Eine Wiege des Films
Vor 100 Jahren wurde in Berlin der Ufa-Palast am Zoo eröffnet. Meisterwerke der Kino-Geschichte wurden hier uraufgeführt – und Propaganda-Streifen der Nazis
Heute vor 100 Jahren wurde mit der glanzvollen Premiere des Ernst Lubitsch-Films „Madame Dubarry“der Ufa-Palast am Zoo eröffnet. Das Berliner Kino war bis zu seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg das bedeutendste Uraufführungs-Filmtheater Deutschlands. An seiner Stelle gegenüber der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche entstand 1957 der „Zoo-Palast“.
In der jungen Weimarer Republik begann die Zeit der großen Filmtheater. Ein Kinobesuch wurde fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Mit mehr als 400 Lichtspielhäusern avancierte Berlin in den Zwanziger Jahren zur internationalen Kinohauptstadt. Alles was in Film, Kunst, Theater und Literatur Rang und Namen hatte, traf sich im „Romanischen Café“am Auguste-Viktoria-Platz, heute: Breitscheidplatz, dem damals bekanntesten Künstlertreff der deutschen Metropole.
In dem nur einen Katzensprung entfernten Ufa-Palast fanden zwischen 1919 und 1943 insgesamt 44 Uraufführungen statt. Regisseur Fritz Lang zeigte hier 1927 erstmals „Metropolis“und 1931 „M“; im März 1943 feierte „Münchhausen“Premiere. Der Streifen war zum 25-jährigen Jubiläum der Universum Film AG (Ufa) – ein im Dezember 1917 gegründeter Zusammenschluss privater Filmfirmen – von Propagandaminister Joseph Goebbels in Auftrag gegeben worden.
Drehbuch stammte von Erich Kästner, der aber auf Anweisung von Goebbels nicht genannt werden durfte. Kästner hatte jede Menge subversive Kritik in den Film geschmuggelt. Kästner fragte später: „Der Filmauftrag kam vom größten Lügner der Welt. Weshalb sollten wir also nicht einen Film über den Lügner, der ihm am nächsten kommt, Baron Münchhausen, machen?“
An der Hardenbergstraße 29A zwischen Bahnhof Zoo und der Gedächtniskirche waren in den Jahren 1905 und 1906 nach Entwürfen des Architekten Carl Gause Ausstellungshallen – auch Wilhelmshallen genannt – im neoromanischen Stil erbaut worden. Unter anderem hatte Gause auch die Baupläne für das Hotel Adlon entworfen. 1912 wurde der westliche Teil der Hallen umgebaut, 1913 erhielt ein Varieté mit Lichtspielvorführungen einen Raum mit Bildwerfer (eine kleine Kabine mit großem Sichtfenster), um den Cines-Welterfolg „Quo Vadis“zu zeigen. Der Monumentalstreifen mit 5000 Statisten war der erste Blockbuster der Filmgeschichte. Zu dieser Zeit bekam das Theater dann auch den Namen „Cines Palast“; 1915 erfolgte die Umbenennung in „Palast-Theater“.
1919 erweiterte der Architekt Max Bischoff das Kino im Auftrag der Ufa auf 1740 Sitzplätze – 1150 im Parkett und 590 im Rang. Der rechteckige Saal war einfach gestaltet, im vorderen Bühnenbereich gab es beidseitig doppelgeschossige Logen. Die Sitze im Zuschauerraum waren hufeisenförmig angeordnet und die Bühnenwand mit Fayenceplatten verkleidet. 1925 wurde die Kapazität noch einmal, nun auf 2165 Sitzplätze erweitert. Damit war der Berliner Ufa-Palast bis zur Eröffnung seines Pendants 1929 in Hamburg mit 2200 Plätzen das größte Filmtheater Deutschlands.
Denn nach dem Ersten Weltkrieg hatten Kinos einen enormen Popularitätsschub erhalten. Zum Motor der heimischen Filmbranche entwickelte sich die Ufa – auch dank eines beträchtlichen, staatlichen Startkapitals. Schon während der Kriegsjahre erkannte General Erich Ludendorff mit Blick auf das britische Kino die propagandistische Kraft des neuen Mediums. So forDas derte er bereits 1917 vom Kriegsministerium: „Um eine planmäßige Beeinflussung der Massen im staatlichen Interesse zu erzielen, muss die deutsche Filmindustrie vereinheitlicht werden.“Für einen Kriegspropagandaeinsatz kam die Gründung der Ufa jedoch zu spät.
Dies wurde dann ab 1933 in verheerender Weise nachgeholt. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten verkam der Ufa-Palast im gleichgeschalteten Deutschland zur Propagandakulisse, in dem das Regime seine „großdeutschen“Träume auf die Leinwand brachte. Bereits am 2. Februar 1933 besuchte Adolf Hitler das Kino zur Aufführung des patriotischen U-Boot-Dramas „Morgenrot“. Anlässlich der Olympischen Spiele 1936 ließ hier der Berliner Generalbauinspektors und Rüstungsministers Albert Speer eine monumentale Blendfassade installieren.
Im November 1943 aber erlitt der große Ufa-Kinosaal durch Luftangriffe der Alliierten schwere Beschädigungen. Danach fand Kino nur noch als Notbetrieb in einem Seitenflügel statt – bis 1957 ein neues Lichtspielhaus im Beisein von Hauptdarstellerin Liselotte Pulver mit dem Helmut-Käutner-Film „Die Zürcher Verlobung“eingeweiht wurde. Der Zoo-Palast war bis 1999 Hauptspielort der Berlinale und das wichtigste Premierenkino West-Berlins. 2000 zog die Berlinale an den Potsdamer Platz; seit 2014 ist der Zoo-Palast wieder wichtiger Bestandteil der Berliner Filmfestspiele