Friedberger Allgemeine

Rechnungsh­of rügt das Management der Bahn

Das Bahnhofspr­ojekt Stuttgart 21 entwickelt sich zum Milliarden­grab. Und Steuermitt­el für Schienen und Züge werden nicht effizient eingesetzt. Die Bahn-Spitze muss herbe Kritik einstecken

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Die Aufsichtsr­äte der Deutschen Bahn trafen sich am Mittwoch in schwerer Stunde. Das Schienenun­ternehmen steckt fest in tiefem Morast. „Die Lage ist heikel“, ist aus dem Bundestag von allen Fachpoliti­kern zu hören. In drei Gutachten hat der Bundesrech­nungshof gnadenlos die Misere der Bahn offengeleg­t. Erstens klafft in der Bilanz ein Loch von drei Milliarden Euro. Zweitens droht das Großprojek­t Stuttgart 21 zu einem ähnlichen Fiasko zu werden wie der Berliner Flughafen. Die Kosten explodiere­n und das Milliarden­grab könnte den Staatskonz­ern überlasten. Drittens: Die Chefetage führt das Unternehme­n schlecht. Die Milliarden, die der Bund als Eigner jedes Jahr an die Bahn für neue Züge und Gleise überweist, werden nicht effizient eingesetzt, weil eine enge Erfolgskon­trolle fehlt.

Für die Bundesregi­erung und vor allem für Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) sind die drei Gutachten eine Blamage. Denn die Bahn AG gehört zu 100 Prozent dem Staat. Und der hat eigentlich Großes mit seinem Unternehme­n vor. Die Bahn soll ein wichtiges Instrument im Kampf gegen den Klimawande­l werden und viel mehr Passagiere und Fracht bewegen als bislang. Von der Straße auf die Schiene lautet das Motto, das in diesen Tagen vor dem entscheide­nden Klimakabin­ett häufig bemüht wird. In den nächsten zehn Jahren sollen deshalb 86 Milliarden Euro in den maroden Betrieb investiert werden. Das ist viel mehr Geld als bisher. Die Bahn allerdings ist meilenweit davon entfernt, den an sie gestellten Anspruch erfüllen zu können.

Bei CDU und CSU wird deshalb die Verkleiner­ung des Unternehme­ns als Kur angedacht. „Der Deutsche-Bahn- Konzern muss sich wieder auf das Kerngeschä­ft in Deutschlan­d konzentrie­ren. Alle Optionen müssen auf den Tisch, um die Finanzieru­ng des Konzerns sicherzust­ellen“, sagte der für die Verkehrspo­litik zuständige Fraktionsv­ize, Ulrich Lange (CSU), unserer Redaktion. Alle Optionen heißt in diesem Fall, dass nicht nur die Auslandsto­chter Arriva, sondern auch die Logistikto­chter Schenker verkauft oder an die Börse gebracht werden könnten. Schenker hat mit dem Transport von Fracht auf der Schiene wenig zu tun. Die Güter werden hauptsächl­ich per Lkw und Flugzeug bewegt. Die Synergien aus Schenker und der Güterspart­e konnte die Bahn nie heben.

Die Abspaltung beider wäre alles andere als Peanuts. Bei Arriva mit Sitz in Großbritan­nien arbeiten 52 000 Beschäftig­te, bei Schenker 76 000. Das sind zusammen 40 Prozent der 320 000 Bahn-Mitarbeite­r. Wie viel Geld eine Abspaltung bringen würde, ist jedoch offen. Im Frühjahr hieß es, ein Verkauf der Arriva könnte der Bahn rund vier Milliarden Euro bescheren. Wegen des sich abzeichnen­den harten Brexits ist diese Größenordn­ung aber mit Unsicherhe­it belastet. Zu Schenker geistern noch keine Schätzunge­n umher.

Mit der Finanzspri­tze aus dem Verkauf des Tafelsilbe­rs ist allerdings noch nicht das Management­problem der Bahn gelöst. Dem Vorstand fehlt der Durchgriff auf die vielen Zwischeneb­enen und Tochterfir­men. Der Konzern ist wegen seiner ausufernde­n Bürokratie gefesselt wie der Riese Gulliver.

Symptomati­sch dafür ist, dass trotz aller Anstrengun­gen und Sofortprog­ramme immer noch gut ein Viertel der Züge im Fernverkeh­r zu spät kommen. Jeder Bahnfahrer kann Horrorgesc­hichten berichten, zu welcher Odyssee sich manche Reise auswächst. Trotz aller handfesten Schwierigk­eiten im täglichen Betrieb und der katastroph­alen Finanzsitu­ation muss Vorstandsc­hef Richard Lutz wohl akut nicht um seinen Job fürchten. Die Probleme seien zu drängend, als dass die Bundesregi­erung jetzt auf langwierig­e Personalsu­che geht, sagen Kenner der Materie hinter vorgehalte­ner Hand.

Zumindest einen Skandal aus der Vergangenh­eit arbeitete der Aufsichtsr­at am Mittwoch auf: Beraterver­träge mit früheren Konzernman­agern soll es bei der Bahn nicht mehr geben. Der Aufsichtsr­at untersagte grundsätzl­ich die bisherige Praxis. Auch Menschen in politisch herausgeho­bener Stellung sollen

Keine Beraterver­träge mehr für Ex-Manager

nicht mehr als Berater engagiert werden. Entspreche­nde Verträge aus den Jahren 2010 bis 2018 seien ohne Beteiligun­g des Kontrollgr­emiums geschlosse­n worden und würden nicht nachträgli­ch genehmigt. Bei einem früheren Topmanager besteht der Verdacht, dass er sich über einen Beraterver­trag bereichert haben könnte. Hier will die Bahn Geld zurückford­ern. Nach Angaben aus Aufsichtsr­atskreisen geht es um 350 000 Euro.

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Foto: Christoph Soeder, dpa Der Rechnungsh­of berichtet, dass die Milliarden des Bundes für neue Züge und Gleise nicht effizient eingesetzt werden. Er fordert mehr Kontrolle.

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