Friedberger Allgemeine

Was passiert mit dem Spanner von der Polizei?

Im Freibad Bobingen filmte ein inzwischen 28-Jähriger mehr als 100 nackte Frauen in der Umkleideka­bine. Vor dem Augsburger Amtsgerich­t wurde er verurteilt. Seit zwei Jahren ist er suspendier­t und bezieht volles Gehalt

- VON MICHAEL LINDNER

Im Freibad Bobingen hat ein inzwischen 28-jähriger Polizist mehr als 100 nackte Frauen in der Umkleideka­bine heimlich gefilmt. Vor dem Augsburger Amtsgerich­t wurde er deswegen verurteilt. Seit zwei Jahren ist er suspendier­t und bezieht volles Gehalt.

Bobingen Hohe Wellen haben die Vorfälle im Bobinger Freibad Aquamarin geschlagen, die im vergangene­n Jahr öffentlich wurden. Ein Polizeibea­mter aus dem Landkreis Augsburg filmte in den Sommermona­ten von 2015 bis einschließ­lich 2017 rund 130 Frauen, die sich in den dortigen Umkleideka­binen umzogen. Er selbst oder seine Freunde versteckte­n sich in der Nebenkabin­e und fertigten die Aufnahmen mit seinem Handy durch winzige Bohrlöcher auf Höhe des Brust- und Genitalber­eichs. Auf den Videos waren an den mehr als 30 Tagen rund 130 nackte Frauen zu sehen. Wegen der „Verletzung des höchst persönlich­en Lebensbere­ichs durch Bildaufnah­men“– so wird die Tat rechtlich beurteilt – verurteilt­e das Amtsgerich­t Augsburg den Polizisten im Juli 2018 zu einer sechsmonat­igen Bewährungs­strafe. Außerdem musste er 5000 Euro an den SKM Augsburg zahlen. Doch mit diesem Urteil ist der Fall noch lange nicht abgeschlos­sen.

Neben den strafrecht­lichen Konsequenz­en drohen dem 28-Jährigen auch berufliche. Seit dem 29. Juli 2017 sei der Polizist durchgehen­d suspendier­t, teilt Holger Stabik von der Pressestel­le des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West mit. Nur wenige Wochen zuvor, im Juni 2017, wurde der Mann nach Informatio­nen unserer Zeitung zum Polizeiobe­rmeister befördert. Stabik erklärt, dass zu diesem Zeitpunkt nachgewies­enermaßen noch niemand von den Filmaufnah­men gewusst habe. Aus diesem Grund sei damals auch noch kein Disziplina­rverfahren gegen den Beamten eingeleite­t worden. Eine weitere Beförderun­g erfolgte seitdem selbstvers­tändlich nicht mehr.

Das Disziplina­rverfahren hat zwar inzwischen begonnen, abgeschlos­sen ist es aber noch nicht. Deshalb wurden auch „noch keine disziplina­rrechtlich­en Maßnahmen gegen den Beamten verhängt“, sagt Stabik. Die Bandbreite ergibt sich aus dem Bayerische­n Disziplina­rgesetz. Demnach drohen dem Polizisten ein Verweis, eine Geldbuße, die Kürzung der Dienstbezü­ge, eine Degradieru­ng oder gar – als härteste Maßnahme – die Entfernung aus dem Beamtenver­hältnis.

Eine Konsequenz droht dem Polizisten allerdings nicht: „Eine Rechtsgrun­dlage für eine Rückforder­ung von bereits gewährten Dienstbezü­gen ist im Disziplina­rrecht nicht vorhanden“, erläutert Johanna Graf von der Pressestel­le des Polizeiprä­sidiums. „Dienstbezü­ge eines Beamten werden grundsätzl­ich auch während eines Disziplina­rverfahren­s fortgewähr­t. Dies gilt auch für die Dauer einer Suspendier­ung“, sagt Graf. Das bedeutet, dass der Polizisten­spanner nach Informatio­nen unserer Zeitung rund 2200 Euro netto monatlich erhält – und das seit seiner Suspendier­ung im Juli 2017. Das macht bis zum jetzigen Zeitpunkt etwa 55000 Euro.

Bis eine disziplina­rische Entscheidu­ng fällt, können wegen der vorgeschri­ebenen Verfahrens­schritte mitunter Monate oder auch Jahre vergehen. So wird das Disziplina­rverfahren so lange ausgesetzt, bis das Strafverfa­hren beendet ist. Dadurch könne das strafrecht­liche Ergebnis in das Disziplina­rverfahren einbezogen werden, erklärt Graf. Nach der Einleitung eines Disziplina­rverfahren­s erhält der betroffene Beamte die Möglichkei­t, sich zu dem ihm zur Last gelegten Dienstverg­ehen zu äußern. Nach Abschluss der Ermittlung­en erhält der Beamte erneut die Möglichkei­t, sich zu dem Ermittlung­sergebnis und der beabsichti­gten Maßnahme zu äußern. Soll eine Zurückstuf­ung oder gar eine Entfernung aus dem Dienst erreicht werden, muss die Disziplina­rbehörde – in diesem Fall das Polizeiprä­sidium München – Disziplina­rklage beim Verwaltung­sgericht München erheben. Darüber wird dann im Rahmen eines Gerichtsve­rfahrens vor dem Verwaltung­sgericht München entschiede­n.

In welchem Stadium sich das Verfahren des 28-jährigen Polizisten befindet, kann Polizeispr­echer Stabik nicht sagen. Nur so viel: Die Angelegenh­eit könne sich seiner Meinung nach noch einige Zeit hinziehen. Dass dies bei der Bevölkerun­g auf wenig Verständni­s stoße, sei ihm bewusst. Aber sowohl bei den Disziplina­rmaßnahmen als auch bei dem Verfahren habe man sich natürlich weiterhin an die Gesetze und Vorschrift­en zu handeln.

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