Der Roman zum Jubiläum
Raul Schrott mit deutscher Perspektive
Als sich Magellans Armada aus fünf Segelschiffen auf ihre bahnbrechende Reise macht, ist auch der raffinierte Hannes an Bord, gelernter Geschützmeister aus Aachen. In seinem neuen Roman „Eine Geschichte des Windes – oder: Von dem deutschen Kanonier der erstmals die Welt umrundete und dann ein zweites und ein drittes Mal“erzählt der Österreicher Raoul Schrott das Leben jener jungen Landratte, die ihrem bettelarmen Schicksal in der deutschen Stadt entflieht und den kolonialen Verlockungen und Versprechungen neuer Abenteuer folgt – und das gleich mehrmals.
Zwar entdeckt Magellan auf der Reise die nach ihm benannte Meerenge zwischen dem südamerikanischen Festland und Feuerland und liefert so den endgültigen Beweis, dass die Erde eine Kugel ist. Die Jubel-Arie bei der Rückkehr in den Heimathafen aber erhält der junge Hannes, er ist anders als Magellan einer der wenigen Überlebenden.
Schrott gibt seinem Protagonisten eine wunderbare Bauernschläue auf den Weg. Die intrigante Welt kann ein Kanonier aus Deutschland anscheinend nur mit naivem Blick fassen. „Was wurden wir alle auf dieser Fahrt verraten und verkauft, dass nicht mehr zu sagen war, ob ich unter Klugen oder Trotteln sass.“Schrott, der Romancier, Lyriker und Übersetzer, erzählt in seinem Buch nicht vorrangig von den Herrschaften an Oberdeck, deren Antrieb politische Kabale und gesellschaftliches Prestige sind. Der 55-Jährige nimmt die „armen Hunde“in den Blick. Hannes sei „die ideale Figur, um zu schildern: Wie geht es im Schiffsbauch vor sich?“
Der Ich-Erzähler überlebt schlimmste Stürme und Flauten, lässt Hungerleiden und Skorbut hinter sich, übersteht Meutereien und auch die Brutalität der europäischen Eroberer. Während vom Helden nichts übrig bleibt als ein paar abgenagte Knochen, kommt der einfältige Abenteurer Hannes, dessen Welt bis dahin in eine Westentasche passte, mit einem blauen Auge davon.
Sprachlich lehnt sich der Autor an barocke Schelmenromane und Seefahrerberichte der frühen Neuzeit an. Erzählerisch besonders stark ist er in seinen fleischlichen Szenen über Geschlechtlichkeit oder Gewalt. Schrott räumt auf mit der Vorstellung einer heroischen Segelreise, bei der aus Entdeckerdrang Grenzen überschritten werden. Hannes, der Malocher, wird nach der ersten Weltumsegelung nicht bezahlt – und so auf eine zweite Expedition gelockt. Und auf eine dritte. Er sieht die ganze Welt, und doch bleibt sie ihm allein ein Schiff.