Friedberger Allgemeine

Diese Stühle verweigern sich der Besitznahm­e

Im Abraxas variieren 50 Künstler das Thema Sitzen vom kippeligen Hocker bis zum königliche­n Thron

- VON ALOIS KNOLLER

Voriges Jahr wurde „aufgetisch­t“in der BBK-Kunsthalle im Abraxas, dieses Jahr hat sich der Berufsverb­and Bildender Künstler das Sitzen als Thema gestellt. Noch vielfältig­er sind beim Stuhl die Bedeutunge­n vom simplen Sitzmöbel bis zum herrscherl­ichen Thron und dem privilegie­rten Heiligen Stuhl. Für 50 Künstlerin­nen und Künstler war es eine wahre Lust, hier zu sondieren. Teils nutzten sie ihn als Projektion­sfläche und teils als skulptural­es Angebot – also jenseits aller Funktion.

Liegestühl­e mit Hasendraht oder Jalousien bespannt taugen nicht zum Ausruhen (Anna Ottmann), der Sitz über unserem Müllberg lässt in erhöhter Position immerhin die traurige Wirklichke­it ausblenden. Eine Sitzfläche gespickt mit Dornen meide man tunlichst, doch das Leben mutet sie uns manchmal zu. Und die Skulptur aus Spitzhacke­n und Blech verweigert sich total der Inbesitzna­hme. Biografisc­he Erinnerung­en steigen auf etwa an die Schulbank als Ort des Lernens (Ines Roller) oder der von Büchern ummauerte Lehrstuhl (Turid Schuszter). Das ganze Leben spielt sich auf Stühlen ab und das ergibt bei Claudia Geßner ein überhohes, fragiles Gebilde aus Kindersitz, Gehstock und Prothese.

Manchmal ist der Stuhl schon besetzt wie bei Anja Güthoffs Gestalt aus schwarzen Kabeln auf einem Polsterses­sel. Oder mit dutzenden von Spielfigür­chen belegt – ein reizvolles Spiel verschiede­ner Dimensione­n. Mitunter genügt eine bloße Aufschrift, um zu signalisie­ren, ob man sich setzen darf oder nicht (Brigitte Weber). Es gibt ja Stühle, die bestimmten Personen vorbehalte­n sind: der zierliche Thron aus Messingroh­r für Queen Elisabeth (Ute Biechler), der von sakraler Aura geweihte Heilige Stuhl mit einer Bibel als Lehne und goldenem Sitz (Ingrid Olga Fischer) oder das elegante Terrakotta-Stühlchen (Ingeborg Prein). Zur Dekonstruk­tion schreitet munter Elisabeth Röder mit einem MiniRattan­stuhl mit Napoleon als Kronzeuge: „Ein Thron ist nur eine Bank, die mit Samt garniert ist.“

Mancher Künstlerst­uhl entzieht sich jeglicher Benutzung, weil er einen Beinbruch erlitten hat (Klaus Konze) oder seine Beine abgeklappt von sich streckt (Katinka Molde). Unbequem wird es auch auf Nina Zeilhofers Stuhl, denn er kippelt mit einem Bein auf Scherben; bei Besitz es ginge etwas zu Bruch. Zum Sitzen zwischen den Stühlen fordert Norbert Kiening mit einem gespaltene­n Holzblock („zwiespälti­ger Thron“) auf. Stühle werden in ihre Einzelteil­e zerlegt, nach ihren Bauprinzip­ien kühl seziert (Liliana Mesmer) oder en miniature nachgebaut mit Knetmasse in einer Modellland­schaft.

Visionen, wie man mit Stühlen als Mensch vom Boden aufstehen kann, sich aufrichtet und weit blickt, entwickelt­en bei der Vernissage Astarte Posch und Nicola van Straaten (Berlin) reizvoll in ihrer Performanc­e. ⓘ

Laufzeit bis 13. Oktober; geöffnet Dienstag bis Sonntag 14 – 18 Uhr.

 ?? Fotos: Norbert Kiening, BBK ?? Auf diesen Stühlen sollte niemand Platz nehmen (von links): Anja Güthoffs „Platzhalte­r“, Norbert Kienings „zwiespälti­ger Thron“und Turid Schuszters „mein Lehrstuhl“stehen in der BBK-Kunsthalle fürs Thema „Sitzen“.
Fotos: Norbert Kiening, BBK Auf diesen Stühlen sollte niemand Platz nehmen (von links): Anja Güthoffs „Platzhalte­r“, Norbert Kienings „zwiespälti­ger Thron“und Turid Schuszters „mein Lehrstuhl“stehen in der BBK-Kunsthalle fürs Thema „Sitzen“.
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