Politik ist vielerorts immer noch Männersache
Nach wie vor gibt es Gemeinderäte ohne eine einzige Frau. Welche Auswirkungen das auf die Arbeit hat und wieso die Hemmschwelle für eine Kandidatur bei vielen Frauen so hoch liegt
Aichach-Friedberg In Mering werben Politikerinnen vor der Kommunalwahl für mehr Frauen im Marktgemeinderat. Ist das Geschlecht überhaupt wichtig für eine solche Position? Warum sind Frauen auch in Aichach-Friedberg nach wie vor unterrepräsentiert? Und welche Erfahrungen haben Stadt- und Gemeinderätinnen mit den männlichen Kollegen gemacht?
● Simone Losinger (CSU) In Friedberg ist Losinger eine von nur zwei weiblichen Stadträten ihrer Fraktion. Sie glaubt, dass Frauen andere Schwerpunkte setzen als die männlichen Kollegen: „Gerade die Familienpolitik beschäftigt sie deutlich stärker. Auch die Herangehensweise ist sicherlich eine andere – aber nicht besser oder schlechter.“
Sie wünsche sich einen höheren Frauenanteil, „damit Probleme von allen Seiten betrachtet werden“. Eine Frauenquote hält Losinger für falsch: „Die Qualität eines Stadtrates bemisst sich aus meiner Sicht nicht am Geschlecht oder dem Alter.“Die CSU habe bei der vergangenen Kommunalwahl einige Frauen auf der Liste gehabt: „Sie müssen halt auch gewählt werden, darauf haben wir wenig Einfluss.“Wegen ihres Geschlechts habe sie mit Männern im Stadtrat allerdings auch nie Probleme gehabt.
● Johanna Hölzl-Dibba (Grüne) Die Mutter berichtet von negativen Erfahrungen im Friedberger Stadtrat: „Zu Beginn hieß es oft ,ach, das Mädle halt’. Da hat sich aber auch schon vieles im Umgang verbessert.“Sie sieht sowohl das Geschlecht als auch das Alter als wichtige Einflussfaktoren auf die politische Arbeit: „Teilweise liegen da Welten zwischen den Ansichten – es ist dann oft einfach Klientelpolitik.“
Die weibliche Unterrepräsentanz liegt ihrer Meinung nach in zwei Bereichen begründet: Zum einen hätten Frauen mehr Aufgaben in Haushalt und Familie – deswegen seien flexiblere Angebote bei der Kinderbetreuung nötig. „Sich selbst darzustellen liegt vielen Frauen aber auch nicht so. Und man muss ehrlich sein: Politik ist zu einem hohen Maß Selbstdarstellung“, so Hölzl-Dibba.
● Marion Lang (SPD) In Kissing gehören fünf Männer und vier Frauen der SPD-Fraktion an – eine von ihist Marion Lang. „Zwar ist der Anteil in anderen Fraktionen deutlich geringer. Aber ich glaube, Kissing sticht positiv heraus, weil es keine Schwierigkeiten zwischen Männern und Frauen gibt.“
Dennoch befürworte sie mehr Frauen in solchen Gremien. „Die vielen Abendtermine sind eine echte Hemmschwelle, gerade für Mütter“, sagt Lang. Sie hat selbst ein Kind: „Ich kann das nur durchziehen, weil mein Mann mich unterstützt.“In den Ferien nehme sie Termine teilweise auch mit ihrem Kind wahr oder lade zu sich nach Hause ein. Lang ist selbstständig und kann ihre Arbeitszeiten flexibler gestalten als andere. „Mir ist klar, dass Angestellte da vor Problemen stehen“, erzählt sie.
● Monika Scheibenbogen (Freie
Wähler) Als einzige Frau neben 15 männlichen Gemeinderäten ist Scheibenbogen in einer besonderen Situation. „Wir arbeiten hier aber sachorientiert. Meine Meinung wird genauso gewürdigt wie alle anderen“, sagt sie. Dennoch wünsche sie sich mehr weibliche Unterstützung. „Ich habe mich deswegen jetzt vor der Wahl umgehört. Die meisten Frauen sagen mir, dass sie Familie, Beruf und Gemeinderat kaum vereinbaren können“, berichtet Scheibenbogen. „Ich merke aber bei mir selbst – über gewisse Dinge denke ich anders als der Rest. Ein bisschen mehr von dieser Sichtweise könnte nicht schaden.“
● Karin Liebler (Aktive Bürger) Die Dasinger Gemeinderätin hat den Vorteil, dass ihr Mann das Familieneinkommen sichert und sie daher zeitlich mehr Spielraum hat. „Frauen haben jedoch in der Regel unter der Woche drei Aufgaben – Arbeit, Kinder und den Gemeinderat. Bei Männern sind es halt mit Arbeit und Gemeinderat oft nur zwei“, meint Liebler.
Als Frau hat sie sich in Dasing immer respektiert gefühlt: „Ich bin außerdem selbstbewusst genug.“Jahrelang sei Lokalpolitik aber ein Männergeschäft gewesen. „Und bis heute gibt es, glaube ich, bei manchen Vorbehalte, ob Frauen das genauso gut können“, sagt Liebler. „Gerade für die Themen Freizeit oder Schule ist es aber wichtig, dass genug Frauen vertreten sind.“
● Brigitte Meyer (FDP) Die 71-Jährige war von 1996 bis 2008 Bürgernen meisterin in Merching – derzeit gibt es dagegen keine einzige Rathauschefin in Aichach-Friedberg. „Unser Landkreis ist da nicht der fortschrittlichste. In anderen Regionen sind mehr Frauen in der Lokalpolitik, gerade in führenden Positionen“, sagt Meyer. „Ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass der Frauenanteil steigt.“
Aus ihrer aktiven Zeit als Bürgermeisterin berichtet sie: „Vorbehalte gegen mich habe ich nie festgestellt.“Dennoch ist sie überzeugt, dass bis heute an Frauen vielerorts andere Maßstäbe angelegt werden als an Männer. „Darüber hinaus sind sie häufig sehr selbstkritisch. Hinzu kommt in vielen Fällen die Mehrbelastung durch Kinder“, erläutert Meyer. „Gott sei Dank stelle ich aber fest, dass es selbstverständlicher geworden ist, als Frau zu kandidieren.“Sie bringen aus ihrer Sicht einen anderen Ton und andere Themen in die Gremien. Meyer sagt zur Kommunalwahl 2020: „Ich hoffe, dass viele Frauen in AichachFriedberg kandidieren und vor allem auch gewählt werden. Besonders schön wäre, wenn es wieder eine Bürgermeisterin gibt.“