Ehemaliger Boxer muss lange in Haft
Ein 40-jähriger Litauer erschlägt nach einem Trinkgelage einen estnischen Leiharbeiter in Schwabmünchen. Das Landgericht Augsburg verurteilt den ehemaligen Boxer und hebt das Ausmaß der Gewalt hervor
Am Landgericht Augsburg ist der Totschlagsprozess gegen einen 40-Jährigen zu Ende gegangen: Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der ehemalige Boxer einen Leiharbeiter-Kollegen in Schwabmünchner Pension totgeprügelt hat.
Schwabmünchen Äußerlich ruhig nimmt der kräftige Mann das Urteil am Landgericht Augsburg auf – aber nur zunächst. Sein Blick ist starr auf den Boden gerichtet, als die vorsitzende Richterin Susanne RiedelMitterwieser die Strafe ausspricht. Neun Jahre und sechs Monate muss der 40-jährige Litauer, der als Leiharbeiter für einen großen Logistiker auf dem Lechfeld unterwegs war, wegen Totschlags ins Gefängnis. Mit dem Strafmaß bleibt das Gericht nur knapp unter der von Staatsanwältin Martina Neuhierl geforderten Strafe von zehn Jahren.
Mit der Ruhe ist es aber schnell vorbei, denn der große und kräftige Angeklagte ist mit dem Urteil nicht einverstanden. Zwei Justizbeamte rücken noch näher an den Mann heran, ein Tumult wie vor wenigen Tagen bei einer anderen Verhandlung am Landgericht soll sich schließlich nicht wiederholen. Tut es auch nicht. Der Litauer möchte die Urteilsbegründung zwar nicht weiter von seiner Dolmetscherin übersetzt haben, doch das ist nicht erlaubt. „Sie sollen das hören. Das ist ein Teil der Verarbeitung“, erklärt Richterin Riedel-Mitterwieser energisch. Zudem müsse er ihrer Meinung nach mit der Strafe zufrieden sein, da er doch am Morgen nach der Tat zu einem Zeugen sagte, dass ihn wohl zehn bis 15 Jahre Gefängnis erwarten.
Das Gericht hatte nach den vier Verhandlungstagen keinen Zweifel, dass der ehemalige Boxer im Sommer des vergangenen Jahres einen 46-jährigen Esten auf dem Flur einer beschaulichen Pension in der Wertachau-Siedlung in Schwabmünchen in den Morgenstunden totgeprügelt hat. Der 40-Jährige schlug damals mit Händen und Fäusten auf sein Opfer ein, auch als dieses bereits wehrlos am Boden lag. Der Mann erlitt schwerste Gesichtsund Halsverletzungen. Die Gewaltwaren derart heftig, dass das auf dem Rücken liegende Opfer das eigene Blut einatmete und daran starb. Der Este hinterlässt in seiner Heimat eine Frau und drei Kinder. In ihrem Plädoyer hob die Staatsanwältin hervor, dass auch die Halsverletzungen für sich genommen zum Tod geführt hätten. Sie sei überzeugt, dass der Angeklagte nicht wahllos auf den Esten eingeschlagen, sondern ganz gezielt verletzungsanfällige Körperregionen attackiert habe. „Das Opfer war nicht mehr im Ansatz zur Gegenwehr in der Lage und hatte nicht den Hauch einer Chance, lebend aus Situation rauszukommen“, sagte Neuhierl über den Angriff.
Wenige Stunden vor dem tödlichen Vorfall habe es einen Streit zwischen dem Litauer sowie dem 46-jährigen Esten und dessen Zimmerkollegen gegeben. Alle drei Männer waren erheblich alkoholisiert, der Litauer wies nach den Berechnungen eines Gutachters einen Wert von etwa 2,4 Promille zum Tatzeitpunkt auf. Was der Auslöser für die brutale Attacke war, konnte aber auch vor Gericht nicht geklärt werden. Der Angeklagte, der während der Untersuchungshaft Vater wurde und sein Kind noch nie geseeinwirkungen hen hat, räumte den Anklagevorwurf zwar pauschal ein, sprach aber von erheblichem Alkoholgenuss an diesem Abend.
Seine Verteidigerin Alexandra Gutmeyr gab zu Bedenken, dass ihr Mandant nach dem „feucht-fröhlichen Trinkgelage“vom späteren Opfer auf dem Flur attackiert worden sei und eine erhebliche Schnittverletzung am Arm aufweise. Daraufhin habe ihr Mandant kräftig mit der Faust zugeschlagen. Sie plädierte für eine sechsjährige Freiheitsstrafe, da er keine Waffen einsetzte und sein Wahrnehmungshorizont in dieser Nacht eingeengt geder wesen sei. Obwohl sich der Strafrahmen wegen der erheblichen Alkoholisierung des 40-Jährigen reduziert – im Gegensatz zu vielen Gesetzeslagen in Osteuropa, wo es dafür einen Aufschlag gibt – verurteilte das Landgericht den Litauer zu neun Jahren und sechs Monaten.
„Sie haben einen Menschen mit massivster Gewalt attackiert und mit bloßen Händen umgebracht – und das hebt sich von vielen anderen Taten ab“, sagte die vorsitzende Richterin Riedel-Mitterwieser in ihrer Begründung. Direkt nach dem Urteil sagte der Litauer, dass er dieses nicht annehmen werde.