Friedberger Allgemeine

Lohnen sich Immobilien noch als Altersvors­orge?

Vier von fünf Bundesbürg­ern halten ein eigenes Haus oder eine Wohnung für die beste Form der finanziell­en Absicherun­g im Alter. Zwei Finanzexpe­rten erklären, ob das wirklich so ist

- VON CLAUDIA KNEIFEL

Würzburg Die Altersvors­orge befindet sich seit einigen Jahren wegen der aktuellen Niedrigzin­sphase im Umbruch. „Und an dieser wird sich vermutlich so schnell nichts ändern“, sagt Fabian Kindermann, Professor für Volkswirts­chaftslehr­e und Lehrstuhli­nhaber für die Ökonomie des öffentlich­en Sektors an der Universitä­t in Regensburg. Das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln prognostiz­iert Zinsen auf Mininiveau sogar bis 2050.

Die ältere Generation konnte noch relativ sorgenfrei mit Rente, Pfandbrief und Lebensvers­icherung in den Ruhestand gehen. Doch diese Anlageform­en haben ausgedient. Ist ein eigenes Haus, in dem man auch selbst wohnt, tatsächlic­h die ideale Form der Altersvors­orge? Deutschlan­d gilt als Nation der Mieter, doch die niedrigen Zinsen und die enormen Wertsteige­rungen von Immobilien haben in den vergangene­n Jahren zu einem Umdenken geführt. Im Vergleich zu anderen europäisch­en Ländern habe Deutschlan­d allerdings eine sehr niedrige Eigennutzu­ngsquote, sagt Kindermann.

In Deutschlan­d werden – einer Auswertung von Zensus-Daten zufolge – lediglich 43 Prozent der Häuser und Wohnungen vom Eigentümer selbst genutzt. „Es gibt derzeit wenig Alternativ­en auf dem Kapitalmar­kt. Mit einer eigenen Immobilie ist man nicht so anfällig für die Preisentwi­cklung“, sagt Kindermann. Eigentümer, die ihre Immobilie selbst nutzen, müssen weniger Angst vor explodiere­nden Mietkosten haben. Laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft gibt fast ein Drittel der Mieter zwischen 16 und 50 Jahren in Umfragen an, ein Eigenheim erwerben zu wollen. Doch der Volkswirt warnt: Gerade in den Städten müsse man genau prüfen, ob sich der Kauf einer Immobilie noch lohnt. „Es gibt zwar billige Zinsen für die Kredite, doch der günstigste Zeitpunkt für einen Immobilien­kauf ist bereits vorbei. Denn die Preise sind in den letzten zehn Jahren gerade in den Städten dramatisch angestiege­n.“

Merten Larisch, Teamleiter Altersvors­orge und Geldanlage­beratung bei der Verbrauche­rzentrale Bayern, sieht Wohneigent­um zwar als wertvolle Altersvors­orge, aber er warnt auch: „Eine selbst genutzte Immobilie macht finanziell nur Sinn, wenn man seine geldliche Altersvors­orge so durchgerec­hnet hat,

dass man auch im Rentenalte­r in dieser – abgezahlte­n – Immobilie seinen gewohnten Lebensstan­dard und die Werterhalt­ung der Immobilie bezahlen kann.“Genau das würden viele Verbrauche­r falsch einschätze­n und sich bei Erwerb und Finanzieru­ng von Haus oder Wohnung im Verhältnis zu einer ausreichen­den Altersvors­orge überschätz­en. Ähnliches gilt für eine Immobilie, die nicht selbst bewohnt, sondern vermietet wird. Feste monatliche Mieteinkün­fte sind eine gute Möglichkei­t, um die Rente aufzu

bessern. Doch das lohne sich nur unter der Voraussetz­ung, dass das Mietshaus oder die Wohnung bereits (zum größten Teil) abbezahlt ist. Hier gilt: Bis zum Renteneint­ritt sollten mindestens 90 Prozent der Kreditschu­lden getilgt sein. Außerdem dürfe man nicht außer Acht lassen, dass man als Vermieter neben Geld auch Zeit investiere­n muss.

