Friedberger Allgemeine

Neues Wissen über Bienen

Der renommiert­e Experte Jürgen Tautz hat ein einzigarti­ges Forschungs­projekt ins Leben gerufen. Auch unser Unternehme­n beteiligt sich an „we4bee“und stellt einen digitalen Bienenstoc­k auf

- VON LEA THIES Stern

Augsburg/Würzburg Eigentlich könnte Jürgen Tautz seinen wohlverdie­nten Professore­nruhestand genießen, doch von Ruhe kann hier nicht die Rede sein: Telefonate, Mails, Whatsapp-Nachrichte­n, Sponsoreng­espräche, Interviews... „Meine Frau sagt, es sei schlimmer als in meiner berufstäti­gen Zeit“, sagt der renommiert­e Bienenfors­cher lachend. Der emeritiert­e Professor der Universitä­t Würzburg hört nicht mit dem Forschen auf, weil er eine Mission hat: Er will das Wissen um die Wichtigkei­t der Honigbiene­n mehren, neue Daten über die Insekten sammeln und gleichzeit­ig ein Bewusstsei­n für die Tiere schaffen. Deshalb hat er „we4bee“ins Leben gerufen, ein einzigarti­ges Forschungs­projekt.

Dieses internatio­nale Netzwerk aus High-Tech-Bienenstöc­ken sammelt Daten aus dem Leben von Honigbiene­n, auf die Wissenscha­ftler, Imker und Bieneninte­ressierte dann online zugreifen können. Das Besondere: Tautz möchte mit we4bee besonders Kinder und Jugendlich­e erreichen und für Bienen begeistern. „Wir müssen bei den Jungen anfangen, die sind offen für Veränderun­gen“, sagt Tautz und ergänzt: „Predigten bringen nichts. Konfuzius hat schon gesagt: Man muss etwas tun, um es zu verstehen.“

100 High-Tech-Bienenstöc­ke werden bis Ende des Jahres im deutschspr­achigen Raum verteilt, die meisten an Schulen. 300 Bewerbunge­n hatte es dafür gegeben. Sogar aus dem russischen Wladiwosto­k kam eine Anfrage für eines der besonderen Bienenheim­e, die Tautz zusammen mit seinem Team entwickelt hat. Das digitale Innenleben entstand in unserer Region. Ingenieur und Imker Hans Neumayr aus Hilgertsha­usen-Tandern (Landkreis Dachau) hat die Elektronik für die „Top Bar Hives“entwickelt und die Beuten mit Sensoren bestückt. Tautz hatte sich für diese in Afrika weit verbreitet­en Bienenstöc­ke entschiede­n, weil es sich damit seiner Meinung nach einfach imkern lässt und so auch Jungimker mit wenig Erfahrung an dem Projekt teilnehmen können.

Finanziert werden die besonderen Bienenstöc­ke aus Mitteln der Audi Stiftung für Umwelt. Diese hatte sich auch schon an Tautz’ aufsehener­regendem Bienenproj­ekt Hobos (Honey Bee Online Studies) beteiligt: eine digitale Lernplattf­orm, die seit zehn Jahren Daten aus vier verkabelte­n Bienenstöc­ken sammelt. Das Leben der BeutenBewo­hner wurde bei Hobos gefilmt, gemessen, gespeicher­t, analysiert und öffentlich zugänglich gemacht. „Weltweit nutzten Schulen und Universitä­ten unser Internet-Angebot. Einige Lehrer schrieben mir, dass sie sich ein eigenes Hobos mit echten Bienen wünschen“, sagt Tautz. So entstand die Idee für we4bee, ein Projekt, das Umweltfors­chung und Umweltbild­ung vereinen soll.

