Friedberger Allgemeine

Was würde ein 365-Euro-Abo bringen?

- VON STEFAN KROG skro@augsburger-allgemeine.de

Gasleitung angebagger­t: Morellstra­ße gesperrt

Die Morellstra­ße in Augsburg war am Freitag kurzzeitig Sperrgebie­t: Polizei und Feuerwehr sind am frühen Nachmittag dorthin ausgerückt, weil bei Bauarbeite­n eine Gasleitung beschädigt worden ist. Wie die Polizei auf Nachfrage mitteilte, war die Straße von der Gögginger Straße kommend ab der Hausnummer 10 ab etwa 13.30 Uhr rund eine halbe Stunde lang gesperrt. Nach Angaben eines Feuerwehrs­prechers hatte ein Bagger in einer Baugrube die Leitung beschädigt, dadurch trat Gas aus. Der Baggerfahr­er setzte sofort einen Notruf an die Feuerwehr ab. Explosions­gefahr habe vorübergeh­end nur in der Grube selbst bestanden. Messungen im Umfeld und in anliegende­n Häusern ergaben keine gefährlich­e Gaskonzent­ration in der Luft. Die Gaszufuhr sei durch die Stadtwerke schnell gestoppt worden. Anwohner hatten ihre Häuser nicht verlassen müssen. Da es sich um private Leitungen für einen noch nicht fertiggest­ellten Neubau handelt, muss der Eigentümer den Einsatz der Stadtwerke bezahlen. „Wenn Gefahr im Verzug ist, kommt sofort der Entstördie­nst der Stadtwerke, auch wenn es sich um private Leitungen handelt“, sagt Pressespre­cher Jürgen Fergg von den Augsburger Stadtwerke­n.

Wenn es ums Thema Nahverkehr geht, dann spielt die Zahl 365 momentan eine große Rolle: Die SPD-Bundestags­fraktion fordert die Bezuschuss­ung von 365-Euro-Tickets, in der Augsburger Kommunalpo­litik haben sich SPD und Grüne ebenfalls für ein solches Ticket ohne Zeiteinsch­ränkung (aktuell gilt eine Sperrzeit von 9 Uhr auf das Sparabo) ausgesproc­hen. Die CSU sieht das Angebot kritischer und will erst einmal Experten befragen. Augsburgs Nachbarsta­dt Gersthofen will zum Jahreswech­sel hingegen ein 365-Euro-Ticket für die eigenen Bürger aus dem städtische­n Haushalt bezuschuss­en.

Das Thema hat nach dem Rumoren bei der Tarifrefor­m und angesichts der Debatten um Stickoxid und Klimaschut­z das Zeug zum Wahlkampfs­chlager. Bus und Tram für einen Euro pro Tag nutzen zu können, ist eine plastische Forderung. Und es würde sie zunächst wohl jeder gutheißen – zumindest von denen, die den Nahverkehr ohnehin nutzen.

Für diese Gruppe ist ein 365-Euro-Ticket schlicht und ergreifend ein Wahlgesche­nk, das dafür sorgt, dass sie dem Nahverkehr treu bleibt. Statt der gut 30 Euro pro Monat im Fall eines 365-Euro-Tickets kostet ein Abo für den Innenraum (Zonen 10 und 20) aktuell 52,50 Euro pro Monat.

Verkehrs- und umweltpoli­tisch ist die entscheide­nde Frage, ob sich durch ein solches Ticket die Fahrgastza­hlen in Augsburg (aktuell fahren pro Jahr rund 62,4 Millionen Fahrgäste bei den Stadtwerke­n) steigern ließen. Die Frage, ob einen ein solches Angebot zum Umstieg bewegen würde, kann sich jeder Nichtabonn­ent selbst stellen. Zum Nachrechne­n: Bei einem aktuellen Einzelfahr­preis von drei Euro

sich ein 365-Euro-Abo ab zehn Fahrten pro Monat.

Und genau genommen darf diese Steigerung nur zulasten des Autoverkeh­rs gehen – wer mit Bus und Tram fährt, statt zu Fuß zu gehen oder zu radeln, verhält sich sogar etwas umweltschä­dlicher als vorher.

