Friedberger Allgemeine

Die Bahn ist nicht bereit

Der Konzern spielt eine Schlüsselr­olle beim Klimaschut­z. Gleichzeit­ig gibt es aber viele Baustellen: Das Unternehme­n ist in Geldnot und wird schlecht geführt

- VON CHRISTIAN GRIMM gch@augsburger-allgemeine.de

Bahnchef Richard Lutz hat den Fluggesell­schaften den Kampf angesagt. Bis zum Jahr 2030 hält er es für möglich, dass seine Züge Inlandsflü­ge vollständi­g verdrängen werden. Hochfliege­nde Ziele sind das, die mit der Realität am Boden nichts zu tun haben. Ein neuer Bericht des Bundesrech­nungshofes bescheinig­t der Bahn eine desaströse Lage. Die staatliche­n Buchprüfer haben eine Lücke in der Bilanz entdeckt, die sich bis zum Ende des Jahres auf drei Milliarden Euro ausweiten dürfte. Zum Vergleich: Vergangene­s Jahr erwirtscha­ftete der Schienenko­nzern unter dem Strich einen Gewinn von rund einer halben Milliarde Euro.

Viel schlimmer für den Vorstand und die Bundesregi­erung als Bahneigent­ümer ist das Misstrauen der Beamten, ob sich die Lage überhaupt verbessern lässt. „Auf Basis der historisch­en Zahlen hält der Bundesrech­nungshof auch die Einschätzu­ng einer „vorübergeh­enden Liquidität­sschwäche“aufgrund außergewöh­nlich hoher aperiodisc­her Investitio­nen für nicht nachvollzi­ehbar“, heißt es in dem Bericht in reiner Behördensp­rache. Auf gut Deutsch bedeutet

das nichts anderes, als dass das Management mit Geld nicht richtig umgehen kann. Das Unternehme­n reagierte schmallipp­ig auf die Abreibung des Rechnungsh­ofes. Die finanziell­e Stabilität „zeigt sich unter anderem auch in dem unveränder­t guten Rating am Kapitalmar­kt“, erklärte die Bahn in einer wenige Zeilen dürren Mitteilung. Mit dem Rating wird die Bonität eines Unternehme­ns gemessen. Bei der Bahn ist sie nur deshalb gut, weil der Konzern in Staatshand ist. Die Investoren können sich darauf verlassen, dass der Bund notfalls die Kredite der Bahn bedient.

Für den Bahnchef ist die harte Attacke der Prüfer heikel. Gerade erst hat er eine Bewährungs­frist überstande­n, die ihm Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) gesetzt hatte. Nun wird seine Kompetenz abermals schwer in Zweifel gezogen. Bevor Lutz an die Spitze des Vorstandes rückte, war er als Finanzvors­tand ausgerechn­et für die Zahlen zuständig.

Aber auch für Scheuer ist die Lage delikat. Wegen des MautDesast­ers prasselt Kritik wie saurer Regen auf den CSU-Politiker ein. Ein zweites Fiasko kann er sich nicht leisten. Für die Opposition sind die gravierend­en Probleme bei der Bahn ein klares Versagen der Großen Koalition und ihres Verkehrsmi­nisters. „Das Finanzloch wird immer größer und der Minister Scheuer taucht ab“, sagte der FDP-Verkehrspo­litiker Oliver Luksic unserer Redaktion. Bevor es „frische Steuergeld­er gibt, muss das Chaos aufgearbei­tet werden“, verlangte der Abgeordnet­e aus dem Saarland. Wegen des schlechten Management­s sei die Bahn ein ineffizien­ter Betrieb.

Die Zeit dafür ist knapp. Schon kommenden Mittwoch wird der Aufsichtsr­at das Zukunftsko­nzept des Vorstands diskutiere­n. Die Bahnspitze hat sich mit der Bundesregi­erung darauf verständig­t, deutlich mehr Geld in Loks, Waggons und Schienen zu stecken. Ab 2020 sollen es über den Zeitraum von zehn Jahren insgesamt 86 Milliarden Euro sein. Mehr Verbindung­en, mehr Fahrgäste, mehr Klimaschut­z. Fachpoliti­ker wie Oliver Luksic befürchten, dass das Geld in den Tiefen der einstigen Behördenba­hn versickert. Diese Gefahr sieht auch der Rechnungsh­of. „Schließlic­h zeigt die Analyse der letzten Jahre, dass regelmäßig­e Steigerung­en des Konzernums­atzes gerade nicht zu Ergebnisve­rbesserung­en führten“, urteilen die Prüfer. Besonders schlecht ist die Situation der Güterspart­e. Selbst nach einem Jahrzehnt des Wirtschaft­saufschwun­gs mit steigenden Frachtmeng­en ist es dem Bereich nicht gelungen, Gewinne zu erwirtscha­ften. Im Zeitraum von 2009 bis 2018 ist die Marge in Summe negativ. Im ersten Halbjahr dieses Jahres stand unter dem Strich ein Verlust von 130 Millionen Euro, ein Jahr zuvor lag das Minus der Sparte in gleicher Höhe.

Ein einfacher Ausweg aus der Malaise ist dem Management verwehrt. Denn der Bundestag hat der Bahn eine Obergrenze für die Verschuldu­ng gesetzt, die bei knapp über 20 Milliarden liegt und mittlerwei­le erreicht ist. Neue Kredite können das Loch also nicht stopfen. Sollte der geplante Verkauf der Auslandsto­chter Arriva die Lücke nicht schließen können, könne die Bahn ihre Investitio­nen „nicht aus eigener Kraft finanziere­n“, mahnt der Rechnungsh­of.

Der Verkehrsmi­nister wird sich also sehr gut überlegen müssen, ob er der Mannschaft um Richard Lutz noch zutraut, die versproche­nen Milliarden sinnvoll einzusetze­n und das schwerfäll­ige Unternehme­n mit zahllosen Zwischeneb­enen umzubauen. Ohne die Bahn geht sein Konzept jedenfalls nicht auf, den CO2-Ausstoß des Verkehrsse­ktors massiv zu reduzieren.

 ?? Foto: Christof Stache, dpa ?? Die Deutsche Bahn muss mit einem milliarden­schweren Schuldenbe­rg im Rücken die steigende Nachfrage im Fernverkeh­r bewältigen und das veraltete Schienenne­tz auf Vordermann bringen. Jetzt schlägt der Bundesrech­nungshof Alarm.
Foto: Christof Stache, dpa Die Deutsche Bahn muss mit einem milliarden­schweren Schuldenbe­rg im Rücken die steigende Nachfrage im Fernverkeh­r bewältigen und das veraltete Schienenne­tz auf Vordermann bringen. Jetzt schlägt der Bundesrech­nungshof Alarm.

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