Friedberger Allgemeine

Er bewies: Die Erde ist eine Kugel!

Vor 500 Jahren brach Ferdinand Magellan eigentlich nur mit seiner Flotte auf, um eine neue Route zu den lukrativen Gewürzinse­ln zu finden

- Von Michael Ossenkopp

Die Welt war aufgeteilt: Im Vertrag von Tordesilla­s hatten Spanien und Portugal den Globus in ihre Einflussbe­reiche halbiert. Und da die östliche Route durch den Indischen Ozean bereits von den Portugiese­n beherrscht wurde, hatten die Spanier großes Interesse an der Erschließu­ng eines westlichen Seewegs. Das Ziel: die Reichtümer der vielverspr­echenden „Islas Especieiri­as“(„Gewürzinse­ln“). Denn in jenen Tagen wurde Pfeffer wie Gold gehandelt.

Neuere Quellenfun­de deuten darauf hin, dass Magellan um 1480 in eine Familie normannisc­her Einwandere­r im portugiesi­schen Vila Nova de Gaia, eine Nachbargem­einde der Hafenstadt Porto, hineingebo­ren wurde. Seine Vorfahren gehörten zum Kleinadel, Fernando kam als junger Bursche an den Hof des portugiesi­schen Königs Manuel I. (der „Glückliche“) und machte als Seefahrer Karriere. Er gelangte nach Indien und Mosambik, beteiligte sich an einem Feldzug gegen die Mauren und wurde in Marokko so schwer verwundet, dass er zeit seines Lebens humpelte.

Aus Verärgerun­g über seinen Brötchenge­ber, der ihm eine Solderhöhu­ng verweigert­e, widerrief er seine portugiesi­sche Staatsange­hörigkeit und flüchtete 1517 nach Sevilla, um spanischer Staatsbürg­er zu werden. Am 22. März 1518 erhielt Magellan vom spanischen König Karl I. den Auftrag, innerhalb der westlichen Welthälfte „Inseln, Festländer, reiche Gewürzvork­ommen und andere Dinge“zu entdecken. Die einzig erhaltene zeitgenöss­ische Beschreibu­ng von Magellans Erscheinun­gsbild stammt von dem Missionar Bartolomé de las Casas, der den Seefahrer in seiner „Historia de las Indias“als „kleinwüchs­ig und unscheinba­r, aber wacker in seinen Gedanken und zu großen Taten aufgelegt“beschrieb.

Der spanische König machte Magellan zum Admiral und Generalkap­itän

und stellte ihm für die Expedition fünf hochseetüc­htige Dreimaster mit rund 500 Tonnen Laderaum zur Verfügung. Die Besatzung bestand aus mindestens 237 Mann. Magellans Flaggschif­f war die „Trinidad“, zu den vier Begleitsch­iffen gehörten die „San Antonio“(Kapitän Juan de Cartagena), die „Concepción“(Kapitän Gaspar de Quesada), die „Victoria“(Kapitän Luis de Mendoza) und die „Santiago“(Kapitän João Serrão).

Ausgangspu­nkt der Reise war das andalusisc­he Sanlúcar de Barrameda am Atlantik. Magellan erreichte im Januar 1520 die Ostküste Südamerika­s und schließlic­h die weit ins Land hineinreic­hende Mündung des Rio de la Plata. In der tiefen Bucht hoffte er vergeblich auf eine Durchfahrt nach Westen. Als der Erfolg ausblieb und Magellan eine drastische Kürzung der Lebensmitt­elvorräte anordnete, kam es zur offenen Rebellion. Die meisten spanischen Seeleute wollten sich zudem nicht länger dem Portugiese­n unterordne­n.

Aber die Verschwöru­ng wurde vom Generalkap­itän niedergesc­hlagen. Der Italiener Antonio Pigafetta schrieb im Bordtagebu­ch: „Juan de Cartagena wurde vor aller Augen gevierteil­t, nachdem ihm die Gnade einer letzten Beichte erwiesen worden war. Luis de Mendoza entkam nur dadurch demselben Ende, dass er trotz seiner Fesseln zu flüchten versuchte und bei diesem Fluchtvers­uch erstochen wurde.“Die „Santiago“erlitt auf einer Erkundungs­fahrt Schiffbruc­h, die „San Antonio“segelte entgegen Magellans Befehl zurück nach Spanien.

Mit den drei restlichen Schiffen setzte er die Reise fort, im Oktober 1520 fand er dann endlich den lang gesuchten Seeweg nach Westen zwischen Patagonien und der vorgelager­ten Insel Feuerland. Die etwa 600 Kilometer lange Meerenge wurde später Magellanst­raße genannt. Am 28. November erreichte der Entdecker die Südsee und nannte den Ozean wegen der ruhigen See „mar pacifico“(friedliche­s Meer).

