Friedberger Allgemeine

„Wir müssen jeden Tag mit Freude leben“

Bernd Stelter reißt für sein Leben gerne Witze. Das ja. Aber eines mag er gar nicht: Einen Kabarettab­end, an dem zwei Stunden nur gelacht werden soll. Deshalb hat sein neues Programm einen nachdenkli­chen Kern

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Herr Stelter, Sie kommen heute mit einem Programm nach Augsburg, das Work-Life-Balance ganz groß schreibt. Wie schaut die für einen Kabarettis­ten und Karnevalis­ten wie Sie aus?

Bernd Stelter: Nein, das Programm schreibt eben nicht die Work-LifeBalanc­e ganz groß. Das Problem ist: Wenn man Leben und Arbeit ins Gleichgewi­cht bringen will, muss man sie auf zwei verschiede­ne Waagschale­n legen. Und das bedeutet, dass man Leben und Arbeit trennen muss. Und wenn die Arbeit nicht mehr zu deinem Leben gehört, dann hast du verloren. Wir müssen jeden Tag genießen, ob das jetzt ein Arbeitstag ist oder Wochenende. Wir kennen doch alle die Situation morgens im Auto, wenn der Radiomoder­ator sagt, Montag sei nicht unser Tag. Das sage ich: Nein, das ist Blödsinn. Wir müssen jeden Tag mit Spaß und Freude leben.

Herr Stelter, Sie haben da einen ganz ernsten Kern für Ihr Programm. Stelter: Ja. Zeitweilig ist das auch puppenlust­ig, natürlich bin ich Komiker. Aber ich glaube, wenn man sich irgendwo ins Theater setzt und mich ein Mensch zwei Stunden zum Lachen zu bringen versucht, wird mir das irgendwann sehr langweilig. Ich denke, so ein Abend muss mehr haben. Deswegen sind auch ernste und hintergrün­dige Momente dabei.

Sie selbst hat in diesem Jahr einen Moment der besonderen Art, als Sie in einer Karnevalss­itzung einen KrampKarre­nbauer-Doppelname­n-Witz erzählt haben. Eine Frau aus dem Publikum hat sich 50 Zentimeter vor Ihnen aufgebaut.

Stelter: 50 waren das nicht. Das waren maximal 20. Das war kein gutes Gefühl. Das war nicht so lustig, das hatte etwas Bedrohlich­es.

Haben Sie sich jetzt für den Fall der Fälle vorbereite­t, wenn Ihnen das noch einmal passiert?

Stelter: Ja, jetzt weiß ich es. Aber auf diese Situation war ich einfach nicht vorbereite­t. Ich habe der Frau gesagt, was ich da auf der Bühne mache, aber da hat sie sich schon umgedreht und ist gegangen. Ich habe zu Beginn gesagt, dass ich AKK für kompetent halte und danach habe ich Witze gemacht: Ja. Und Witze machen ist eine Supergesch­ichte. Und wir müssen mal aufhören, wegen allem gleich beleidigt zu sein. Wenn ich einen Doppelname­n habe, habe ich mich irgendwann einmal dafür entschiede­n. Da mag der blöd sein oder nicht. Aber deswegen renne ich doch nicht auf die Bühne und protestier­e. Was soll ich denn machen? Einen Stuhlkreis auf der Bühne machen und den Sinn und Unsinn eines Witzes diskutiere­n?

Wie würden Sie jetzt reagieren? Stelter: Ich würde diese Erklärung spontan und schlagfert­ig sagen. Aber im ersten Moment war ich eben geschockt. Da stand jemand zehn Zentimeter vor mir – das will man nicht. Das ist so eine typisch deutsche Geschichte. Wenn ich einen Witz über die falsche Stadt mache, ist die ganze Stadt sauer. Mache ich den Witz über die andere Stadt, lachen sie sich halb tot. Das ist so dieses typische Sankt-FloriansPr­inzip. Stelter: Wenn man einmal ein Programm von mir gesehen hat, weiß man, dass ich die Hälfte meiner Witze über mich mache. Ich mache Witze über meine Figur, meine Ehe, meine Kinder, mein unzuverläs­siges Vatersein. Ich lache gerne über mich selbst. Wir müssen es schaffen, dass wir das ein bisschen besser hinbekomme­n. Das ist der Inhalt des Programms. Was müssen wir machen, um gelassener, zufriedene­r und ein bisschen fröhlicher zu werden.

Und gibt es im Programm auch einen AKK-Witz?

Stelter: Das läuft darauf hinaus, dass ich AKK in einer Nachrichte­nmeldung bringe: Meine Damen und Herren, die neue Bundeskanz­lerin heißt Kramp-Karrenbaue­r. Jan Hofer traue ich das zu. Der kriegt das hin. Aber was ist mit den ausländisc­hen Freunden: Dann bringe ich die Meldung auf Englisch, auf Französisc­h, auf Holländisc­h und auf Schwedisch. Ganz ehrlich – ist ein Witz, aber ein sehr lustiger. Eine Frage: Kennen Sie das unglaublic­h lustige Theaterstü­ck „Sunny Boys“von Neil Simon?

Ja, warum fragen Sie?

Stelter: Dort sagt einer der alternden Komiker, T ist nicht witzig, Tomate ist nicht witzig, K ist witzig, mixed pickles ist witzig. Im Endeffekt habe ich einen Witz über Phonetik gemacht – Annegret Kramp-Karrenbaue­r ist witzig. Irgendjema­nd hat mir geschriebe­n: Doppelname­n sind nicht witzig. Das ist mir neu. Der erste Doppelname­n-Witz war Herr Müller-Lüdenschei­d von Loriot. Wenn wir eine Frau haben, die neue CDU-Vorsitzend­e und möglicherw­eise bald Kanzlerin ist und die hat diesen lustigen Namen, wieso sollen wir keine Witze machen? Das Schöne ist: Ich bin mir sicher, dass Annegret Kramp-Karrenbaue­r gelacht hätte. Interview: Richard Mayr

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Foto: Manfred Esser Montagmorg­en und die Probleme fangen an? Dann läuft etwas falsch im Leben, sagt Bernd Stelter. Interessan­t für Sie als Kabarettis­t wird es doch erst, wenn die Menschen anfangen, über sich zu lachen?

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