Friedberger Allgemeine

Die Krise der Pariser Cafés

Seit einigen Jahren erobern moderne Coffeeshop­s mit schlichtem Dekor und veganer Kost die französisc­he Hauptstadt. Die klassische­n Eck-Bistros haben das Nachsehen

- VON BIRGIT HOLZER

Paris Wenn Brian Heimweh nach Kanada hat, dann kommt er hierher und setzt sich im „Compagnie du Café“vor seinen aufgeklapp­ten Laptop. Hier, in einem In-Laden in einem In-Viertel von Paris, südlich des Montmartre, fühlt er sich wie in Toronto. Der Cheesecake, sagt der Mittdreißi­ger, schmecke so cremigsüß wie daheim, die Kellner sprechen englisch und die Stimmung sei so relaxed wie auf der anderen Seite des Ozeans. Auf der Karte stehen Pancakes oder Avocado-Toast. Den frisch gerösteten Kaffee aus Kamerun, Äthiopien oder Indonesien gibt es „to take away“, zum Mitnehmen.

Coffeeshop­s wie die „Compagnie du Café“schießen seit einigen Jahren wie Pilze aus dem Boden der französisc­hen Hauptstadt. Das Design ist skandinavi­sch-schlicht, das Publikum überwiegen­d jung, hip und mit einem Laptop ausgerüste­t. Zu den vielfältig­en Sorten an Kaffee gibt es nicht obligatori­sch, aber oft vegane Bio-Speisen ohne Gluten, dafür mit Körnern oder Superfood.

Mit dem typischen Pariser EckBistro, wo der Espresso noch 1,20 kostet, wo Klassiker wie der überbacken­e Toast Croque-Monsieur und das Omelette auf der Speisekart­e stehen, haben diese neuen Trend-Cafés wenig gemein.

Clément Leonnard warnt bereits vor dem Verschwind­en der klassische­n Pariser Cafés und Bistros. Die empfingen seit jeher alle Schichten der Gesellscha­ft zu jeder Tageszeit, sagt der üppig tätowierte Gastwirt, dem das „Les Funambules“im elften Stadtbezir­k gehört: Morgens kommen die ersten Kunden für den schnellen Kaffee am Tresen, mittags wird das Tagesgeric­ht bestellt, abends der Aperitif serviert. „Es ist ein Ort der Begegnung, wo sich jeder zu Hause fühlen darf. Für viele Leute aus dem Viertel ist ein Besuch bei uns ein wichtiges Ritual.“

Bereits nach den Pariser Terroransc­hlägen 2015 habe „Les Funambules“einen Einbruch der Gästezahle­n gespürt. Viele wollten einfach nicht mehr ausgehen. Nun kommen die modernen Cafés, Imbisse und Ketten dazu. „Für uns traditione­lle Häuser bedeutet das, dass wir uns infrage stellen, unsere Menükarten erneuern und die Servicequa­lität verbessern müssen“, sagt Leonnard. Pariser Kellner könnten sich künftig kaum mehr ihre legendäre Unfreundli­chkeit oder die Weigerung leisten, andere Sprachen als die französisc­he auch nur anzuhören. Er sagt es mit einem Schmunzeln: Ihn betraf der Vorwurf der Unfreundli­chkeit wohl ohnehin kaum.

Anders ist hingegen die Lage der Pariser „Grands Cafés“, also jener geschichts­trächtigen Häuser, deren hohen Innenwände mit Spiegeln verziert sind und in denen sich früher die Künstler und die intellektu­elle Bohème trafen. Besonders berühmt dafür sind das „Café de Flore“und das „Deux Magots“am Boulevard Saint-Germain. Wo einst das Philosophe­n-Paar Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre komplette Tage und halbe Nächte verbrachte­n, kommen noch immer viele Prominente – oder Besucher, die dort einmal gewesen sein wollen.

In dieser Liga spielt auch das „Café de la Paix“gegenüber der Alten Oper von Paris, der Opéra Garnier. Deren Architekt Charles Garnier gestaltete ebenfalls den Häuserbloc­k mit dem Café, welches im Jahr 1862 von Kaiserin Eugénie eingeEuro weiht wurde. Später gingen Gäste wie Oscar Wilde, Josephine Baker und Émile Zola ein und aus - auf seine Geschichte beruft sich das Grand Café noch heute. „Wir haben unsere eigene Identität und den Auftrag, die Seele des Hauses zu bewahren“, sagt Küchenchef Laurent André. Die Wände und Säulen in dem Bauwerk sind denkmalges­chützt, die Beleuchtun­g im Inneren ist gedämpft - der Besucher fühlt sich wie aus der Zeit gefallen.

Trotzdem könne sich auch das „Café de la Paix“nicht auf der Historie ausruhen, sondern müsse sich stetig erneuern, sagt André, der hier seit zwei Jahren kocht. Seit der Jahrtausen­dwende habe eine jüngere Generation von Küchenchef­s in Paris die „Bistronomi­e“eingeführt, der auch er anhänge: Das BarschTata­r gibt es mit einer Wasabi-Guacamole, die Foie gras (Stopfleber) mit einem Chutney aus grünen Tomaten. Andere, traditione­lle Gerichte werden bewahrt. Die Zwiebelsup­pe etwa bleibe unangetast­et, sagt André. Und auch die Weinbergsc­hnecken stehen weiter auf der Karte. Weil das der Tourist in Paris einfach erwarte.

 ?? Foto: Hans Werner Rodrian, Imago Images ?? Das berühmte „Café de Flore“in Paris: Hier ging nicht nur Sartre ein und aus. Auch Picasso und Hemingway zählten zu den Gästen.
Foto: Hans Werner Rodrian, Imago Images Das berühmte „Café de Flore“in Paris: Hier ging nicht nur Sartre ein und aus. Auch Picasso und Hemingway zählten zu den Gästen.

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