Verunsicherte Auto-Bosse suchen Auswege
Konzerne präsentieren auf der Messe IAA mehr E-Autos – und werden dennoch kritisiert
Frankfurt am Main Auto-Manager sehen sich, obwohl sie mehr Elektrowagen auf den Markt bringen, massiver Kritik an ihrem Umweltbewusstsein ausgesetzt. Die am Donnerstag in Frankfurt offiziell startende Internationale Automobilausstellung – kurz IAA – wird nun zu einem Tribunal über die aus Sicht der Kritiker unzureichenden Klima-Anstrengungen der Branche. Umweltaktivisten wollen am Wochenende die Messe mit Protesten zum Teil sogar lahmlegen.
Der Unmut richtet sich auf große Geländewagen (SUV), die sich immer besser verkaufen. BMW hatte im August fast schon so viele dieser Fahrzeuge abgesetzt wie herkömmliche. Die Umweltschutz-Organisation Greenpeace bemängelt, dass der CO2-Ausstoß von bulligen SUVs deutlich höher sei als der normaler Wagen. Weil die Autos erheblich mehr wiegen, steigt aus Sicht von Greenpeace für Fußgänger die Gefahr, bei einem Aufprall schwer verletzt oder getötet zu werden. Der höhere Kühlergrill treffe Passanten nicht an den Beinen, sondern am empfindlicheren Oberkörper. Besonders gefährdet seien Kinder. Gerade starben bei einem Unfall mit einem SUV in Berlin vier Menschen.
Die Chefs der Auto-Konzerne geraten in einer radikalen Umbruchphase für die Branche in die Defensive. Kaum sind die schlimmsten Folgen des Diesel-Skandals ausgestanden, stehen die Manager wieder wegen der steigenden SUV-Verkäufe am Pranger. Auf der IAA versuchen die Manager daher einen Befreiungsschlag, indem sie auf ihre Kritiker zugehen. VW-Chef Herbert Diess diskutierte mit der Kritikerin Tina Velo. Die Klima-Aktivistin, deren Name ein Pseudonym ist, warf dem VW-Boss vor, nach wie vor „schmutzige Produkte zu verkaufen“. Das in Frankfurt von VW vorgestellte Elektroauto ID.3 sei ein „Feigenblatt“. Diess wies das zurück und sagte zum SUV-Trend: „Sie sind das, was Kunden fahren wollen.“Er räumte ein, mit den Autos lasse sich mehr Gewinn erzielen.
So wird auf der Messe, die schon vorab für Journalisten geöffnet ist, deutlich: Die Autoindustrie verdient vor allem mit SUVs das Geld, um sich die Milliarden-Investitionen für Elektroautos leisten zu können. Und das, ohne zu wissen, ob die Verbraucher die E-Fahrzeuge je im erwünschten Maße kaufen.
Auch deshalb wirken die TopManager verunsichert. Wie Diess appellieren sie an die Bürger, nun wirklich E-Autos zu kaufen. Dabei ist der Spagat zwischen Öko-Fahrzeugen und den SUV-Riesen schwierig, wie Auto-Experten unserer Redaktion bestätigten. Professor Stefan Bratzel meinte: „Es ist schwierig, hier die Balance zu halten.“Seiner Ansicht nach muss der Gesetzgeber eingreifen und SUV-Fahrer wegen der negativen Umwelteffekte der Fahrzeuge steuerlich stärker belasten. Die Einnahmen sollten Fahrern umweltverträglicherer Autos zugutekommen. Auto-Fachmann Ferdinand Dudenhöffer forderte die Konzerne auf, ihre größten SUVs nur noch in den USA und nicht mehr in Europa zu verkaufen. Der Branchenkenner sieht die Messe IAA in der Krise. Er schlägt vor, die Schau parallel mit der Internationalen Funkausstellung in Berlin zu veranstalten, um so die Attraktivität zu erhöhen. Die IAA steckt tatsächlich in Schwierigkeiten. Rund 30 BranchenGrößen wie Peugeot, Volvo oder Toyota blieben der geschrumpften Messe fern. Wie VW-Chef Diess mit seiner größten Kritikerin umging, lesen Sie auf der
„Sie sind das, was Kunden fahren wollen.“VW-Chef Herbert Diess zum SUV-Boom