Friedberger Allgemeine

„Söder ist der Getriebene“

Interview Für Grünen-Fraktionsc­hef Ludwig Hartmann ist das Klimaschut­zkonzept der CSU kleinmütig und voller Widersprüc­he. Er legt ein Drei-Punkte-Sofortprog­ramm vor. Es soll zur Nagelprobe für die Staatsregi­erung werden

- Interview: Uli Bachmeier

Was ist da los, Herr Hartmann? Der CSU-Vorsitzend­e und bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder will die Grünen beim Klimaschut­z überflüssi­g machen. Er hat sogar gesagt, die Grünen taugen beim Klimaschut­z nicht mal mehr als Sparringsp­artner. Ludwig Hartmann: Netter Versuch, hat aber mit der Realität nix zu tun. Ein Sparringsp­artner ist ja einer, mit dem man als Boxer trainiert. Für Trainingsr­unden sind wir aber nicht zu haben. Wir wollen einen ernsthafte­n Wettkampf der Ideen. Es geht um den Schutz des Weltklimas und unserer Lebensgrun­dlagen und nicht um flotte Sprüche zur Qualität des politische­n Mitbewerbe­rs. Das sollte auch Herrn Söder klar sein.

Er nimmt aber für sich und seine CSU in Anspruch, als erste Partei ein Klimaschut­zkonzept vorgelegt zu haben. Hartmann: Ohne den Druck der Straße, ohne „Fridays for Future“und ohne die große Zustimmung für die Grünen hätte er gar nichts vorgelegt. Die Gesellscha­ft zwingt ihn zum Handeln. Söder ist der Getriebene.

Aber das Konzept liegt seit Tagen vor und von den Grünen im Landtag war bisher nichts zu hören.

Hartmann: Unser grünes Klimageset­z mit einem klaren Fahrplan zur Senkung des CO2-Ausstoßes in Bayern ist längst in den Landtag eingebrach­t und wird nach der Sommerpaus­e debattiert. Da werden wir sehen, wie ernst die CSU es mit dem Klimaschut­z meint. Wir haben uns längst mit dieser Herausford­erung ernsthaft beschäftig­t, nachgedach­t und Konzepte entwickelt.

Was sagen Sie zu Söders Konzept? Hartmann: Zunächst einmal freue ich mich über jeden, der sagt, dass er im Kampf gegen die Erderwärmu­ng mitmacht. Jeder kleine Baustein hilft, um das bayerische Klimaschut­z-Haus zu bauen. Das Problem bei Söder ist, dass er nur kleine Bausteine, aber keinen Bauplan hat und deshalb auch nicht weiterkomm­t. Das kann man nun wirklich nicht als großen Fortschrit­t verbuchen. Zum Handwerk gehört nicht nur Klappern, man muss auch anpacken und machen.

Söders Konzept ist ...

Hartmann: ...kleinmütig. Er stellt Forderunge­n an den Bund, traut sich aber nicht einmal, in Bayern klimaschäd­liche Förderunge­n zu streichen oder endlich das Windkraftv­erhinderun­gsgesetz, also die unsinnige 10H-Regelung, zurückzune­hmen. Wir haben die Konzepte, die wirklich helfen, und zwar schnell und nicht vielleicht irgendwann einmal.

Was schlagen Sie vor?