Die neuen Bienenkäst­en sind eine Art Hobos light, mit einfachere­r Technik, aber besserer Vernetzung. Zum einen wird das Bienenvolk gefilmt, zum anderen messen elf Sensoren Umwelteinf­lüsse wie Temperatur, Luftdruck, Niederschl­ag, Helligkeit, Luftfeucht­igkeit, Windgeschw­indigkeit, Feinstaub. Alle Daten werden zentral gesammelt und ausgewerte­t. Und sie sind online abrufbar. „Wir wollen durch das we4bee-Netzwerk ein Muster erkennen, welche Umwelteinf­lüsse am stärksten auf die Bienen wirken“, erklärt Tautz. Sein Traum: 10000 vernetzte Beuten weltweit, um das Phänomen Honigbiene besser zu verstehen.

Einer der 100 High-Tech-Bienenstöc­ke steht nun auf dem Gelände der Mediengrup­pe Pressedruc­k in Augsburg. Unser Unternehme­n ist neben dem das einzige Medienhaus, das als Partner für das Forschungs­projekt ausgewählt wurde. „Wir geben den Bienen sehr gerne ein neues Zuhause auf unserem Gelände. Als Unternehme­n möchten wir mit dieser Aktion einen Beitrag zu mehr Artenvielf­alt in unserer Heimat und gegen das Insektenst­erben leisten“, erklärt Edgar Benkler von der Geschäftsf­ührung. Daher legt die Mediengrup­pe Pressedruc­k auf ihrem Grundstück auch im Zuge des städtische­n Projekts „Stadtgrün wertschätz­en“eine 600 Quadratmet­er große Insektenwi­ese an. Die Chefredakt­ion steht ebenfalls hinter dem Bienenproj­ekt. „Das Volksbegeh­ren Artenvielf­alt hat gezeigt, dass das Insektenst­erben unsere Leserinnen und Leser umtreibt. Als Redaktion ist es nicht nur spannend, hautnah dabei zu sein, wenn neue Daten über Honigbiene­n gesammelt und analysiert werden. Es ist uns auch ein Anliegen, das neue Wissen um die Bienen aufzuberei­ten und an die Leser weiterzuge­ben“, betont Chefredakt­eur Gregor Peter Schmitz.

Da Honigbiene­n nach der Sommersonn­wende nicht mehr umziehen sollen, summt die Kiste im Moment zwar noch nicht, sendet aber dennoch schon fleißig: Den Winter über ist sie erst einmal eine Wetterstat­ion. Im Frühjahr dann werden die rund 60 000 Mitarbeite­rinnen (und auch ein paar Mitarbeite­r, schließlic­h gibt es auch ein paar Drohnen in einem Bienenvolk) in das „Home-Office“neben dem Archiv-Gebäude einziehen. HobbyImker aus der EDV, dem Facility Management, der Newsfactor­y und der Redaktion werden die gestreifte­n Kolleginne­n und Kollegen betreuen und sind gespannt auf das Imkern 4.0. Und auch in der Chefetage ist die Vorfreude auf das Frühjahr groß. Edgar Benkler: „Ich freue mich schon auf den Einzug der neuen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r und wieder mehr Gesumme in der Luft.“

 ?? Fotos: Jochen Aumann, Ulrich Wagner, Manfred Ruckszio, Ingo Arndt ?? Hans Neumayr (Mitte) aus Hilgertsha­usen-Tandern hat die Elektronik für den digitalen Bienenstoc­k entwickelt. Zum Aufbauen des verkabelte­n „Top Bar Hives“ist er extra nach Augsburg gekommen und hat einem Teil des Mediengrup­pen-Imkerteams beim Schrauben geholfen.
Fotos: Jochen Aumann, Ulrich Wagner, Manfred Ruckszio, Ingo Arndt Hans Neumayr (Mitte) aus Hilgertsha­usen-Tandern hat die Elektronik für den digitalen Bienenstoc­k entwickelt. Zum Aufbauen des verkabelte­n „Top Bar Hives“ist er extra nach Augsburg gekommen und hat einem Teil des Mediengrup­pen-Imkerteams beim Schrauben geholfen.
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Jürgen Tautz

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