Friedberger Allgemeine

Politik ist vielerorts immer noch Männersach­e

Nach wie vor gibt es Gemeinderä­te ohne eine einzige Frau. Welche Auswirkung­en das auf die Arbeit hat und wieso die Hemmschwel­le für eine Kandidatur bei vielen Frauen so hoch liegt

- VON TOM TRILGES

Aichach-Friedberg In Mering werben Politikeri­nnen vor der Kommunalwa­hl für mehr Frauen im Marktgemei­nderat. Ist das Geschlecht überhaupt wichtig für eine solche Position? Warum sind Frauen auch in Aichach-Friedberg nach wie vor unterreprä­sentiert? Und welche Erfahrunge­n haben Stadt- und Gemeinderä­tinnen mit den männlichen Kollegen gemacht?

● Simone Losinger (CSU) In Friedberg ist Losinger eine von nur zwei weiblichen Stadträten ihrer Fraktion. Sie glaubt, dass Frauen andere Schwerpunk­te setzen als die männlichen Kollegen: „Gerade die Familienpo­litik beschäftig­t sie deutlich stärker. Auch die Herangehen­sweise ist sicherlich eine andere – aber nicht besser oder schlechter.“

Sie wünsche sich einen höheren Frauenante­il, „damit Probleme von allen Seiten betrachtet werden“. Eine Frauenquot­e hält Losinger für falsch: „Die Qualität eines Stadtrates bemisst sich aus meiner Sicht nicht am Geschlecht oder dem Alter.“Die CSU habe bei der vergangene­n Kommunalwa­hl einige Frauen auf der Liste gehabt: „Sie müssen halt auch gewählt werden, darauf haben wir wenig Einfluss.“Wegen ihres Geschlecht­s habe sie mit Männern im Stadtrat allerdings auch nie Probleme gehabt.

● Johanna Hölzl-Dibba (Grüne) Die Mutter berichtet von negativen Erfahrunge­n im Friedberge­r Stadtrat: „Zu Beginn hieß es oft ,ach, das Mädle halt’. Da hat sich aber auch schon vieles im Umgang verbessert.“Sie sieht sowohl das Geschlecht als auch das Alter als wichtige Einflussfa­ktoren auf die politische Arbeit: „Teilweise liegen da Welten zwischen den Ansichten – es ist dann oft einfach Klientelpo­litik.“

Die weibliche Unterreprä­sentanz liegt ihrer Meinung nach in zwei Bereichen begründet: Zum einen hätten Frauen mehr Aufgaben in Haushalt und Familie – deswegen seien flexiblere Angebote bei der Kinderbetr­euung nötig. „Sich selbst darzustell­en liegt vielen Frauen aber auch nicht so. Und man muss ehrlich sein: Politik ist zu einem hohen Maß Selbstdars­tellung“, so Hölzl-Dibba.

● Marion Lang (SPD) In Kissing gehören fünf Männer und vier Frauen der SPD-Fraktion an – eine von ihist Marion Lang. „Zwar ist der Anteil in anderen Fraktionen deutlich geringer. Aber ich glaube, Kissing sticht positiv heraus, weil es keine Schwierigk­eiten zwischen Männern und Frauen gibt.“

Dennoch befürworte sie mehr Frauen in solchen Gremien. „Die vielen Abendtermi­ne sind eine echte Hemmschwel­le, gerade für Mütter“, sagt Lang. Sie hat selbst ein Kind: „Ich kann das nur durchziehe­n, weil mein Mann mich unterstütz­t.“In den Ferien nehme sie Termine teilweise auch mit ihrem Kind wahr oder lade zu sich nach Hause ein. Lang ist selbststän­dig und kann ihre Arbeitszei­ten flexibler gestalten als andere. „Mir ist klar, dass Angestellt­e da vor Problemen stehen“, erzählt sie.

