Kleidungss­tück, beim Spinnen und Färben, Zuschneide­n und Nähen geht das Übel weiter.

Viele der Menschen in Entwicklun­gsländern, die für einen Hungerlohn Waren für die reicheren Nationen herstellen, sehen in ihrer Heimat keine Perspektiv­e mehr. Die Ungleichge­wichte der globalisie­rten Wirtschaft sind eine der Hauptgründ­e für die zunehmende­n weltweiten Flüchtling­sströme. Jede Verbesseru­ng der Arbeitsbed­ingungen trägt deshalb zur Bekämpfung von Fluchtursa­chen bei. Den allermeist­en Verbrauche­rn sind die Zusammenhä­nge durchaus bewusst. Und viele würden, zumindest theoretisc­h, gerne etwas dagegen tun. Doch in der Praxis richtet nur ein verschwind­end geringer Anteil der Konsumente­n sein Einkaufsve­rhalten danach aus. Es ist ja alles andere als leicht, verantwort­ungsbewuss­t einzukaufe­n. Selbst der Preis taugt als Hinweis nur bedingt. Es gibt Discounter, die ihre globalen Lieferkett­en gut überwachen. Und Luxusmarke­n, bei denen sich hinter dem schönen Schein eine schmutzige Realität verbirgt. Nachzuweis­en, wer anständig wirtschaft­et, ist schwer. Viele Organisati­onen versuchen sich daran. Die Folge ist ein wahres Dickicht aus Siegeln, von denen viele ihre Schwächen haben.

Auch der Grüne Knopf deckt im Moment nur einen Teil der Lieferkett­e ab. Doch wenn Hersteller auf diese Mängel verweisen, um zu rechtferti­gen, warum sie sich nicht an den Initiative­n beteiligen, ist das allzu billig. Lieber ein Siegel, das noch Raum für Verbesseru­ngen bietet, als gar keines, das muss die Devise sein. Allein schon die Diskussion um die Kriterien schärft das Bewusstsei­n für die Sache. Der Grüne Knopf ist deshalb ein wichtiger Schritt auf einem Weg, der freilich noch lang und steinig ist.

Zu oft gilt: Preisschil­d schlägt Gewissen

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