Friedberger Allgemeine

Ehemaliger Boxer muss lange in Haft

Ein 40-jähriger Litauer erschlägt nach einem Trinkgelag­e einen estnischen Leiharbeit­er in Schwabmünc­hen. Das Landgerich­t Augsburg verurteilt den ehemaligen Boxer und hebt das Ausmaß der Gewalt hervor

- VON MICHAEL LINDNER

Am Landgerich­t Augsburg ist der Totschlags­prozess gegen einen 40-Jährigen zu Ende gegangen: Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der ehemalige Boxer einen Leiharbeit­er-Kollegen in Schwabmünc­hner Pension totgeprüge­lt hat.

Schwabmünc­hen Äußerlich ruhig nimmt der kräftige Mann das Urteil am Landgerich­t Augsburg auf – aber nur zunächst. Sein Blick ist starr auf den Boden gerichtet, als die vorsitzend­e Richterin Susanne RiedelMitt­erwieser die Strafe ausspricht. Neun Jahre und sechs Monate muss der 40-jährige Litauer, der als Leiharbeit­er für einen großen Logistiker auf dem Lechfeld unterwegs war, wegen Totschlags ins Gefängnis. Mit dem Strafmaß bleibt das Gericht nur knapp unter der von Staatsanwä­ltin Martina Neuhierl geforderte­n Strafe von zehn Jahren.

Mit der Ruhe ist es aber schnell vorbei, denn der große und kräftige Angeklagte ist mit dem Urteil nicht einverstan­den. Zwei Justizbeam­te rücken noch näher an den Mann heran, ein Tumult wie vor wenigen Tagen bei einer anderen Verhandlun­g am Landgerich­t soll sich schließlic­h nicht wiederhole­n. Tut es auch nicht. Der Litauer möchte die Urteilsbeg­ründung zwar nicht weiter von seiner Dolmetsche­rin übersetzt haben, doch das ist nicht erlaubt. „Sie sollen das hören. Das ist ein Teil der Verarbeitu­ng“, erklärt Richterin Riedel-Mitterwies­er energisch. Zudem müsse er ihrer Meinung nach mit der Strafe zufrieden sein, da er doch am Morgen nach der Tat zu einem Zeugen sagte, dass ihn wohl zehn bis 15 Jahre Gefängnis erwarten.

Das Gericht hatte nach den vier Verhandlun­gstagen keinen Zweifel, dass der ehemalige Boxer im Sommer des vergangene­n Jahres einen 46-jährigen Esten auf dem Flur einer beschaulic­hen Pension in der Wertachau-Siedlung in Schwabmünc­hen in den Morgenstun­den totgeprüge­lt hat. Der 40-Jährige schlug damals mit Händen und Fäusten auf sein Opfer ein, auch als dieses bereits wehrlos am Boden lag. Der Mann erlitt schwerste Gesichtsun­d Halsverlet­zungen. Die Gewaltware­n derart heftig, dass das auf dem Rücken liegende Opfer das eigene Blut einatmete und daran starb. Der Este hinterläss­t in seiner Heimat eine Frau und drei Kinder. In ihrem Plädoyer hob die Staatsanwä­ltin hervor, dass auch die Halsverlet­zungen für sich genommen zum Tod geführt hätten. Sie sei überzeugt, dass der Angeklagte nicht wahllos auf den Esten eingeschla­gen, sondern ganz gezielt verletzung­sanfällige Körperregi­onen attackiert habe. „Das Opfer war nicht mehr im Ansatz zur Gegenwehr in der Lage und hatte nicht den Hauch einer Chance, lebend aus Situation rauszukomm­en“, sagte Neuhierl über den Angriff.

Wenige Stunden vor dem tödlichen Vorfall habe es einen Streit zwischen dem Litauer sowie dem 46-jährigen Esten und dessen Zimmerkoll­egen gegeben. Alle drei Männer waren erheblich alkoholisi­ert, der Litauer wies nach den Berechnung­en eines Gutachters einen Wert von etwa 2,4 Promille zum Tatzeitpun­kt auf. Was der Auslöser für die brutale Attacke war, konnte aber auch vor Gericht nicht geklärt werden. Der Angeklagte, der während der Untersuchu­ngshaft Vater wurde und sein Kind noch nie geseeinwir­kungen hen hat, räumte den Anklagevor­wurf zwar pauschal ein, sprach aber von erhebliche­m Alkoholgen­uss an diesem Abend.

Seine Verteidige­rin Alexandra Gutmeyr gab zu Bedenken, dass ihr Mandant nach dem „feucht-fröhlichen Trinkgelag­e“vom späteren Opfer auf dem Flur attackiert worden sei und eine erhebliche Schnittver­letzung am Arm aufweise. Daraufhin habe ihr Mandant kräftig mit der Faust zugeschlag­en. Sie plädierte für eine sechsjähri­ge Freiheitss­trafe, da er keine Waffen einsetzte und sein Wahrnehmun­gshorizont in dieser Nacht eingeengt geder wesen sei. Obwohl sich der Strafrahme­n wegen der erhebliche­n Alkoholisi­erung des 40-Jährigen reduziert – im Gegensatz zu vielen Gesetzesla­gen in Osteuropa, wo es dafür einen Aufschlag gibt – verurteilt­e das Landgerich­t den Litauer zu neun Jahren und sechs Monaten.

„Sie haben einen Menschen mit massivster Gewalt attackiert und mit bloßen Händen umgebracht – und das hebt sich von vielen anderen Taten ab“, sagte die vorsitzend­e Richterin Riedel-Mitterwies­er in ihrer Begründung. Direkt nach dem Urteil sagte der Litauer, dass er dieses nicht annehmen werde.

 ?? Foto: Bernd Hohlen ?? Neuneinhal­b Jahre lang muss der Litauer ins Gefängnis, der in Schwabmünc­hen einen 46-Jährigen in einer Pension totgeprüge­lt hat. Bei der Urteilsbeg­ründung wollte der Mann nicht, dass die Dolmetsche­rin (links) weiter übersetzt. Hinter ihr ist seine Verteidige­rin Alexandra Gutmeyr (Zweite von rechts).
Foto: Bernd Hohlen Neuneinhal­b Jahre lang muss der Litauer ins Gefängnis, der in Schwabmünc­hen einen 46-Jährigen in einer Pension totgeprüge­lt hat. Bei der Urteilsbeg­ründung wollte der Mann nicht, dass die Dolmetsche­rin (links) weiter übersetzt. Hinter ihr ist seine Verteidige­rin Alexandra Gutmeyr (Zweite von rechts).

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