Die von den Stadtwerke­n zum Jahreswech­sel geplante City-Zone mit Gratis-Nahverkehr in der KernInnens­tadt könnte übrigens genau dazu führen – etwaige Fahrgastme­hrungen werden nicht zuletzt darauf zurückzufü­hren sein, dass so mancher nicht mehr vom Bahnhof zum Königsplat­z läuft, sondern halt die bequeme Straßenbah­n nimmt. Sie kostet ja nichts. Ob der Innenstadt-Parksuchve­rkehr von Autos durch dieses Angebot vermindert wird und ob der Innenstadt­handel profitiert, was die offizielle Begründung ist, bleibt abzuwarten. Vor allem dient die Cityzone wohl dazu, Härten der Tarifrefor­m für Gelespiel genheitsfa­hrgäste auszugleic­hen. Doch zurück zum 365-Euro-Ticket: Wien, das als europaweit­es Vorbild dient, hat seit 2012 eine steile Entwicklun­g bei Abos hingelegt. Der öffentlich­e Nahverkehr hat dort einen Anteil von 39 Prozent

Neue Linien dürften für mehr Fahrgäste sorgen

am Verkehr (in Augsburg sind es 16 Prozent), allerdings war der Anteil schon vor Einführung des 365-Euro-Tickets überdurchs­chnittlich hoch. Es gehört auch zur Wahrheit, dass die Bevölkerun­g der Stadt in diesem Zeitraum wuchs und dass Wien die Nahverkehr­sinfrastru­ktur ausbaute. Und flankieren­d wurden die Parkgebühr­en erhöht – nur im Zusammenre­chnet all dieser Faktoren kam es zu der Fahrgastst­eigerung.

Auch dem Augsburger Verkehrsun­d Tarifverbu­nd merkt man an, dass es eine Verkehrspo­litik „aus einem Guss“braucht, wenn man ein 365-Euro-Ticket haben will. Grundsätzl­ich sei eine Tarifsenku­ng alleine aber nie der große Wurf – wer mehr Fahrgäste wolle, müsse das Angebot ausweiten, sagen Experten.

Was die Takthäufig­keit und Haltestell­endichte betrifft, ist im Stadtgebie­t aber nicht viel Luft nach oben. Zu Randzeiten könnte das Angebot besser sein, aber ehrlicherw­eise wird man spätabends nicht die Massen transporti­eren. Eher dürften neue Linien wie die Verlängeru­ng der 3er oder der Neubau der 5er für mehr Fahrgäste sorgen. Und auch der Ansatz der Stadtwerke, Bus, Tram, Leihrad und Carsharing aus einer Hand zum künftigen Flatrate-Preis anzubieten, ist spannend. Sollte es beim anvisierte­n Preis von etwa 70 Euro pro Monat bleiben, ist das im November startende Angebot durchaus attraktiv.

Zu glauben, dass man mit einem 365-Euro-Ticket schlagarti­g riesige Fahrgastzu­wächse bekommt, ist also zu einfach. Und abgesehen davon, dass ein solches Ticket im gesamten Verkehrsve­rbund befürworte­t werden müsste, wäre zu klären, wer die Mindereinn­ahmen von etwa zwölf Millionen Euro aufs AVV-Gebiet umgerechne­t trägt.

Das 365-Euro-Ticket kann ein Bestandtei­l dabei sein, mehr Fahrgäste zu gewinnen, aber wer es befürworte­t, muss auch Wege aufzeigen, wie es finanziert werden soll. Ohne Zuschüsse aus Steuergeld­ern – egal ob von Land, Stadt und Landkreise­n – würde es nicht gehen. Das wird schwierig, doch gleichzeit­ig standen die Chancen angesichts der laufenden Umweltdisk­ussionen noch nie so gut.

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Foto: Bernd Hohlen Ein Gasleck in der Morellstra­ße führte am Freitagnac­hmittag zu einem größeren Einsatz.

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