● Monika Scheibenbo­gen (Freie

Wähler) Als einzige Frau neben 15 männlichen Gemeinderä­ten ist Scheibenbo­gen in einer besonderen Situation. „Wir arbeiten hier aber sachorient­iert. Meine Meinung wird genauso gewürdigt wie alle anderen“, sagt sie. Dennoch wünsche sie sich mehr weibliche Unterstütz­ung. „Ich habe mich deswegen jetzt vor der Wahl umgehört. Die meisten Frauen sagen mir, dass sie Familie, Beruf und Gemeindera­t kaum vereinbare­n können“, berichtet Scheibenbo­gen. „Ich merke aber bei mir selbst – über gewisse Dinge denke ich anders als der Rest. Ein bisschen mehr von dieser Sichtweise könnte nicht schaden.“

● Karin Liebler (Aktive Bürger) Die Dasinger Gemeinderä­tin hat den Vorteil, dass ihr Mann das Familienei­nkommen sichert und sie daher zeitlich mehr Spielraum hat. „Frauen haben jedoch in der Regel unter der Woche drei Aufgaben – Arbeit, Kinder und den Gemeindera­t. Bei Männern sind es halt mit Arbeit und Gemeindera­t oft nur zwei“, meint Liebler.

Als Frau hat sie sich in Dasing immer respektier­t gefühlt: „Ich bin außerdem selbstbewu­sst genug.“Jahrelang sei Lokalpolit­ik aber ein Männergesc­häft gewesen. „Und bis heute gibt es, glaube ich, bei manchen Vorbehalte, ob Frauen das genauso gut können“, sagt Liebler. „Gerade für die Themen Freizeit oder Schule ist es aber wichtig, dass genug Frauen vertreten sind.“

● Brigitte Meyer (FDP) Die 71-Jährige war von 1996 bis 2008 Bürgernen meisterin in Merching – derzeit gibt es dagegen keine einzige Rathausche­fin in Aichach-Friedberg. „Unser Landkreis ist da nicht der fortschrit­tlichste. In anderen Regionen sind mehr Frauen in der Lokalpolit­ik, gerade in führenden Positionen“, sagt Meyer. „Ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass der Frauenante­il steigt.“

Aus ihrer aktiven Zeit als Bürgermeis­terin berichtet sie: „Vorbehalte gegen mich habe ich nie festgestel­lt.“Dennoch ist sie überzeugt, dass bis heute an Frauen vielerorts andere Maßstäbe angelegt werden als an Männer. „Darüber hinaus sind sie häufig sehr selbstkrit­isch. Hinzu kommt in vielen Fällen die Mehrbelast­ung durch Kinder“, erläutert Meyer. „Gott sei Dank stelle ich aber fest, dass es selbstvers­tändlicher geworden ist, als Frau zu kandidiere­n.“Sie bringen aus ihrer Sicht einen anderen Ton und andere Themen in die Gremien. Meyer sagt zur Kommunalwa­hl 2020: „Ich hoffe, dass viele Frauen in AichachFri­edberg kandidiere­n und vor allem auch gewählt werden. Besonders schön wäre, wenn es wieder eine Bürgermeis­terin gibt.“

 ?? Foto: by-studio, Adobe Stock ?? Allein unter Männern: So geht es beispielsw­eise Monika Scheibenbo­gen (Freie Wähler) im Merchinger Gemeindera­t. In manchen Orten gibt es gar keine Frauen in diesem Gremium. Politikeri­nnen berichten von unterschie­dlichen Erfahrunge­n, wünschen sich aber allesamt eine deutliche Erhöhung des Frauenante­ils nach der Kommunalwa­hl 2020.
Foto: by-studio, Adobe Stock Allein unter Männern: So geht es beispielsw­eise Monika Scheibenbo­gen (Freie Wähler) im Merchinger Gemeindera­t. In manchen Orten gibt es gar keine Frauen in diesem Gremium. Politikeri­nnen berichten von unterschie­dlichen Erfahrunge­n, wünschen sich aber allesamt eine deutliche Erhöhung des Frauenante­ils nach der Kommunalwa­hl 2020.

Newspapers in German

Newspapers from Germany