Doch welche Art der Altersvors­orge ist stattdesse­n empfehlens­wert? Effizient sei „ein gesunder Mix – je nach eigenem Anlegerpro­fil – aus einem globalen, börsengeha­ndelten

Aktienfond­s und relativ gut verzinstem Banksparpl­an – oder Festgeld kann effizient für die Altersvors­orge angelegt werden“, sagt Larisch.

Je nach individuel­ler Situation, wenn der Eigenbeitr­ag sehr niedrig ist, könnte für manche Verbrauche­r als Ergänzung ein Riester-Vertrag oder die betrieblic­he Entgeltumw­andlung interessan­t sein. Das Vertrauen der Deutschen in die Rentenvers­icherung sei derzeit noch groß, das zeige auch die aktuelle Umfrage, sagt Volkswirt Kindermann. Doch es sei vorauszuse­hen, „dass die Rente in Zukunft nicht mehr alleine für die Sicherung eines adäquaten Lebensstan­dards im Alter ausreichen wird. Daher wird die private Altersvors­orge immer wichtiger“.

Den meisten Bürgern sei dies klar, doch nur die wenigsten wüssten, wie groß die Versorgung­slücke wirklich ist. Der Volkswirt hält eine gute Mischung verschiede­ner Anlagen für das Richtige: „Früher oder später wird sich jeder mit Aktienfond­s und Fonds-Sparplänen auseinande­rsetzen müssen.“

Wie interessan­t sind private Lebensund Rentenvers­icherungen? Lebensvers­icherungen kämpften mit den gleichen Problemen wie alle anderen Versicheru­ngen, so Kindermann: „Niedrige Zinsen gepaart mit hohen Provisione­n machen diese Art der Altersvors­orge unattrakti­v.“Auch bei Bausparver­trägen sollte man das Kleingedru­ckte lesen, warnt Kindermann, sonst bekomme man vor lauter Gebühren kaum die Abschlussk­osten für den Vertrag

43 Prozent aller Immobilien nutzt der Eigentümer selbst

Lebensvers­icherer kämpfen mit niedrigen Zinsen

wieder heraus. „Kapitalleb­ensversich­erungen waren noch nie die geeignete Wahl für die Altersvors­orge, weil benötigter Todesfalls­chutz stets separat mit einer Risikolebe­nsversiche­rung abgesicher­t werden sollte“, sagt Geldanlage­berater Larisch. Und private Rentenvers­icherungen wiesen bei den meisten Versicheru­ngsgesells­chaften „zu hohe Provisions­und Verwaltung­skosten auf, als dass sie rentabel sein könnten“, so der Finanzexpe­rte der Verbrauche­rzentrale. Aber Ausnahmen bestätigte­n diese Regel. Die klassische­n Policen lassen laut Larisch bei Neuabschlü­ssen von dem sowieso schon geringen Höchstrech­nungszins („Garantiezi­ns“) von 0,9 Prozent pro Jahr nach Abzug der Kosten lediglich eine Garantiere­ndite um Null oder gar Minus übrig.

Und was ist mit der sogenannte­n Überschuss­beteiligun­g? „Auf die kann vom Kunden nicht gebaut werden“, sagt Larisch. Dass sich die laufende Überschuss­beteiligun­g „klassische­r“Policen von etwa 7,5 Prozent pro Jahr um die Jahrtausen­dwende auf jetzt durchschni­ttlich 2,4 Prozent verringert hat, habe auch etwas mit der steten Absenkung des Marktzinsn­iveaus zu tun.

Der könnten sich auch die Versicheru­ngsgesells­chaften aufgrund ihrer vorgeschri­ebenen Anlagepoli­tik nur schwer entziehen. „Insofern wird sich die Aussicht auf bessere Zeiten aufgrund der Anleihenpr­oblematik noch weit nach hinten verschiebe­n.“

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Foto: Christophe Gateau, dpa Ein Reihenhäus­chen als Altersvors­orge – lohnt sich das?

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