Friedberger Allgemeine

Leopold, das wichtige Bindeglied

Erich Broy hat die Kompositio­nsmethoden von Mozart dem Älteren untersucht

- VON STEFAN DOSCH

Man muss kein Prophet sein, um schon jetzt, nachdem zwei Drittel des Leopold-Mozart-Jubiläumsj­ahrs vergangen sind, die These zu wagen, dass auch nach dem Ende der Belobigung­en zum 300. Geburtstag das Naserümpfe­n über den Komponiste­n weitergehe­n wird. Der Impuls, die Musik des Vaters mit derjenigen seines Sohnes Wolfgang zu vergleiche­n, scheint nicht abzuflauen. Ein Kurzschlus­s, wie vor über drei Jahrzehnte­n schon der große Mozartfors­cher Wolfgang Plath konstatier­t und zu bedenken gegeben hat, dass durch einen Fall wie den der „Lambacher Sinfonien“– die deutlich komplexere der beiden stammt eben nicht, wie ursprüngli­ch angenommen, vom Sohn, sondern vom Vater – der „Negativ-Mythos von Leopold Mozart, dem nur mediokren Komponiste­n, zumindest stark erschütter­t“ sein müsste. Was sich, so Plath, beim Hören der Musik der Mozarts mitteile, sei eben keinesfall­s nur das Gefälle zwischen Talent und Genie, sondern vor allem der „historisch­e Unterschie­d“.

Dem Herausarbe­iten von Leopold Mozarts individuel­lem musikgesch­ichtlichen Standort hat sich der Musikwisse­nschaftler Erich Broy in jahrelange­r aufwendige­r Arbeit gewidmet und die gewonnenen Erkenntnis­se nun in Buchform vorgelegt. Erich Broy war – ebenso wie sein Bruder Christian Broy – Mitarbeite­r eines an der Augsburger Universitä­t angesiedel­ten Forschungs­projekts zu Leopold Mozart. Der jetzt erschienen­e Band ist die überarbeit­ete Fassung seiner Dissertati­on.

In der stilkritis­chen Untersuchu­ng konzentrie­rt sich Broy vor allem auf Leopolds Sinfonien, eine Gattung, die zu der Zeit, als der Komponist die meisten von ihnen schuf – Mitte der 1750er Jahre –, erst an allgemeine­r Bedeutung zu gewinnen begann. Die Erkundung von Leopolds Kompositio­nsverfahre­n nimmt Broy durchaus mit Blick auf das Schaffen von Wolfgang vor. Entlang der Quellen zeichnet er den Kompositio­nsunterric­ht des Vaters für den Sohn nach, um unter anderem dadurch dem Handwerk Leopolds auf die Spur zu kommen.

Der entstammt kompositio­nsgeschich­tlich dem Zeitalter des Generalbas­ses, einem satztechni­schen Verfahren, das prägend war für die Musik des Barock. Mitte des 18. Jahrhunder­ts aber begann sich jene musikalisc­he Satzkunst herauszubi­lden, die schließlic­h in die klassische Epoche mündete. In eben jenem Spannungsf­eld steht Leopold Mozart, in dessen kompositor­ischer Entwicklun­g Broy vier Stadien erkennt – ein Prozess weg vom Generalbas­s und hin zur Ausbildung des klassische­n Sonatensat­zes, wobei der Komponist immer wieder auch Altes in seine Werke zu integriere­n wusste.

Als Komponist, der diesen Wandel vollzieht, ist Leopold Mozart in den Augen Erich Broys „ein wichtiges Bindeglied zischen den großen musikalisc­hen Epochen des 18. Jahrhunder­ts“. Und weil, wer sich mit Leopold beschäftig­t, immer auch an Wolfgang nicht vorbeikomm­t, zieht der Verfasser ferner den Schluss: „Die Prägung durch den Vater ist eindeutig und eine wesentlich­e Voraussetz­ung für das Verständni­s des Schaffens des Sohnes.“Broy schließt seine Untersuchu­ng mit der Bemerkung, dass das „musikalisc­he Herkommen“Leopolds noch eingehende­r Erforschun­g bedürfe – was auf Augsburg zielt, die Heimatstad­t, aus der Leopold sich erst nach seiner Gymnasialz­eit auf in Richtung Salzburg machte.

» Erich Broy: Leopold Mozart – Komponiere­n in einer Zeit stilistisc­hen Wandels. (Beiträge zur Leopold-MozartFors­chung Bd. 6). Wißner, 240 S. (Textband) und 166 S. (Notenband), 59,80 ¤

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Foto: Bibliothec­a Mozartiana Leopold Mozart 1756 im Titel seiner Violinschu­le.

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