Jedem Kanonenrohr gab er zärtliche Namen
History-Slam Fünf junge Wissenschaftler kramen im Wettstreit allerlei Kuriositäten über Kaiser Maximilian heraus
Was für ein Kaiser! Der Augsburger Conrad Peutinger sollte Maximilian über 100 griechische Frauennamen auflisten, nach denen er seine geliebten Kanonen benennen wollte. Er nannte sich nicht nur den letzten Ritter, sondern auch den ersten Geschützmeister und befleißigte sich, selbst „die gräulichste“Feldschlange zu erfinden, die mit ihrem Schuss ganze Schlösser niederlegen könne. Funktioniert hat’s laut dem Historiker Marius Mutz nicht. „Aber schon der Einfall zählte – wie bei seinem Zeitgenossen Leonardo da Vinci.“
Solche Kuriositäten förderte am Donnerstagabend der History-Slam der Fugger-Stiftungen im Maximilianmuseum zutage. In launigen Reden sahen sich fünf Nachwuchswissenschaftler die Selbstinszenierung des „Medienkaisers“Maximilian I. an. Mit Krone, Harnisch, Schwert und Szepter ließ er sich abbilden, am wichtigsten war ihm aber die Adlernase als Ausweis seines edlen Charakters – und seiner virilen Lendenkraft, wie die Kunsthistorikerin Heidrun Lange-Krach, die auch die stark beachtete Augsburger Ausstellung kuratiert hat, süffisant anmerkte. Maximilian war sehr besorgt um sein Ego und stellte es zur Schau.
Seine Lebensführung mutet richtig modern an – vor allem wenn der Altgermanist Dennis Wegener in schnoddrigen Jugendslang übersetzt, was Maximilian verschlüsselt im „Theuerdank“erzählt. Bei Lady M., der Herzogin von Burgund, „ging’s mir nur um die Kohle. Ich wollte König werden, dazu brauchte ich Money.“Doch es stellten sich Hindernisse in den Weg: Drei finstere Gesellen, die zur Strecke gebracht werden mussten, und jede Menge gefährliche Situationen, darunter allein 15 Gamsjagden im Gebirge.
Bei Lady M. blieb’s nicht. Bianca Maria Sforza aus Mailänder Dynastie musste ihm den Zugang zur römischen Kaiserkrone ebnen – auf dass er als ein zweiter Augustus dem Imperium ewigen Frieden schaffe. Direkt aus der Antike hat Maximilian diese Idee ausgeliehen, enthüllte der Altphilologe Dennis Pulina. Die Sache mit seinem Kampf gegen die Donau – der Kaiser stößt im Feldzug gen Donauwörth seinen Speer in die wütenden Wassermassen und verbündet sich mit Jupiter und Feuergott Vulcanus gegen die widerspenstige Flussgottheit – hat er auch bloß aus Homers Ilias in der Rolle des Achilles abgeschrieben.
Musikalisch war der Habsburger auf der Höhe seiner Zeit. Im großen Holzschnitt-Druck „Der Triumphzug“ließ er fünf Wägen die höfische Musik mitziehen. „Aber Max spielt uns Streiche und ich, Moritz, muss es ausbaden“, beklagte sich der Musikwissenschaftler Moritz Kelber. Die Beschriftung der Musikerporträts führt in die Irre und narrt noch heute die Experten. Dafür haben die Zugtiere einiges zu erzählen, besonders das Dromedar vor der Orgel: Es bilde in der Brunft einen Brüllsack aus – was Moritz Kelber sofort auch hören ließ. Bekränzt mit dem Lorbeer des Poeten bildet das Dromedar frei improvisierend die ideale zweite Stimme zum Organisten. Die hatte Maximilian zuweilen dringend nötig. 1496 musste der tanzwütige Monarch monatelang auf seine Pfeifer verzichten; er hatte sie hoch verschuldet in Worms verpfändet.
In seinen Memo-Büchern führte Maximilian zwar die Rubrik Finanzerei über Schuldner an ihn – „aber sie blieb meistens leer“, erzählte Heidrun Lange-Krach. Dafür notierte der Kaiser, dass Birnensaft gegen nächtlichen Brand helfe – aber ohne Fruchtfleisch, denn das erzeuge Hitzen im Bauch. Überhaupt solle man nur ein halbes Frühstück zu sich nehmen, „denn am Morgen ist der Magen ein Dieb“. Der „Weiskunig“– ein weiterer Buchtitel Maximilians – konnte recht banal sein.
Wem sollte man den Pokal verleihen bei so viel unterhaltsamer Kompetenz? „Es gibt keinen Sieger, jeder Slammer für sich hat seine Faszination“, befand Alexandra Fürstin Fugger-Babenhausen am Ende anerkennend. Doch Moderator Horst Thieme bestand auf dem Urteil des Publikums („Sie müssen Lärm machen für den Sieger Ihres Herzens“). So trug im Wimpernschlag-Finale Heidrun Lange-Krach die begehrte Trophäe davon.