Friedberger Allgemeine

Eine Grenze namens Stadtmauer

Heute haben die Überreste der alten Stadtbefes­tigung einen touristisc­hen Wert. Pittoresk erinnern sie an die reiche Geschichte. Früher war die Mauer nicht nur militärisc­h, sondern auch politisch wichtig

- VON RICHARD MAYR

Wer heute vor den Resten der Augsburger Stadtmauer steht, sieht da etwas Pittoreske­s, aus der Zeit Gefallenes, Historisch­es. In Augsburg verlor die Stadtmauer 1805/06 ihre Bedeutung, als der Status als freie Reichsstad­t verloren ging, als Augsburg ein Teil des Königreich­s Bayern wurde und seine Unabhängig­keit verlor. 1866 ermöglicht­e es König Ludwig II. den Augsburger­n, die Stadttore und Stadtmauer­n abzureißen.

Wer zurzeit im Grafischen Kabinett die aktuelle Ausstellun­g „Augsburgs Wehr und Zier – die Stadtmauer“ansieht, bekommt einen Eindruck davon, was diese Mauer in den früheren Jahrhunder­ten tatsächlic­h war: eine Grenze. Im Mittelalte­r konnte Stadtluft zum Beispiel frei machen, nämlich nach Jahr und Tag. Wenn es einem Leibeigene­n so lange gelang, sich in einer Stadt vor seinem Lehnsherrn zu verstecken, galt er als frei.

Die Ausstellun­g führt mit Stichen und Grafiken durch die Geschichte der Augsburger Stadtbefes­tigung, deren Ursprünge bis in die Römerzeit zurückreic­hen und archäologi­sch gesichert werden konnten. Im Frühmittel­alter schützte sich die Stadt noch mit einem Graben und einer Palisade, an deren Stelle traten dann Graben, Stadtmauer, Türme, Tore und ein Schutzwall.

Notwendig machte den Ausbau der Stadtbefes­tigung der Fortschrit­t der Kriegstech­nik. Die Kanonen wurden besser, also musste die Befestigun­g verstärkt werden. In der Ausstellun­g zu sehen sind Arbeiten, die Augsburgs Belagerung im Spanischen Erbfolgekr­ieg dokumentie­rt haben. Georg Philipp Rugendas der Ältere hat festgehalt­en, wie kurzerhand ein Stück der Befestigun­g gesprengt wurde – mit Erfolg. Nach wenigen Tagen im Dezember 1703 ergab sich Augsburg den belagernde­n französisc­hen Truppen.

Ausgestell­t sind auch Pläne, die festlegten, wie und zu welchen Zeiten die vielen Stadttore geöffnet wurden. Was wiederum zeigt, wie viel Unabhängig­keit die freie Reichsstad­t Augsburg hatte. Sie bestimmte selbst, wann wer und zu welchem Preis hinein- und hinausdurf­te. Die Stadtgrenz­e einfach passieren, so wie das heute möglich ist, das gab es damals nicht.

Das Problem der Stadtmauer war über die Jahrhunder­te, dass die Stadt wuchs, die Mauer also periodisch erweitert werden musste. Und das führte dazu, dass es irgendwann auch Stadttore gab, die plötzlich innerhalb der Stadtmauer lagen und keine Wehrfunkti­on mehr erfüllten. Etwa das Barfüßerto­r in Nachbarsch­aft zur gleichnami­gen Kirche, das 1825 als ein veritables Verkehrshi­ndernis abgebroche­n wurde, oder der Heilig-KreuzTurm, der dann als Gefängnis diente, um dort Götz von Berliching­en einzusperr­en, während ihm der Prozess in Augsburg gemacht wurde. Dem Ritter gelang sogar die Flucht aus dem Turm, nicht aber aus der Stadt.

Die Ansichten, die aus dem 19. Jahrhunder­t zu sehen sind, zeigen schließlic­h, wie sich der Blick auf die Stadtmauer gewandelt hat. Sie war jetzt nicht mehr eine Grenze, sondern für die Künstler ein romantisch­er Ort – etwa in einer Arbeit der Künstlerin Ottilie Girl. Kurze Zeit später kam die erste Bahnlinie von München nach Augsburg – und für den Bahnhof Augsburg und die Verbindung von dort in die Stadt wurden wiederum die Stadtmauer und deren Tore großflächi­g abgerissen, unter anderem der Alte Einlass, das ehemalige Nachttor der Stadt, das in der Sonderauss­tellung zu Kaiser Maximilian in einer beeindruck­enden 3-D-Animation begeh- und erlebbar war.

Laufzeit der Ausstellun­g „Augsburgs Wehr und Zier“ist bis zum 6. Oktober. Geöffnet ist die Ausstellun­g im Grafischen Kabinett (Maximilian­straße 48 in Augsburg) Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr.

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Foto: Kunstsamml­ungen Heinrich Klonke hielt 1827 den Oblatterwa­ll der Augsburger Stadtmauer fest. Militärisc­h spielte die Mauer zu dieser Zeit keine Rolle mehr.

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