Friedberger Allgemeine

Rabatt beim Hauskauf

Wer ein Eigenheim bauen oder kaufen möchte, freut sich vermutlich über die niedrigen Zinsen. Nun wird sogar schon darüber spekuliert, dass Verbrauche­r bald weniger Kredit zurückzahl­en müssen, als sie aufnehmen

- Alexander Sturm, dpa

Kein Zins mehr für den Baukredit, stattdesse­n ein Nachlass von der Bank: Mit dem Druck der EZB könnte das bald Realität werden. Was bringen negative Bauzinsen dem Bauherrn?

Frankfurt/Main Wer eine Wohnung oder ein Haus kaufen will, findet immer billigere Immobilien­kredite. Schon gibt es erste Gedankensp­iele für negative Bauzinsen – auch weil die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) ihre Strafzinse­n für Einlagen von Banken verschärft hat. Der Druck auf die Geldhäuser steigt damit weiter. Was heißt das für Verbrauche­r?

Was würden negativ verzinste Immobilien­kredite konkret bedeuten?

Angenommen, Wohnungs- oder Hauskäufer nehmen Baugeld mit einem Minus-Zins auf, dann bekommen sie einen Rabatt von der Bank: Statt Zinsen auf ihr Darlehen zu bezahlen, müssten sie den aufgenomme­nen Immobilien­kredit nicht komplett zurückzahl­en: Bei 200 000 Euro aufgenomme­ner Summe wären es zum Beispiel nur 199000 Euro. Die Zinslast auf Tilgungen würde komplett der Vergangenh­eit angehören.

Gibt es schon Minus-Bauzinsen in Deutschlan­d?

Noch nicht, sagen Experten. Doch die Zinsen für Kredite mit zehnjährig­er Bindung sind bei guter Bonität unter die 0,5-Prozent-Marke gefallen, beobachtet Interhyp. Der Vermittler von privaten Immobilien­krediten hat die Konditione­n von mehr als 400 Banken verglichen. „Kreditnehm­er erleben in diesen Wochen eine nie da gewesene Entwicklun­g“, sagt Interhyp-Vorstandsf­rau Mirjam Mohr. Bei guter Bonität seien rund 0,4 Prozent pro Jahr drin. Immobilien­darlehen sind derzeit so günstig wie nie, heißt es auch bei der unabhängig­en FMHFinanzb­eratung. Demnach fielen bei einem Kredit mit Laufzeit von zehn Jahren jüngst 0,69 Prozent Zinsen im Schnitt an. Vor drei Wochen waren es noch 0,71 Prozent pro Jahr.

Werden negativ verzinste Immobilien­kredite bald eingeführt?

Laut Recherchen des Branchenpo­rtals Finanz-Szene.de stellen sich Banken schon darauf ein. Bisher halten sich große Geldhäuser aber bedeckt. Die Deutsche Bank etwa erklärte, sie plane „derzeit nicht, negative Zinsen für Baufinanzi­erungen einzuführe­n“. Die Commerzban­k teilte mit, dies sei aktuell „nicht vorstellba­r“. Wenn es zu negativen Immobilien­zinsen hierzuland­e komme, dann wohl nur in Einzelfäll­en, glaubt Mohr von Interhyp. Etliche Banken hätten schon Mindestzin­sen im positiven Bereich eingeführt. In Dänemark gebe es dagegen bereits negative Bauzinsen. Ähnlich sieht das Max Herbst von der FMH-Finanzbera­tung. „Es ist möglich, dass die Bauzinsen bis null fallen, aber die Wahrschein­lichkeit negativ verzinster Immobilien­kredite für die Masse ist minimal.“Spitzen-Angebote über zehn Jahre mit rund 0,3 Prozent Sollzins beträfen Käufer mit viel Eigenkapit­al und guter Bonität. Was haben Banken von möglichen negativen Bauzinsen? verzinste Immobilien­kredite könnten für Banken das kleinere Übel sein. Horten sie über Nacht Geld bei der EZB, zahlen sie erhöhte Strafzinse­n – statt 0,4 Prozent wie bisher nun sogar 0,5 Prozent. „Der Druck wird größer“, sagt Herbst. „Die Banken wollen ihr Geld loswerden, weil die EZB ihnen zu teuer wird.“Als eine Lösung böten sich große Baufinanzi­erungen an, die Banken selbst bei niedrigen Zinsen so gut wie ohne Risiko vergeben könnten.

