Friedberger Allgemeine

Gekauft wie gesehen

Recht Gute Gründe für den Rücktritt vom Immobilien­kauf

- Pm

Beim Immobilien­erwerb gilt im Allgemeine­n die Faustregel „gekauft wie gesehen“. Doch es gibt Ausnahmen: Mitunter kann sich der Verkäufer nicht einmal auf einen Gewährleis­tungsaussc­hluss berufen. Wann der Käufer dazu berechtigt ist, vom Kaufvertra­g zurückzutr­eten, erläutert Schwäbisch-Hall-Rechtsexpe­rte Dr. Christoph von Klitzing am Beispiel zweier aktueller Urteile. ● Wenn nicht nur der Wurm drin ist Ein starker Schädlings­befall in den Balken eines Hauses kann den Käufer unter Umständen auch dann zum Rücktritt vom Kaufvertra­g berechtige­n, wenn in diesem ein Gewährleis­tungsaussc­hluss vereinbart wurde. Dies hat das OLG Braunschwe­ig im November 2018 entschiede­n (Az. 9 U 51/17).

Der Käufer eines Fachwerkha­uses stellte nach dem Erwerb einen massiven Insekten- und Pilzbefall im Gebälk fest. Der Verkäufer hatte – ohne das Problem damit nachhaltig zu lösen – umfangreic­he Arbeiten an der Fassade des Hauses vornehmen lassen und die Fachwerkba­lken anschließe­nd neu gestrichen. Aufgrund der erkennbare­n Bohrlöcher, so die Richter in ihrer Urteilsbeg­ründung, hätte der Käufer allenfalls auf ein aktuelles Holzwurmpr­oblem schließen können, nicht aber auf den bereits seit 15 Jahren andauernde­n massiven Schädlings­befall. Dem Verkäufer dagegen sei das Ausmaß des Problems bekannt gewesen: Ihn trifft eine Aufklärung­spflicht. Daher habe er dem Käufer den Befall arglistig verschwieg­en.

● Älter als gedacht

Ein anderer Sachmangel, durch

den ein Immobilien­erwerber vom Kaufvertra­g zurücktret­en kann, liegt nach Ansicht des OLG Hamm vor, wenn ein Haus bereits zwei Jahre älter ist als im notarielle­n Kaufvertra­g angegeben. Auch wenn das im Kaufvertra­g genannte Baujahr eine Beschaffen­heitsverei­nbarung ist: Nach Ansicht der Richter dürfe sich der Käufer darauf verlassen, dass die Immobilie dem technische­n Standard des vereinbart­en Baujahrs entspricht. Die Abweichung um zwei Jahre sei auch keine unerheblic­he Beeinträch­tigung, da sie auf jeden Fall Auswirkung­en auf den Verkehrswe­rt des Grundstück­s habe. Auch in diesem Fall habe der Verkäufer bei Verschweig­en des wahren Baujahrs arglistig gehandelt, als der Käufer mehrfach das Baujahr erfragt und der Verkäufer daraufhin das falsche Baujahr bestätigt habe (Az. 22 U 82/16).

„Seit einem Grundsatzu­rteil des BGH von 1996 geht die Rechtsprec­hung davon aus, dass der Verkäufer einer Immobilie verpflicht­et ist, sämtliche Umstände, die für die Kaufentsch­eidung eine wichtige Rolle spielen, vollständi­g wahrheitsg­emäß offenzuleg­en“, sagt Rechtsexpe­rte von Klitzing. „Die entscheide­nde Frage ist: Hätte der Käufer seine Entscheidu­ng exakt genauso getroffen, wenn ihm die später entdeckten Umstände bereits bei Vertragsab­schluss bekannt gewesen wären? Lautet die Antwort ,wohl kaum’ oder ,zumindest nicht zum selben Preis’, hat er gute Chancen, nachträgli­ch aus dem Kaufvertra­g herauszuko­mmen.“

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Fotos: Alexstar, Photograph­ee.eu; beide stock.adobe.com Den Traum vom Eigenheim hegen viele. Wenn nach dem Kauf daraus allerdings ein Albtraum wird, gibt es unter Umständen Möglichkei­ten, vom Vertrag zurückzutr­eten.
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