Achtung, Radfahrer an Bord
Wenn Radler zu Stoßzeiten ihr Fortbewegungsmittel in den vollen Zug oder die U-Bahn quetschen, kommt es schnell zum Streit. Dabei ließe sich das Problem aus Sicht von Verbänden relativ einfach lösen
Berlin Ob auf dem Weg zur Arbeit oder in den Feierabend: Die Bahnen sind voll, die Stimmung ist angespannt. In solchen Situationen kommt es nicht selten zu Streitigkeiten zwischen Fahrgästen und Radfahrern, die ihr Bike in überfüllten U- oder S-Bahnen mitnehmen. Die Fahrradmitnahme zu Stoßzeiten beschäftigt längst Städte und Verbände. „Konflikte um den Platz im ÖPNV gibt es besonders zu Stoßzeiten im Berufsverkehr und am Wochenende in den Ballungsgebieten recht häufig“, teilte der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) mit. Ob es echte Probleme oder nur kleinere Unbequemlichkeiten sind, hänge stark von Umfang und Qualität des Angebots des jeweiligen Öffentlichen Personen-Nahverkehrs ab.
Während die Mitnahme von Fahrrädern im Berufsverkehr in Berlin und in Frankfurt erlaubt ist, haben die Verkehrsgesellschaften in München und Hamburg die Spanne zwischen sechs Uhr und neun Uhr sowie zwischen 16 und 18 Uhr zu Sperrzeiten erklärt. In dieser Zeit dürfen keine Fahrräder im Nahverkehr transportiert werden. In der Hauptstadt wiederum besteht zwar ein Recht, aber kein Anspruch auf Fahrradmitnahme in diesen Zeiten.
„Im Gegensatz zu anderen Städten sollte es in Berlin weiterhin möglich sein, dass Fahrräder auch in Stoßzeiten in die Bahnen mitgenommen werden können“, teilte der Sprecher der FDP-Fraktion für Infrastruktur im Berliner Abgeordnetenhaus, Henner Schmidt, auf Anfrage mit. „Aufgrund der oft langen Strecken in Berlin nutzen viele das Fahrrad für den Weg zwischen S-Bahn-Station und Arbeitsplatz.“Genau hier setzen die Lösungsansätze von Fahrgast- und Nahverkehrsverbänden an. „Es braucht vernünftige Abstellanlagen an den Bahnhöfen“, forderte Karl-Peter Naumann, Sprecher des Fahrgastverbandes Pro Bahn. Dann könnten die Menschen sowohl am Start- als auch am Zielbahnhof jeweils ein Fahrrad sicher unterstellen. Naumann nennt dies das „niederländische Modell“.
In einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit dem Verein Allianz pro Schiene und weiteren Verbänden diskutiert Pro Bahn Lösungsansätze. „Wir plädieren sehr dafür, einen Entwicklungsauftrag zu erteilen, wie man Sitzplätze umbauen kann in eine freie Fahrradfläche“, sagte Naumann mit Blick auf Regionalzüge, die vor allem am Wochenende von Freizeitradlern genutzt werden für Touren außerhalb der Stadt.
„Grundsätzlich brauchen wir von allem ein wenig mehr“, sagte auch Eike Arnold, Sprecher des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen. Die zunehmende Zahl an Fahrgästen und Radfahrern führe unweigerlich zu Konflikten. „Wir brauchen mehr Angebot grundsätzlich im ÖPNV, aber auch mehr Infrastruktur“, sagte Arnold. Radund Bahnfahrer seien Partner. „Es gibt hier ein Miteinander, kein Gegeneinander.“
Warum nicht einfach ein zusätzliches Radabteil an die Wagenreihe koppeln? „Das häufig vorgeschlagene Anhängen von „Fahrradwaggons“setzt entsprechend lange Bahnsteige an allen Haltestellen voraus“, sagte der Sprecher des Hamburger Verkehrsverbunds. Das sei baulich nicht realisierbar.
Auch der ADFC warnte davor, Rad- und Bahnfahrer gegeneinander auszuspielen. „Ein klimafreundlicher Verkehr mit weniger Stau und besserer Luft funktioniert nur, wenn Rad, Fuß und ÖPNV als Alternative zum Auto optimal aufeinander abgestimmt sind.“