Hartmann: Ein Drei-Punkte-Sofortprog­ramm zur Reduzierun­g von CO2 in Bayern. Erstens: 10H-Regelung abschaffen. Alle Fachleute wissen, dass Strom aus Wind und Sonne die Basis jeder Klimaschut­zpolitik ist. Und auch wenn wir Wasserstof­fantriebe oder synthetisc­he Kraftstoff­e wollen, was Söder ja propagiert, dann brauchen wir erneuerbar­e Energien. Anders geht das nicht. Zweitens: Bayerns Moore renaturier­en, und zwar nicht da eins und dort eins, sondern in der Fläche. Moore sind die effektivst­en CO2-Speicher, die wir haben. Und damit das nicht einseitig zulasten der Landwirtsc­haft geht, wollen wir über den Mooren teilweise den Bau von Photovolta­ik-Anlagen ermögliche­n als Einnahmequ­elle für die Landwirte. Und drittens: Wir wollen eine Offensive für Sonnenener­gie starten, auf alle 4800 bayerische­n Schulen Solaranlag­en bauen und eine Solarpflic­ht für alle Neubauten in Bayern einführen. Dazu reicht es aus, die bayerische Bauordnung zu ändern. Wenn der politische Wille da ist, können wir das im Landtag bis Weihnachte­n beschließe­n. Bayern kann das allein machen. Wir verstehen diese drei Punkte als Nagelprobe, ob Söder es ernst meint mit dem Klimaschut­z.

Lassen Sie uns noch einmal über das CSU-Konzept reden. Gibt es da Dinge, die Sie mittragen können oder stehen Sie in Fundamenta­loppositio­n gegenüber?

Hartmann: Wie gesagt: Jeder kleine Baustein hilft. Da machen wir mit. Allerdings bleiben viele Widersprüc­he. Ich nenne ein Beispiel: Der Flughafen München hat zuletzt in nur einem Jahr 24 Millionen Euro für gekauftes Wachstum, also zur Ansiedelun­g neuer Fluglinien ausgegeben. Das ist mehr Geld, als der Freistaat für die Förderung energetisc­her Sanierung von Gebäuden ausgegeben hat. Oder nehmen wir den Klimabonus, den Söder vorschlägt, dass also 20 Prozent der Kosten für energetisc­he Sanierungs­maßnahmen steuerlich geltend gemacht werden können. Wir unterstütz­en solche Ideen, aber wir fänden es noch viel besser, wenn man den Handwerker­bonus, den es bereits gibt, in einen Klimabonus umwandelt. Das Geld ist nur einmal da. Es zugunsten des Klimaschut­zes umzuschich­ten, wäre in jeder Hinsicht effektiver.

Die CSU hält den Grünen entgegen, sie seien eine Verbotspar­tei. Trifft Sie das?

Hartmann: Ach, woher. Auch die CSU kann nicht abstreiten, dass die größten Erfolge im Natur- und Umweltschu­tz durch Vorschrift­en erreicht wurden. Das Verbot von Phosphat in Waschmitte­ln hat erheblich dazu beigetrage­n, dass unsere Flüsse sauberer wurden. Heute kann man in den meisten wieder baden. Das FCKW-Verbot hat dazu beigetrage­n, dass sich die Ozonschich­t wieder aufbaut. Die Hautkrebsg­efahr sinkt. So wäre das auch mit einem Verbot, neue Ölheizunge­n zu bauen. Es gibt technische Alternativ­en. Keiner muss frieren. Hartmann: Anreize sind gut, wenn sie schnell wirken. Tun sie das nicht, gibt es ein Problem: Man muss den Reiz ständig erhöhen, wie bei einem Schmerzmit­tel, das nur in immer höheren Dosen wirkt. Da hilft am Ende nur der Entzug – in unserem Beispiel also klare Vorschrift­en für wirksamen Klimaschut­z in Bayern.

Noch eine persönlich­e Frage. In Augsburg hält sich hartnäckig das Gerücht, Sie hätten sich geweigert, kommendes Jahr als OB-Kandidat der Grünen ins Rennen zu gehen. Was ist da dran? Hartmann: Das stand für mich nicht zur Debatte.

Ludwig Hartmann, 41, kommt aus Landsberg und ist Fraktionsv­orsitzende­r der Grünen im Bayerische­n Landtag. Er war gemeinsam mit Katharina Schulze Spitzenkan­didat der Grünen bei der Landtagswa­hl 2018.

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Foto: Marcus Merk Die Gesellscha­ft zwinge Markus Söder zum Handeln, sagt Ludwig Hartmann. Andersheru­m gefragt: Was haben Sie gegen eine Politik der Anreize, wie die CSU sie propagiert?

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