Aus dem Wilden Westen nach Augsburg
Der Schriftsteller Alfred Wallon hat fast 200 Romane geschrieben. Welches Genre ihm besonders am Herzen liegt und wie es zu einem Augsburg-Krimi kam
Alfred Wallon wohnt im Hotelturm. Von seinem Balkon im 14. Stock aus hat er einen Blick über den Hauptbahnhof und die Stadt. Direkt vor dem Panoramafenster steht ein kleiner Tisch, auf ihm liegt ein Laptop. Daneben steht ein angeschlossener Drucker. „Viel brauche ich nicht zum Schreiben“, sagt der 62-Jährige. Wallon ist Schriftsteller. Genauer gesagt: ein Romanautor.
Angefangen hat alles in seiner Kindheit. Sein Vater habe ihm Westerngeschichten vorgelesen, auch für Filme habe er sich schnell begeistern können. „Wie viele andere Kinder bin ich mit Karl May aufgewachsen.“Aber nur, weil es kaum etwas anders gegeben habe, so Wallon. Später habe er dann gemerkt, dass Winnetou und Co. nur „romantisch verklärte Heldenfiguren“seien. „Mit der Historie hat das kaum etwas zu tun.“
Als Jugendlicher begann Wallon amerikanische Bücher zu lesen – schnell wurde William W. Johnstone zu seinem Lieblingsautor. Wallon zeigt ein Regal mit 300 Romanen seines Idols. Johnstone soll einmal gesagt haben: „Solange ich lebe, wird der Western weiterleben.“Wallon hat sich dessen Lebensmotto zu seinem eigenen gemacht.
Sein erstes Werk trägt den Titel „Die Dollarwölfe von Abilene“. Der Heftroman erschien im Jahr 1981. Für diese Art der Publikation sei der Roman eine Ausnahme. „Das Heft enthält ein historisches Vor- und Nachwort.“Dem Schriftsteller ist es wichtig, den historischen Hintergrund jeder Geschichte sorgfältig zu recherchieren. Welche Schusswaffen wurden wann gebraucht, welche Persönlichkeit war zu welcher Zeit an welchem Ort? Die Romane sind eine Mischung aus Zeitgeschichte und fiktiver Erzählung.
Über die Jahre hat sich der nicht nur das Wissen zur amerikanischen Pioniergeschichte angeeignet. Auch das Schreiben sei ihm von Roman zu Roman leichter von der Hand gegangen, so Wallon. „Ich verfasse als erstes ein kleines Exposé – zwei, drei Seiten lang.“Auf ihm werde der Rahmen jeder Geschichte festgehalten. Danach beginnt der Schriftsteller, den Roman niederzuschreiben. Hin und wieder arbeite er spontane Ideen mit ein. „Ich weiß manchmal vorher nicht, wie ein Roman endet.“
Wallon schreibe aber nicht nur Westernromane. Auch Fantasy-, Science-Fiction-, Horror-, Abenteuer-, Heimat- sowie Liebesromane zählen zu seinen Sparten. Nach 38 Jahren seien rund 200 Werke, also Heftromane und Bücher zusammengekommen. „Ich habe ir62-Jährige gendwann aufgehört zu zählen.“Noch sei kein Ende in Sicht. Mehrere Jahre im Voraus sei er nun ausgebucht. Der Schriftsteller arbeitet mit drei Verlagen zusammen. „Meine Fantasie lässt nicht nach“, sagt Wallon, der hauptberuflich Mediaberater ist. „Ich bin in der glücklichen Lage, nicht vom Schreiben leben zu müssen.“So könne er sich frei entfalten. Eine neue Idee spiele sich wie ein Film vor seinem inneren Auge ab. „Vieles ist aber auch antrainiert.“
Neben dem Western hat er noch ein weiteres Spezialgebiet: den Kriminalroman. Einen Augsburg-Krimi mit dem Titel „Das AugsburgExperiment“hat Wallon vor zwei Jahren veröffentlicht. Dieser spielt in der Neuzeit und handelt von einem Wissenschaftler, der für seine kriminellen Forschungen nach Möglichkeiten sucht, Leichen verschwinden zu lassen. Mit „Der Schriftsteller und der Tod“hat Wallon zuletzt einen zweiten AugsburgRoman veröffentlicht.
Seine bereits verstorbene Lebensgefährtin hat ihn motiviert, Romane mit Bezug zur Stadt zu schreiben. Sie selbst war ebenfalls Schriftstellerin, habe unter anderem Vampirromane geschrieben, so Wallon.
Er selbst kommt ursprünglich aus Hessen. 2014 zog es ihn in die Fuggerstadt – der Liebe wegen. Schnell sei er hier heimisch geworden, erzählt er. Und wer weiß, vielleicht schreibt der Schriftsteller eines Tages einen historischen Roman, vielleicht einen aus der Zeit der Fugger?