Ein Leben für „den Daimler“
Als „Hochzeit im Himmel“feierte er selbst die Fusion mit Chrysler – doch der Höhenflug endete abrupt. Nach dem Abgang bei Daimler hat Jürgen Schrempp sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen
Stuttgart/München Einst wurde er als „Rambo in Nadelstreifen“tituliert, er selbst bezeichnete sich als Schachspieler. Der frühere Daimler-Chef Jürgen Schrempp hat gern polarisiert. Er selbst sagte einmal über sich: „Nie grau – immer schwarz oder weiß.“Mit Vollgas steuerte er den Daimler-Konzern in die Chrysler-Fusion – und scheiterte. Seit seinem Rückzug aus dem Vorstand vor 14 Jahren ist es ruhig geworden um den einstigen Star der Autobranche, der an diesem Sonntag seinen 75. Geburtstag feiert.
„Jürgen Schrempp war ein Menschenfänger. Er hatte eine unheimliche Überzeugungskraft“, sagt sein früherer Vorstandskollege Klaus Mangold. „Ich glaube, das war eine seiner großen Gaben, dass er die Menschen für sich einnehmen konnte.“Doch die Zeit der großen Auftritte ist längst vorbei. Die Bitte um ein Interview vor seinem Geburtstag lässt er freundlich, aber direkt ausschlagen.
Schrempp lebt zurückgezogen von der Öffentlichkeit in München. „Dass er sich nach 2005 völlig zurückgezogen hat aus dem deutschen Geschäftsleben, das habe ich als Fehler empfunden“, sagt sein Weggefährte Mangold. „Dem Daimler“hält Schrempp aber nach wie vor die Treue. Jedes Jahr reist er für die Weihnachtsessen an, bei denen sich die amtierenden mit den Altvorständen austauschen.
Der Autobauer war jahrzehntelang sein Leben. Nach seiner Lehre in der Freiburger Mercedes-BenzNiederlassung studierte Schrempp Maschinenbau und ging danach in die Zentrale der Daimler-Benz AG in Stuttgart. Nach Stationen im Inund Ausland beerbte er 1995 seinen Ziehvater Edzard Reuter als Vorstandschef. Schon damals nahm er Wörter wie „Shareholder Value“und Aktienkurs in den Mund. „Dafür wurde er kritisiert. Heutzutage wird das vorausgesetzt und würde niemanden interessieren“, sagt ein früherer Mitarbeiter, der nicht namentlich genannt werden will. Dabei sorgte Schrempp nicht nur verbal für frischen Wind. Nachdem sein Vorgänger Reuter versucht hatte, Daimler zu einem breit aufgestellten Technologiekonzern zu machen, sanierte Schrempp das damals stark angeschlagene Unternehmen und verkaufte fast alles, was nicht zum Autogeschäft gehörte.
1998 gelang ihm die erst als Coup bejubelte Fusion mit Chrysler. Eine „Welt AG“schwebte Schrempp vor – doch am Ende scheiterte er ebenso wie sein Vorgänger, Milliarden wurden verbrannt, und ChryslerAktionäre zerrten ihn vor Gericht.
Nach dem ebenfalls nicht von Erfolg gekrönten Einstieg bei Mitsubishi beugte sich der einst zum „Manager des Jahres“gekürte Schrempp der Kritik der Aktionäre und erklärte 2005 seinen Rücktritt. Obwohl seine Bilanz bei Daimler trotz des Chrysler-Debakels positiv war, werfen ihm Kritiker vor, zu hoch gepokert zu haben. „Anspruch und Wirklichkeit passten nicht zueinander“, sagt der Rüstungskritiker Jürgen Grässlin, der in den 1990er Jahren eine nicht autorisierte Biografie über Schrempp geschrieben hat. „Anfang der 1990er Jahre war er noch ein sozial offener Mensch mit einem Blick für seine Mitmenschen“, beschreibt er seine Treffen mit Schrempp. „Später saß der Global Player vor einem mit einem gehörigen Schuss Arroganz.“
Enge Vertraute sehen das anders. „Jürgen Schrempp war direkt in der Ansprache, aber ein sehr liebenswerter Mensch“, sagt der ehemalige Mitarbeiter. Sein Vorstandskollege Mangold erinnert sich: „Er konnte knochenhart sein, aber auch sehr empathisch.“Er schreibt Schrempp eine hohe soziale Kompetenz zu. „Jürgen Schrempp hat nie vergessen, dass er selbst mal den Blaumann getragen hat. Das hat ihn immer geerdet.“