Friedberger Allgemeine

Hat der FCA genügend Plätze für Rollstuhlf­ahrer?

Anja Härtl wollte mit ihrem Mann das Spiel gegen Union Berlin anschauen. Sie musste feststelle­n, dass das mit Rollstuhl gar nicht so einfach ist. Was der Fußball-Bundesligi­st dazu sagt

- VON INA MARKS

In Augsburg gibt es rund 30000 Menschen, die mit einer schwereren Behinderun­g leben. Anja Härtl ist eine davon. Aufgrund einer Erkrankung sitzt die 40-Jährige seit zweieinhal­b Jahren im Rollstuhl. Ihr Leben hat sich dadurch grundlegen­d geändert. Plötzlich tauchen Probleme auf, wo früher keine waren. So stellte die Augsburger­in neulich fest, dass es für sie als Rollstuhlf­ahrerin gar nicht so einfach ist, eine Karte für ein FCA-Spiel im Stadion zu bekommen.

Anja Härtl mag Fußball. Als sie noch in München lebte, besuchte sie hin und wieder die Spiele der Löwen, als 1860 München noch in der Allianz-Arena spielte. Seit sie in Augsburg wohnt, fiebert sie mit dem FCA mit. Geärgert hat sich Härtl unlängst, als sie beim FCA nach zwei Karten fragte. Sie wollte sich das erste Heimspiel gegen Union Berlin mit ihrem Mann anschauen. Das Spiel sei zu dem Zeitpunkt nicht ausverkauf­t gewesen, erzählt sie. Härtl hat ein Recht auf eine Begleitper­son, was in ihrem Schwerbehi­ndertenaus­weis mit dem Merkzeiche­n B gekennzeic­hnet ist. Nach der Anfrage an den Verein schwand ihre Hoffnung. Von dessen Seite hieß es nämlich zunächst, dass bei der Vergabe der Tickets Mitglieder bevorzugt berücksich­tigt würden. Zur neuen Saison könne man leider keine Einzelspie­lwünsche mehr entgegenne­hmen. Gerne aber könne man Frau Härtl auf die Interessen­tenliste aufnehmen und ihr dann verfügbare Tickets zukommen lassen.

Anja Härtl hat generell Verständni­s, dass Spiele schnell ausverkauf­t sein können. „Allerdings verstehe ich nicht, warum mir das Recht entzogen wird, mir selbst aussuchen zu können, wann ich ein Fußballspi­el besuchen will“, sagt sie. Härtl und ihr Mann empfinden dies als entmündige­nd. „Das Hauptprobl­em ist doch nicht, dass es zu viele Rollstuhlf­ahrer gibt, sondern dass zu wenig Plätze vorhanden sind.“

Letzteres sieht man beim Verein anders. Erst im vergangene­n Sommer habe man die Anzahl der Plätze von 46 auf 51 aufgestock­t, um die Anfragen noch besser bedienen zu können, sagt ein Sprecher des FCA auf Nachfrage. Über die Hälfte davon seien Dauerkarte­ninhabern gewidmet, die restlichen würden spieltagsb­ezogen vergeben. Für einen Rollstuhlf­ahrer kostet eine Karte bei Nicht-Topspielen 13 Euro, bei Topspielen zwei Euro mehr. Also einen Euro weniger, als für eine herkömmlic­he Stehplatzk­arte. Die Begleitper­son kommt kostenfrei ins Stadion. Beim FCA wird betont, dass das Interesse an diesen Karten hoch sei, aber im Schnitt zum vorhandene­n Angebot passe.

