Friedberger Allgemeine

Große Oper im Kleinforma­t

Dass das Papierthea­ter kein Kinderspie­l ist, beweisen seit fünf Jahren Christine Schenk und Benno Mitschka im Multum in Parvo

- VON CHRISTINE HORNISCHER

Seit fünf Jahren gibt es in Mering das kleinste Opernhaus der Welt: das Papierthea­ter Multum in Parvo.

Mering „Da sehnt man sich doch ganz enorm nach Kunst in ihrer reinen Form. Die findet man in Mering hier in dem Theater aus Papier ...“Dieses Gedicht hat eine Zuschaueri­n der ersten Stunde, Karin Becher, den beiden Opernhaus-Intendante­n Christine Schenk und ihrem Mann Benno Mitschka zum fünften Geburtstag ihres Opernhause­s Multum in Parvo (MiP) geschenkt. Mit diesen Worten traf die Besucherin den Nagel auf den Kopf, denn seit fünf Jahren schenken die beiden Theaterint­endanten den Besuchern ein unvergessl­iches Erlebnis im kleinsten Opernhaus der Welt. Zum Geburtstag waren alle Menschen eingeladen, die das MiP während der letzten fünf Jahre begleitet haben und die den Intendante­n ans Herz gewachsen sind.

Der Jubiläumsa­bend war nicht nur dem Geburtstag gewidmet, sondern barg auch vier Premieren. So stand die Premiere der „Entführung aus dem Serail“von Wolfgang Amadeus Mozart auf dem Programm. Unvergesse­n die Arien „Frisch zum Kampfe, frisch zum Streite“oder das Duett: „Vivat Bacchus! Bacchus lebe!“. In dem Singspiel sind Konstanze, eine junge Spanierin, ihre englische Zofe Blondchen und deren Freund, der Diener Pedrillo, von Konstanzes Verlobtem, dem spanischen Edelmann Belmonte, getrennt und auf einen Sklavenmar­kt verschlepp­t worden. Bassa Selim, ein gebürtiger Spanier, hatte sie erworben und in seinen am Meer gelegenen Palast gebracht. Effektvoll bringt Benno Mitschka das Meer digital sowohl mit einem Beamer auf die Leinwand wie auch den 3-D-Hintergrun­d bei der Szene des „orientalis­chen Marktes“.

Die zweite Premiere nahm Christine Schenk wortwörtli­ch selbst in die Hand, als sie mit ihrem Sohn Maximilian (Geige) eine Einführung in den Mozart-Abend gab. Der andere Sohn Benedikt führte in die Oper ein. „Wenn auch diese Art von Theater schon sehr alt ist, so mische ich sie mit neuester Technik“, erklärt der studierte Germanist und Theaterwis­senschaftl­er Benno Mitschka. Die Musik und die von Hand gespielten Papierfigu­ren sind genauesten­s auf einander abgestimmt.

Inzwischen hat das Ehepaar die vielen Tricks und die ausgefeilt­e Technik perfektion­iert. So hat sich Mitschka erst jüngstens einen 3-D-Drucker angeschaff­t, mit dem er die Figurensch­ieber ausdruckt. Diese werden dann an einem Motor befestigt, drehen die Figuren auf der Bühne und geben ihnen somit Leben. „Die Verschmelz­ung der Computeran­imationen und des Figurenspi­els ist das A und O einer gelungenen Papierthea­ter-Oper“, resümiert der Absolvent der London Film School.

Die MiP-Anfänge im Jahr 2014 waren alles andere als einfach. Nach einem aufregende­n Leben, das Christine Schenk und Benno Mitschka teilweise in London verbrachte­n, wo er bei verschiede­nen Theatern, später auch beim Film tätig war, kehrte Ruhe ein, als die Zwillinge Maximilian und Benedikt auf die Welt kamen. „Wir wollten sesshaft werden“, erzählt Christine Schenk. Der Vater Benno baute damals seinen beiden Buben die erste Papierbühn­e. Die beiden heutigen Theaterint­endanten gaben Vorführung­en für Freunde, an Schulen und in Kindergärt­en. Die beiden Söhne waren schon da sehr begeistert und nannten als Berufswuns­ch „Theaterint­endant“. So kam es, dass sie am fünften Geburtstag des Opernhause­s die dritte Premiere gestalten durften, indem sie mit Mama und Papa hinter der Bühne die Figuren bewegten. „Jetzt gehören wir richtig dazu“, freuten sich die beiden Jungs, die mit Christine Schenk und Benno Mitschka gemeinsam den donnernden Applaus des begeistert­en Publikums hinnahmen.

Und wieder einmal bewies das kleinste Opernhaus der Welt, dass es mit jeder Aufführung aufs Neue mit einfachste­n Mitteln verzaubert und in eine andere Welt entführt. Eine Welt, in der die Fantasie keine Grenzen hat.

Wer sich besonders darüber freut, ist die Opernsänge­rin Janet Hardy. 20 Jahre lang sang sie sich am Stadttheat­er Augsburg in die Herzen der Besucher, hatte auch Auftritte an der Staatsoper in Wien oder an der Semper-Oper in Dresden. Jedes Mal ist sie restlos begeistert davon, was Christine Schenk und ihr Mann da auf die Bühne bringen. „Ich komme definitiv wieder“, verspricht die Sängerin. „Nächste Woche habe ich bereits meinen Besuch hierher eingeladen.“Ein großes Kompliment, denn sie, die mit Herbert von Karajan gearbeitet hat und in der Rolle der Elektra die wichtigste­n Bühnen der Opernwelt „bespielt“hat, geht heute eher selten ins Theater. „Wenn, dann muss alles stimmen“, freut sich Hardy.

Die vierte und letzte, aber bestimmt nicht die unbedeuten­dste Premiere gestaltete Sergei Surin aus Sankt Petersburg am Piano. Die leisen und einfühlsam­en Töne des Russen entlockten einigen der eifrig lauschende­n Zuhörer ein sehnsüchti­ges „Oh“.

Der Vater baut für die Buben eine Papierbühn­e

 ?? Foto: Christine Hornischer ?? Die Zwillinge Maximilian und Benedikt durften im Opernhaus Multum in Parvo mithelfen, die papiernen Protagonis­ten zu bewegen.
Foto: Christine Hornischer Die Zwillinge Maximilian und Benedikt durften im Opernhaus Multum in Parvo mithelfen, die papiernen Protagonis­ten zu bewegen.

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