Friedberger Allgemeine

Da waren es nur noch zehn

Wer wird demokratis­cher Präsidents­chaftskand­idat? Warum noch alles offen scheint

- VON KARL DOEMENS

14. September

» 1929 Der US-Ingenieur Philip Drinker stellt eine Apparatur zur künstliche­n Beatmung von Menschen vor, deren Atemmuskul­atur funktionsu­nfähig ist („Eiserne Lunge“).

15. September

» 1939 Als erster deutscher Kriegsdien­stverweige­rer des Zweiten Weltkriegs wird der 29-jährige August Dickmann im Konzentrat­ionslager Sachsenhau­sen hingericht­et.

» 1949 Der Bundestag wählt den CDU-Politiker Konrad Adenauer mit nur einer Stimme Mehrheit zum ersten Kanzler der gerade gegründete­n Bundesrepu­blik Deutschlan­d. » 1959 Regierungs­chef Nikita Chruschtsc­how trifft auf Einladung des US-Präsidente­n Dwight D. Eisenhower als erster sowjetisch­er Politiker nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem Besuch in den USA ein. Washington Es dauert eine halbe Stunde, bis der Dolch gezückt wird. Doch der Angriff kommt von unerwartet­er Seite. Nicht von der ambitionie­rten linken Senatorin Elizabeth Warren, neben der Joe Biden auf der Bühne steht, wird der Favorit unter den demokratis­chen Präsidents­chaftskand­idaten angegangen, sondern von einem Wettbewerb­er, der in den Umfragen mit gerade mal einem Prozent rangiert und so versucht, Aufmerksam­keit zu erlangen.

„Wissen Sie etwa schon nicht mehr, was Sie vor zwei Minuten gesagt haben?“, fährt Julian Castro, der einstige Wohnungsmi­nister von Präsident Barack Obama, dem ehemaligen Vizepräsid­enten ins Wort: „Wissen Sie das schon nicht mehr?“Die Stimme des 44-Jährigen ist aggressiv, der diskrimini­erende Unterton gegen den 76-Jährigen unüberhörb­ar. „Ich vollende das Erbe Obamas, nicht Sie!“, zischt Castro.

Es ist der spannungsr­eichste Moment der fast dreistündi­gen Debatte der zehn aussichtsr­eichsten demokratis­chen Bewerber für das Weiße Haus. Durch verschärft­e Teilnahmeb­edingungen ist die Truppe so geschrumpf­t, dass sie alle zusammen auf der Bühne stehen. Erstmals trifft Biden auf Warren, die viel Zulauf verspürt. In den Umfragen ist sie zuletzt auf 17 Prozent geklettert, der Abstand zu ihm hat sich auf zehn Punkte verkleiner­t.

Doch so unterschie­dlich die kopfgesteu­erte Radikalref­ormerin und der joviale Pragmatike­r in Stil, Inhalt und Strategie sind: Der von vielen Beobachter­n erwartete Showdown bleibt aus. Die Attacken auf Biden überlässt sie anderen.

Ohnehin scheinen sich die meisten Bewerber einen Hauptgegne­r ausgesucht zu haben, an dem sie sich abarbeiten. Für Warren sind es die Großkonzer­ne, die die Politik korrumpier­en. Der einstige texanische Kongressab­geordnete Beto O’Rourke hat die Waffenlobb­y ins Visier genommen. Die frühere Staatsanwä­ltin Kamala Harris, die in der ersten Debattenru­nde noch Biden scharf angegangen war, hat sich inzwischen auf Präsident Trump eingeschos­sen. Und der linke Senator Bernie Sanders arbeitet sich am Kapitalism­us ab.

Inhaltlich erfahren die Zuschauer nichts wirklich Neues. Nach den Massakern von Dayton und El Paso geht es zentral auch um das Waffenrech­t. Das wollen alle Kandidaten verschärfe­n, allerdings unterschie­dlich scharf. Beto O’Rourke erklärt öffentlich, dass er halb automatisc­he Sturmgeweh­re verbieten will. Das ist eine bemerkensw­ert mutige Ankündigun­g in Texas.

Für europäisch­e Zuschauer interessan­t sind die Aussagen zu Handel und Außenpolit­ik. Da wird deutlich, dass die demokratis­chen Präsidents­chaftskand­idaten nicht auf allen Politikfel­dern gänzlich anders als Trump machen würden. Warren und Sanders finden Zölle und Drohungen gegen Handelspar­tner zur Durchsetzu­ng amerikanis­cher Interessen legitim. Und alle Bewerber wollen so schnell wie möglich die US-Soldaten aus Afghanista­n abziehen.

Knapp fünf Monate vor den ersten Vorwahlen spielt nicht zuletzt die Präsentati­on der Kandidaten eine wichtige Rolle. Verschiebu­ngen im Anwärterfe­ld, da sind sich die Beobachter einig, gibt es nicht. Favorit Biden, der in den ersten Debatten teilweise erschrecke­nd schwach und defensiv schien, hat eine starke erste Debattenhä­lfte. Da präsentier­t er sich kraftvoll und entschiede­n. Doch dann scheint seine Konzentrat­ion nachzulass­en: Er verhaspelt sich mehrfach, redet Sanders mit „Herr Präsident“an und fabuliert etwas von Schallplat­tenspieler­n, die man anschalten soll. Doch Biden ist in der Bevölkerun­g populär, und die persönlich­e Schilderun­g des tragischen Tods seiner ersten Frau und zweier Kinder unterstrei­cht seine Menschlich­keit.

 ?? Foto: Eric Gay ?? Die zehn, die demokratis­cher Präsidents­chaftskand­idat werden wollen (von links): Amy Klobuchar, Cory Booker, Pete Buttigieg, Bernie Sanders, Joe Biden, Elizabeth Warren, Kamala Harris, Andrew Yang, Beto O’Rourke und Julian Castro.
Foto: Eric Gay Die zehn, die demokratis­cher Präsidents­chaftskand­idat werden wollen (von links): Amy Klobuchar, Cory Booker, Pete Buttigieg, Bernie Sanders, Joe Biden, Elizabeth Warren, Kamala Harris, Andrew Yang, Beto O’Rourke und Julian Castro.

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