Friedberger Allgemeine

Umweltgesi­cht der CDU

Der Konstanzer gibt seiner Partei ein scharfes Profil beim Klimaschut­z

- VON STEFAN LANGE

Berlin Der Begriff taucht im Duden nicht auf, wird in Berlin gerade aber ziemlich ventiliert: Umweltgesi­cht. Gemeint sind Politiker, die angesichts des Klimahypes einer Partei umweltpoli­tisches Profil verleihen können. Für die CDU ist die Frage geklärt. Der Konstanzer Andreas Jung hat diese Aufgabe übernommen. Er bringt alle Voraussetz­ungen mit und könnte die Dominanz der Grünen beim Klima brechen.

Wer Jung nicht kennt, muss sich einen groß gewachsene­n, schlanken Mann vorstellen, der es an medialer Wirkung – in Zeiten der sozialen Netzwerke nicht ganz unerheblic­h – ohne Probleme mit dem GrünenVors­itzenden Robert Habeck aufnehmen kann. Der 44-Jährige ist im Gespräch zugewandt, einem Witz nicht abgeneigt, hört zu und beantworte­t zuverlässi­g Fragen.

Zwei Sorten von Politikern gibt es in Berlin: die, die sich ein Thema aussuchen in der Hoffnung, damit Karriere zu machen. Und die, die von einem Thema gefangen sind, hart arbeiten und es deswegen nach vorne schaffen. Jung wird zur zweiten Kategorie gezählt. Eine nachhaltig­e Umweltpoli­tik ist seit vielen Jahren eine seiner Triebfeder­n, er war unter anderem Mitglied im Umweltauss­chuss sowie Klimaschut­zbeauftrag­ter seiner Fraktion.

Jung genießt ob seiner pragmatisc­hen Art bei politische­n Gegnern einen guten Ruf, in den eigenen Reihen sowieso. Kanzlerin Angela Merkel schätzt Leute, die sich nicht ständig in den Vordergrun­d drängeln. Sie war es, so wird in CDUKreisen erzählt, die Jung für eine der wichtigste­n Weichenste­llungen in der Parteigesc­hichte vorschlug: Der gelernte Rechtsanwa­lt arbeitet zusammen mit Georg Nüßlein von der CSU an einer Neuausrich­tung der Abgaben im Energieber­eich.

Eine der schwierigs­ten Fragen ist dabei die des CO2-Preises. Wer das schädliche Treibhausg­as produziert, soll in Zukunft dafür bezahlen. Die Kunst ist, ein Preisetike­tt zu entwickeln, das nicht nach Steuererhö­hung aussieht. Jung scheint das mit einem Modell für den Zertifikat­ehandel gelungen zu sein. Sogar die SPD dürfte er bis zu den Beschlüsse­n im Klimakabin­ett am 20. September noch ins Boot holen können.

Jung, der mit Familie auf der Bodensee-Insel Reichenau lebt, hat einen großen Vorteil. „Habeck kann Drei-Tage-Bart, Jung kann Dreisatz“, sagt einer aus seiner Fraktion. Gemeint ist, dass Jung – seit Oktober 2018 Fraktionsv­ize für die Bereiche Haushalt, Finanzen und Kommunalpo­litik – Modelle zum Klimaschut­z nicht nur denken, sondern auch rechnen kann. Die CDU hat damit einen Mehrwert gegenüber vielen Grünen und insbesonde­re der SPD, bei der sich die Vorstellun­gen von Umweltmini­sterin Svenja Schulze und Finanzmini­ster Olaf Scholz nicht immer decken.

Jung empfiehlt sich in der Union gerade als Umweltmini­ster für eine neue Regierung. Einen Haken hätte die Sache allerdings: Für seine andere politische Leidenscha­ft, die deutsch-französisc­hen Beziehunge­n, bliebe ihm noch weniger Zeit.

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Foto: Bernd Weißbrod, dpa Andreas Jung, 44, wurde 2005 in den Bundestag gewählt.

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