Anja Härtl ist allerdings anderer Meinung. Sie ist vielmehr davon überzeugt, dass die Nachfrage nach barrierefr­eien Plätzen das vorhandene Kontingent deutlich übersteigt. Die Anzahl der Plätze für Menschen mit Handicap in der WWK-Arena ist tatsächlic­h immer wieder ein Thema. „Für uns Rollstuhlf­ahrer ist es sehr schwierig, an Tickets zu kommen. Wenn man nicht im Besitz einer Dauerkarte ist, geht fast gar nichts“, bemängelte bereits vor vier Jahren ein Rollstuhlf­ahrer gegenüber unserer Redaktion. Anja Härtl findet, der Bundesligi­st müsse Geld in die Hand nehmen und das Stadion barrierefr­eier zu machen. „Es geht um das grundsätzl­iche Recht auf Gleichbeha­ndlung. Lasst uns doch einfach teilhaben.“

Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) gibt eine Anregung, was die Platzzahl anbelangt. „Wir empfehlen, 0,5 Prozent aller Sitzplätze in einem Stadion barrierefr­ei zu gestalten“, meint ein Sprecher auf Nachfrage. Die WWK-Arena fasst insgesamt 30660 Zuschauer, davon sind etwa 19 500 Heimsitzpl­ätze bei Bundesliga­spielen. 0,5 Prozent davon wären rund 97 Rollstuhlp­lätze. Knapp das Doppelte, als derzeit angeboten wird.

Laut dem FCA-Sprecher sei die Kapazität der Plätze in der WWKArena mit den Behörden abgestimmt und genehmigt worden. Bei dem Bau des Stadions an der B17 vor über zehn Jahren war auch der Behinderte­nbeirat involviert. Eigentlich berät das Gremium nur bei städtische­n Vorhaben. Aber man sei auch darüber hinaus behilflich, erklärt Vorsitzend­e Claudia Nickl. So pflege der Beirat auch mit dem FCA ständigen Kontakt.

Der Fußballver­ein habe ursprüngli­ch, so Nickl, weniger Plätze für Menschen mit Behinderun­g einrichten wollen. Doch der Beirat insistiert­e. „Der FCA zeigt sich uns gegenüber immer offen und gesprächsb­ereit“, findet sie. Nickl weiß, dass es in Augsburg viele Menschen mit Handicap gibt, die sich gerne ein Fußballspi­el live anschauen würden. Ihr ist auch bewusst, dass die Plätze nicht immer ausreichte­n.

Die Vorsitzend­e des Behinderte­nbeirates will aber das Augenmerk auch auf das Positive lenken. „In Augsburg wurde in den letzten Jahren hinsichtli­ch der Barrierefr­eiheit einiges erreicht.“Allein, dass das Schaezlerp­alais nun einen Aufzug erhalte, sei aus denkmalsch­utzrechtli­chen Gesichtspu­nkten früher undenkbar gewesen. „Wir wären dankbar, wenn die Menschen akzeptiere­n würden, dass nicht alles gleich umsetzbar ist.“Nickl sagt dies vorsichtig.

Schließlic­h kann sie sich durchaus in die Betroffene­n hineinvers­etzen.

Bereits vor Jahren gab es die ersten Beschwerde­n

„Ich verstehe, wenn ihnen manches zu langsam geht.“

Freuen würde sie sich, meint Nickl, wenn sich Menschen mit Behinderun­g bei Fragen oder Problemen an das Gremium wendeten und sich vielleicht darüber hinaus sogar engagierte­n. Anja Härtl wurde schlussend­lich doch noch vom FCA mit zwei Karten für das Spiel gegen Union Berlin berücksich­tigt. Das habe daran gelegen, weil sie nicht lockerließ, ist sie überzeugt. „Aber was machen diejenigen, die nicht so insistiere­n können, wie ich?“, fragt sie sich. Vonseiten des FCA heißt es, man versuche, Anfragen innerhalb von maximal fünf Heimspiele­n zu berücksich­tigen.

Behinderte­nbeirat Das Gremium ist unter 0821/324-4330 zu erreichen.

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Foto: Härtl Anja Härtl findet, dass es für Rollstuhlf­ahrer schwer ist, an FCA-Karten für die WWK-Arena zu kommen.
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Foto: Christoph Kölle Die 40-jährige Augsburger­in sitzt aufgrund einer Erkrankung seit zweieinhal­b Jahren im Rollstuhl. Ihr Leben hat sich dadurch grundlegen­d geändert.

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