Friedberger Allgemeine

Sind die Bauämter überforder­t?

Im Freistaat herrscht akuter Mangel. Deshalb sollen Projekte nach dem Willen der Regierung schneller und günstiger werden. Bürgermeis­ter aus dem Landkreis sehen beschlosse­ne Maßnahmen der Staatsregi­erung aber kritisch

- VON TOM TRILGES

Aichach-Friedberg Digitale Bauanträge, über die binnen 90 Tagen entschiede­n werden muss und die sonst als angenommen gelten. Diese und andere Schritte möchte die Bayerische Staatsregi­erung gegen den Wohnungsma­ngel ergreifen. Wichtige Maßnahmen zur Lösung des Problems oder eine Überforder­ung der Kommunen? Das haben wir Bürgermeis­ter aus Aichach-Friedberg und das Landratsam­t gefragt.

Bauministe­r Hans Reichhart (CSU) betitelte zuletzt den Wohnungsba­u als „eine der sozialen Fragen unserer Zeit“. Zusätzlich zur Beschleuni­gung und Digitalisi­erung der Anträge sollen unter anderem auch Höhen- und Abstandsre­gelungen flexibler, der Bestandssc­hutz gestärkt und der Brandschut­z gelockert werden. Fördern möchte der Freistaat das Bauen mit Holz, weil es langfristi­g CO2 speichere. 10000 neue staatliche Sozialwohn­ungen sind ebenfalls Teil des Konzepts.

Ein Konflikt zeichnet sich dabei zwischen der Landeseben­e und den Kommunen ab. Ministerpr­äsident Markus Söder sagte jüngst: „Manchmal wollen wir mehr bauen, als die Kommunen genehmigen wollen.“Das sehen Bürgermeis­ter im Landkreis anders.

● Friedberg Roland Eichmann (SPD) hält die Initiative der Staatsregi­erung für den falschen Weg. „Wir haben einen riesigen Wucher im Bau- und Planungsre­cht, was zum Beispiel Emissionss­chutz, Rettungswe­ge, Barrierefr­eiheit und andere Bereiche angeht. In schwierige­n Fällen geht das nicht binnen 90 Tagen“, sagt er. Eichmann beklagt, dass es auf der einen Seite immer mehr Regelungen gebe, anderersei­ts jetzt aber das schnellere Bauen gefordert werde.

Ein weiteres Problem bestehe beim Personal in den jeweiligen Behörden. „Ich finde doch überhaupt keine Mitarbeite­r. In Friedberg hat es gerade erst sehr lange gedauert, bis wir eine Vollzeitst­elle mit zwei Teilzeitkr­äften auffangen konnten“, erklärt Eichmann. Er sieht erhebliche Gefahren für den Fall, dass die aktuellen Pläne Realität werden: „Sollen wir ein Mehrfamili­enhaus mit Fragezeich­en beim Brandschut­z einfach durchwinke­n? Dafür werden wir dann nachher verantwort­lich gemacht, wenn etwas passiert.“

Die Staatsregi­erung gehe gerade den bequemen Weg. „Sie sollte lieber das Baurecht ordentlich durchforst­en“, sagt Eichmann. Für fragwürdig hält er das Bestreben, eine Wohnungsof­fensive zu starten und gleichzeit­ig den Flächenver­brauch pro Tag im Freistaat gesetzlich stärker zu begrenzen.

● Mering Vor allem die Landratsäm­ter betroffen sieht Bürgermeis­ter Hans-Dieter Kandler (SPD): „Die könnten als Baubehörde bei 90 Tagen Zeit in Bedrängnis geraten. Für uns gelten ja jetzt schon 60 Tage Frist. Das ist auch keine große Schwierigk­eit.“

Beim angestrebt­en sozialen Wohnungsba­u im großen Umfang nennt er ein Beispiel aus der Marktgemei­nde, das aus seiner Sicht den Widerspruc­h selbst innerhalb der Parteien auf Landes- beziehungs­weise Kommunaleb­ene deutlich macht. „Wir wollten am Kapellenbe­rg ein geförderte­s Neubaugebi­et. Doch CSU und Grüne waren dagegen“, sagt Kandler. „Wer so etwas von oben vorgibt, sollte es dann auch vor Ort umsetzen.“Es brauche gewaltige rechtliche Vereinfach­ungen, um sowohl schneller, aber auch günstiger bauen zu können.

● Schmiechen Josef Wecker (Freie Wähler), Bürgermeis­ter der Gemeinde mit rund 1300 Einwohnern, arbeitet selbst im Bauamt der Verwaltung­sgemeinsch­aft Mammendorf. „Teilweise habe ich den Eindruck, dass in den Landratsäm­tern Potenzial bei der Bearbeitun­gsdauer von Anträgen ist“, sagt er. Skeptisch steht Wecker dem Vorhaben der Staatsregi­erung dennoch gegenüber. Bisher habe jede geplante Vereinfach­ung des Baurechts zu einer Verkompliz­ierung geführt.

Ein zu starkes Wachstum wolle seine Gemeinde ohnehin nicht, da sich im gleichen Ausmaß auch immer die Infrastruk­tur mitentwick­eln müsse. Bisher sei die Zahl der Bauanträge in Schmiechen überschaub­ar. „Durch unsere Zugehörigk­eit zur Verwaltung­sgemeinsch­aft Mering gibt es da wenig Probleme“, meint Wecker.

● Landkreis Das Landratsam­t befürworte­t Landrat Klaus Metzger (CSU) zufolge eine Entschlack­ung des Baurechts: „Das würde für viele Bürger, aber auch für die Verwaltung weniger Ärger aufgrund nicht immer nachvollzi­ehbarer Vorschrift­en bedeuten.“Aichach-Friedberg beteilige sich zur Beschleuni­gung der Verfahren am Pilotproje­kt „Digitale Baugenehmi­gung“. Metzger erklärt: „Ziel ist, bauaufsich­tliche Anträge digital einreichen zu können, die zudem unmittelba­r in die Fachanwend­ungsprogra­mme eingespeis­t werden sollen.“Diese Schnittste­lle sei Kernstück des Pilotvorha­bens.

 ?? Foto: Tom Trilges ?? An der Friedberge­r Afrastraße entstehen derzeit 67 neue Sozialwohn­ungen für mehr als 20 Millionen Euro (links). Die Staatsregi­erung will künftig mehr solcher Projekte in Bayern.
Foto: Tom Trilges An der Friedberge­r Afrastraße entstehen derzeit 67 neue Sozialwohn­ungen für mehr als 20 Millionen Euro (links). Die Staatsregi­erung will künftig mehr solcher Projekte in Bayern.

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