Der schauspielende Apotheker von nebenan
In Friedberg ist Dr. Hannes Proeller nicht nur für seine Arbeit allseits gut bekannt. Der 51-Jährige setzt auf Regionalität und Homöopathie. Seine Prioritäten haben sich zuletzt völlig verschoben / Serie (6)
Friedberg Bestens gelaunt kommt Hannes Proeller an einem Sonntagvormittag in die Redaktion der Friedberger Allgemeinen. „Habe die Ehre“, sagt der Apotheker und strahlt. Überraschend kommt diese Begrüßung nicht, schließlich hat der 51-Jährige seine größten Auftritte bei der Friedberger Zeit – und dort gehört das „Habe die Ehre“zum guten Ton. Das Gespräch mit Proeller zeigt: Dieser Mann strotzt vor Energie und Lebenslust. Sein enormes Arbeitspensum scheint ihn nicht zu belasten.
Doch wie steht es eigentlich um die gute alte Kleinstadtapotheke, wie sie Proeller in der Ludwigstraße betreibt? „Das wird abnehmen. Den klassischen Schubladenzieher gibt es nicht mehr. Jeder muss mit der Zeit gehen.“Als Alleinstellungsmerkmal seiner vier Filialen in Friedberg, Augsburg und Affing sieht er den Anbau eigener Heilpflanzen, aus denen Produkte entstehen: „Ich weiß, was drin ist und habe alles in der eigenen Hand.“Er könne seine Rohstoffe viel günstiger aus Asien beziehen, doch Regionalität sei ihm wichtig. „Die Globalisierung verspricht tolle Gewinnmargen, aber man macht sich auch komplett abhängig“, meint Proeller.
Zu seinen Steckenpferden zählt die Homöopathie. Dabei ist er kein Gegner der Schulmedizin: „Es gab immer beides. Und beides ist für gewisse Dinge geeignet und für andere völlig ungeeignet.“Homöopathie bei einer akuten Herzerkrankung beispielsweise sei „Unsinn“. Dennoch gehe es um eine Grundhaltung: Wolle man seinen gewohnten Alltag und die Lebensweise nicht ändern, rate er zur Schulmedizin. „Wer aber bereit ist, an den Ursachen seiner Erkrankung zu arbeiten, dem kann der homöopathische Arzt oder Heilpraktiker mit der richtigen Arznei helfen. Bei vielen kleinen Wehwehchen sind manche Homöopathika in der Selbstmedikation unschlagbar.“
Seinen eigenen Charakter, zumindest seine Verhaltensweisen, hat der 51-Jährige sehr wohl angepasst. „Ich konnte früher ganz schlecht
sagen. Das mache ich heute öfter. Die Prioritäten haben sich völlig verschoben“, erzählt er. Der Grund: sein zweijähriger Sohn. „Die Zeit mit der Familie steht über allem“, sagt Proeller.
Trotz der Bedeutung des Familienlebens: Immer noch kommt es vor, dass Proeller bis zu sechs Wo
chen durcharbeitet. „Im Sommer gönne ich mir aber mehr Auszeiten. Heute zum Beispiel bin ich mit dem Rad hergekommen und fühle mich völlig frei im Kopf“, so Proeller. Zu seiner Tätigkeit im eigenen Unternehmen kommt die Aufgabe als Vorsitzender des Fördervereins der Sozialstation. „Da habe ich aber tolNein
le Kollegen im Vorstand, die mir die meiste Arbeit abnehmen.“
Doch wie sieht ein normaler Tag des energiegeladenen Mannes aus? „Zwei Dinge sind mir extrem wichtig: Morgens will ich Zeit mit meiner Familie verbringen. Und irgendwann mache ich eine Sporteinheit – und wenn es nur fünf Minuten Gymnastik sind.“Proeller radelt gerne und liebt es, über den Lech zu paddeln – „Hauptsache, es ist kein Ball dabei.“Den Großteil der Zeit verbringt er freilich in seiner Hauptfiliale in Augsburg. Zudem checke er morgens immer seine „elektronischen Kanäle.“
So sehr er seinen „Traumberuf“als Apotheker mag, eine zweite Leidenschaft packt Proeller ebenfalls bis heute: die Schauspielerei. Während seines Pharmaziestudiums in Italien durfte er kostenlos Unterricht bei einer Darstellergruppe nehmen. Diesem Hobby ist er treu geblieben und mit seinem Theater bei der Friedberger Zeit zu einer Institution geworden. Denkt er darüber nach, größere Rollen zu spielen? „So, wie es ist, ist es wunderbar. Es macht meinen Alltag bunter und ist eine Ausnahmezeit. Alle drei Jahre reicht das völlig“, sagt Proeller.
Dass der Apotheker ein geselliger Mensch ist, merkt man schnell. Aber auch da gebe es Grenzen: „Ich plane ganz bewusst ruhige Momente ein.“Manchmal sorge das allerdings für Unmut bei Freunden: „Die schauen schon mal irritiert, wenn ich um 21 Uhr sage, dass es für heute reicht.“
Trotz seines Wohnsitzes in Augsburg ist Proeller kein typischer Großstädter. Das beweist unter anderem der Stall mit sechs Hühnern auf seinem Anwesen. „Mein Sohn und der Gockel wecken mich morgens im Wechsel gegen 5.30 Uhr auf. Die Nachbarn besteche ich mit Eiern, damit sie ja nicht meckern“, sagt Proeller. Bewusst eröffnete er seine erste Filiale 2001 in Friedberg: „Eine tolle Kleinstadt und für mich damals wie heute der perfekte Standort.“In Augsburg eine Apotheke zu eröffnen, sei damals für ihn noch keine Option gewesen.
Proeller wirkt zufrieden und ausgeglichen. Und er denkt überhaupt nicht ans Aufhören: „Ich möchte arbeiten, bis ich umfalle. Und sei es nur eine Stunde am Tag. Ich will mir aber meine Energie besser einteilen und nur noch das tun, was mir wirklich Spaß macht.“Man darf gespannt sein, ob es Proeller gelingt, seinen Tatendrang zu bremsen.