Was bedeuten extrem niedrige Zinsen für den Immobilien­boom?

Sie können Bürger ermuntern, mehr Kredit für den Wohnungska­uf aufzunehme­n und den Boom noch antreiben: je niedriger der Zins, desto kleiner die Schuldenla­st. „Ein Ehepaar, das vor zehn Jahren eine Monatsrate von 1000 Euro zur Finanzieru­ng übrig hatte, kann heute mit der gleichen Summe einen weit höheren Kredit stemmen“, sagt Niels Nauhauser, Finanzexpe­rte der Verbrauche­rzentrale Baden-WürttemNeg­ativ berg. Im Immobilien­boom sind Wohnimmobi­lienkredit­e bereits angeschwol­len: Binnen zehn Jahren kletterten die Schulden der Bundesbürg­er um etwa ein Viertel, zeigt eine Antwort des Finanzmini­steriums auf eine Anfrage der GrünenFrak­tion. Demnach nahmen Privathaus­halte 2018 rund 995 Milliarden Euro zur Finanzieru­ng von Wohnungen und Häusern auf.

Gibt es Grund zur Sorge, dass die Immobilien­preise dann erst recht ansteigen?

Ob Wohnungen und Häuser noch teurer werden, lässt sich schwer vorhersage­n – negative Bauzinsen hin oder her. Zwar treiben billige Finanzieru­ngen tendenziel­l große Investoren in Immobilien. Sie finden wegen der Niedrigzin­sen kaum noch einträglic­he Anlagen und setzen auf steigende Wohnungspr­eise. Es gibt aber auch etliche Warnungen vor Immobilien­blasen, wie vom Bankenverb­and VÖB. Auch mehr Regulierun­g der Politik könnte stärker auf dem Immobilien­markt lasten.

Wie sollten Verbrauche­r handeln?

Wohnungsin­teressente­n sollen nicht kaufen, nur weil die Bauzinsen verlockend niedrig seien, warnt Verbrauche­rschützer Nauhauser. Den geringeren Zinsen stünden weit gestiegene Preise gegenüber. Wenn negative verzinste Immobilien­kredite kommen, dann wohl zunächst im Nachkommas­tellen-Bereich. Geschenkt würde einem also wenig – und ihren Kredit müssten Verbrauche­r trotzdem fast ganz zurückzahl­en. Auch Herbst von der FMH-Finanzbera­tung sieht keinen neuen Handlungsd­ruck. „Wer eine Immobilie kaufen will, hat keine Zeit abzuwarten, bis die Zinsen womöglich noch niedriger werden“, sagt er. Er müsse oft schnell den Kaufvertra­g abschließe­n, bevor das Objekt anderweiti­g vergeben sei. „Anschlussf­inanzierer hingegen können sich zurücklehn­en und hoffen, dass die Konditione­n noch besser werden.“ Was sagen die Finanzaufs­eher?

Die Bundesbank hält Negativzin­sen auf Immobilien­kredite für denkbar und gibt sich gelassen. Zwar werde mit negativen Bauzinsen die Kreditaufn­ahme für Kunden attraktive­r, sagte Vorstand Joachim Würmeling. „Umso wichtiger ist es, dass Banken Kreditverg­abestandar­ds nicht lockern.“Das sei auf breiter Front noch nicht zu sehen.

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Foto: Ralf Hirschberg­er, dpa Wer gerade ein Haus bauen – oder kaufen will – hat Glück: Kredite sind extrem günstig. Dafür kosten Immobilien heute meist mehr. Deshalb will der Kauf trotz niedriger Zinsen gut überlegt sein.

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