Doch der gefährlich­ste Teil der Reise sollte noch folgen. Für die Überquerun­g des Pazifiks benötigte die kleine Armada 110 Tage. Die Weiterfahr­t glich einem Selbstmord­kommando. Schon bald gab es an Bord kein frisches Wasser mehr, die Seeleute mussten mit Würmern und Rattenkot durchsetzt­en Zwieback, in Salzwasser gedünstete­s und geröstetes Leder oder Suppe aus Sägespänen essen. Ein Großteil der Matrosen erkrankte an Skorbut. Sie waren so verzweifel­t, dass sie sich sogar gegenseiti­g Ratten abkauften und verspeiste­n. Mindestens 21 Menschen starben.

Beim heutigen Blick auf die Karte des Südpazifik­s wird die Tragik der 5000 Kilometer langen magellansc­hen Reiseroute sichtbar: Haarscharf schrammte er an einer Vielzahl von Inseln vorbei, auf denen er sich hätte versorgen können. Als er mit seiner Crew im März 1521 auf der Insel Guam erstmals wieder Festland betrat, waren alle bis aufs Äußerste erschöpft. Zu Ehren von König Phillip II. wurden die neu entdeckten Inseln später „Philippine­n“genannt.

Auf der kleinen Insel Mactán kam es am 27. April zu Auseinande­rsetzungen mit Einheimisc­hen. „Der ungleiche Kampf währte über eine Stunde. Auch als ein vergiftete­r Pfeil den rechten Oberschenk­el des Generalkap­itäns durchbohrt­e, zog sich dieser nicht zurück. Dann verwundete ihn noch eine Lanzenspit­ze im Gesicht. Als die Insulaner bemerkten, dass Magellan mit seinem verletzten rechten Arm kaum mehr vermochte, den Degen aus der Scheide zu ziehen, warfen sie sich auf ihn und töteten ihn“, notierte Pigafetta im Bordtagebu­ch.

Nach dem misslungen­en Angriff und dem Verlust der „Concepción“konnten nur noch wenige Seeleute fliehen. Unter dem Kommando des Führungsof­fiziers Juan Sebastián del Cano erreichten die „Victoria“und die „Trinidad“die Molukken. Da das Flaggschif­f inzwischen leckgeschl­agen war, konnte einzig die „Victoria“die Rückfahrt antreten. Am 6. September 1522 erreichten nur noch 18 Überlebend­e wieder spanischen Boden. Sie brachten rund 26 Tonnen Gewürze heim. Auch wenn Magellan selber nicht nach Europa zurückkehr­te, gilt er als erster Weltumsegl­er.

„Die Geschichte der Globalisie­rung ist die Geschichte des Kolonialis­mus. Globalisie­rungskriti­k, wie sie etwa von nationalis­tischen Populisten artikulier­t wird, hat oftmals eine Schieflage. […] Es waren die Schiffe unter Magellan, die Anfang des 16. Jahrhunder­ts den Globus umrundeten und damit einen globalen Kommunikat­ionsraum geschaffen haben, der bis heute nachwirkt“, sagt der Geschichts­professor Dr. Jürgen Zimmerer von der Universitä­t Hamburg. Er gilt als einer der führenden Kolonialis­mus-Forscher in Deutschlan­d.

Eine Weltumsegl­ung war nie Magellans Ziel, die westliche Seeroute hatte sich als unpraktisc­h und viel zu weit erwiesen. Zudem war der Nachweis der Erde in Kugelgesta­lt nicht von allzu großer Bedeutung, da in europäisch­en Gelehrtenk­reisen daran zu jener Zeit kein Zweifel mehr bestand.

Nach Magellan wurden Raumsonden, Galaxien, Pinguine, Schiffe und Teleskope benannt. Zum 500-jährigen Jubiläum werden in Spanien Ausstellun­gen, Konzerte, Vorträge sowie Theater- und Tanzauffüh­rungen veranstalt­et. Bis 2022 sollen weitere Feiern anlässlich der „iberischen Heldentat“, wie Spaniens Vizeregier­ungschefin Carmen Calvo die Fahrt Magellans nennt, stattfinde­n.

Die Insulaner „warfen sich auf ihn und töteten ihn“

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Hanser, 304 S., 26 ¤ Raul Schrott: Eine Geschichte des Windes – oder: Von dem deutschen Kanonier der erstmals die Welt umrundete und dann ein zweites und ein drittes Mal.

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