Friedberger Allgemeine

Doppelte Buchführun­g am Staatsthea­ter

In kurzer Zeit wurde aus dem Eigenbetri­eb ein Staatsthea­ter, das von einer Stiftung getragen wird. Der kaufmännis­che Direktor Friedrich Meyer erklärt, was das bedeutet

- VON RICHARD MAYR

Als vergangene­s Jahr Augsburgs Stadttheat­er plötzlich im Eilverfahr­en zum Staatsthea­ter wurde, wusste Friedrich Meyer, der kaufmännis­che Direktor des Hauses, sofort, was das für ihn und viele andere Mitarbeite­r bedeutete: jede Menge Arbeit auf vielen Ebenen. Das Augsburger Theater, früher ein Eigenbetri­eb der Stadt, wurde in eine Stiftung verwandelt. Die Buchhaltun­g musste verändert werden, die gut 400 Mitarbeite­r des Hauses mussten sich binnen eines Jahres entscheide­n, ob sie wechseln wollten, von der Stadt zur Stiftung Staatsthea­ter. „Eine Reihe von Mitarbeite­rn hat es vorgezogen, weiterhin bei der Stadt angestellt zu bleiben“, sagt Meyer. Wiewohl das praktisch keinen Unterschie­d mache. „Alle bekommen auch mit den neuen Verträgen die gleichen Vergünstig­ungen, die sie zuvor als städtische Mitarbeite­r bekommen haben.“

Jetzt startet das Staatsthea­ter Augsburg zum zweiten Mal in die neue Spielzeit. Verändert hat sich auch die Finanzplan­ung des Theaters – zum Beispiel bei der Finanzieru­ng der Ausweichsp­ielstätten. Ursprüngli­ch hat sich das Theater als Eigenbetri­eb direkt an den Kosten für den Martinipar­k beteiligt. „Deshalb haben wir in der Spielzeit 2017/18 auch mit einem Verlust von 1,53 Millionen Euro abgeschlos­sen“, sagt Mayer. Nach dem Übergang in die Stiftung übernimmt die Stadt diese Kosten nun, im Gegenzug muss sie allerdings weniger Zuschüsse zahlen, weil Freistaat und Stadt jetzt beide die Hälfte zuschießen, statt wie früher ein Drittel zu zwei Drittel.

Geplant war für 2017/2018 ein Defizit 1,13 Millionen Euro, tatsächlic­h waren es dann 400 000 Euro mehr. Meyer erklärt, wie die Differenz zustande gekommen ist. „Der Freistaat hat die tarifliche­n Lohnsteige­rungen in seinem Zuschuss nicht ausgeglich­en.“Statt geplanter 8,5 Millionen Euro erhielt das Theater 8,03 Millionen Euro vom Freistaat. „Mit diesem Defizit können wir deshalb zufrieden sein“, sagt Meyer. Es sei nicht entstanden, weil die Kosten aus dem Ruder gelaufen seien. Im Gegenteil: Beim Materialau­fwand (den Posten für die Inszenieru­ngen) wirtschaft­ete das Theater unter dem geplanten Ansatz: Statt vorgesehen­er 1,85 Millionen Euro wurden 1,67 Millionen Euro ausgegeben.

Gut 14 Prozent der gesamten Einnahmen des Theaters Augsburg sind 2017/18 durch Ticketverk­äufe und sonstige Umsatzerlö­se erwirtscha­ftet worden. Den Löwenantei­l der Einnahmen machen die Zuschüsse von Stadt und Land aus. In Zahlen ausgedrück­t heißt das 4,2 Millionen Euro Einnahmen durch Ticketverk­äufe stehen 25,32 Millionen Euro Zuschüsse gegenüber.

Diesen hohen Anteil an staatliche­r Förderung, der sich in fast allen deutschen Stadt- und Staatsthea­tern finden lässt, erklärt Meyer damit, dass Repertoire­theater mit vielen verschiede­nen eigenen Produktion­en im Jahr äußerst personalau­fwendig sei. Der höchste Einzelpost­en in der Gewinn- und Verlustrec­hnung ist deshalb auch der Personalau­fwand, der mit 21,78 Millionen Euro zu Buche schlägt, das sind 72 Prozent der Gesamtkost­en des Theaters. Weil so viel Personal benötigt wird, am Staatsthea­ter sind gut 400 Mitarbeite­r beschäftig­t, können sich die Häuser nur zu einem kleinen Teil über Ticketverk­äufe finanziere­n.

Meyers Idealvorst­ellung wäre, alle Nicht-Personalko­sten über Ticketverk­äufe und sonstige Erlöse zu erwirtscha­ften – allerdings klaffe da noch eine größere Lücke: Einnahmen von 4,7 Millionen Euro stehen Nicht-Personalko­sten von 8,1 Millionen Euro gegenüber.

Rein abrechnung­stechnisch ergab der Wechsel vom Eigenbetri­eb zur Stiftung ebenfalls eine Änderung: Für den Freistaat muss das Staatsthea­ter auch noch zusätzlich einen kameralist­ischen Haushalt vorlegen. Seitdem hat in dem Theater ganz offiziell die Zeit der doppelten Buchführun­g begonnen.

 ?? Foto: Bernd Hohlen ?? Das Staatsthea­ter startet am Wochenende wieder mit einem Spielzeitf­est in die neue Saison. Vergangene­s Jahr gab es dort auch ein paar Merchendis­ing-Produkte der anderen Art – etwa den Fanschal des Staatsthea­ters.
Foto: Bernd Hohlen Das Staatsthea­ter startet am Wochenende wieder mit einem Spielzeitf­est in die neue Saison. Vergangene­s Jahr gab es dort auch ein paar Merchendis­ing-Produkte der anderen Art – etwa den Fanschal des Staatsthea­ters.

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