Italienerin mit Migrationshintergrund
Als Nachtschattengewächs ist sie eine Verwandte der Kartoffel. Aber die Wurzeln dieser Verwandtschaft gehen noch tiefer. Beide, die Kartoffel und die Tomate, sind von Hause aus Amerikanerinnen. Die lange Reise der Kartoffel nach Europa ist an dieser Stelle schon beschrieben worden. Die Tomate hat eine ebenso abenteuerliche Reise hinter sich, ehe sie vor allem im Süden Europas die Speisezettel und Tische eroberte. So italienisch die inzwischen weltweit geschätzten Spaghetti mit Tomatensoße sind: Die alten Römer konnten von dieser schlichten Köstlichkeit nicht einmal träumen.
Aber die Mayas und die Azteken hatten die Tomate schon lange auf ihrem Speiseplan. Der erste Europäer, der ihrer ansichtig wurde, soll Christoph Kolumbus gewesen sein. Aber der hatte kein Interesse an exotischen Speisen. Die späteren Konquistadoren schauten genauer hin. So gelangte Anfang des 16. Jahrhunderts die Tomate nach Europa und brachte ihren Namen mit. „Tomatl“hieß das Gewächs in der NahuatlSprache Mittelamerikas. In Europa diente sie, wie die Kartoffel, zunächst nur als Zierpflanze. Man traute sich noch nicht, die womöglich giftige Zugereiste zu verspeisen.
Einige Tomaten verschlug es nach Deutschland, aber Italien wurde der Tomaten-Pionier. Dort entstand 1544 die erste wissenschaftliche Abhandlung über die Tomate. Ein gewisser Pietro Andrea Mattioli beschrieb sie und gab ihr einen neuen, poetischen Namen: goldener Apfel. Weshalb sie südlich der Alpen bis heute pomodoro heißt. Italiener trauten sich auch als Erste, die goldenen Äpfel zu essen – ohne bleibende Schäden. Das sprach sich herum. So drang die Tomate auf die Tische der kühleren Regionen Europas vor.
Es ist eine Ironie der Geschichte, dass die frühen Entdecker wie wild nach den kostbaren Gewürzen in Fernost jagten, während die bescheideneren Schätze, die ganz Europa eroberten, Kartoffel und Tomate hießen. Die graue Kartoffel regte niemanden zu romantischen Wortschöpfungen an. Erdapfel – poetischer wurde es für sie nicht. Die leuchtend rote Tomate aber, die schon Pietro Mattioli als goldener Apfel verzauberte, brachte es zum Liebesapfel, ja sogar zum Paradiesapfel, in Österreich Paradeiser genannt. Auch sprachlich machte die schlichte Pflanze mit Migrationshintergrund eine stolze Karriere.