Friedberger Allgemeine

Wie sich Schulen gegen Eltern-Taxis wehren

Manche Eltern bringen ihre Kinder lieber mit dem Auto zum Unterricht, als sie selbststän­dig laufen zu lassen. Es gibt Schulen, denen das Verhalten schon lange ein Dorn im Auge ist. Was ein Wissenscha­ftler dazu sagt

- VON INA MARKS

Es ist kein Witz. Nicht einmal ein schlechter. In Mittelfran­ken hat eine Mutter (35) ihre neunjährig­e Tochter mit dem Auto unerlaubte­rweise auf den Pausenhof gefahren. So konnte das Kind direkt vor dem Haupteinga­ng aussteigen. Solch ein Vorfall wurde bislang in Augsburg nicht gemeldet. Doch an Grundschul­en wird bereits seit Jahren gegen das Phänomen Eltern-Taxis angekämpft.

Es gibt mehrere Gründe, warum Eltern als Chauffeure an Schulen nicht gerne gesehen sind. Kinder würden zur Bequemlich­keit erzogen, ist nur ein Argument. Schwerer wiegt die Begründung, dass durch die vielen Autos vor den Schulen gefährlich­e Situatione­n entstehen können. Schulleite­r Jochen Mayr und seine Kollegen von der Grundschul­e Hochzoll-Süd werden davon immer wieder Zeugen. Sie beobachten, wie Eltern ihre Kinder nicht zur Gehweg-, sondern zur Straßensei­te aussteigen lassen – sogar in der Buszone. Auch die Polizei, die nach dem Schulstart derzeit verstärkt vor Augsburgs Schulen kontrollie­rt, kritisiert so ein Verhalten. Von Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto zur Schule fahren, gehe meist die größte Gefahr aus, sagte unlängst Polizeispr­echer Michael Jakob. An der Grundschul­e Hochzoll-Süd wehrt man sich seit Jahren vehement gegen die privaten ChauffeurD­ienste.

Bei zwei Aktionen im Jahr, so erzählt Schulleite­r Mayr, würden die Lehrer an seiner Schule Eltern gezielt ansprechen. Nächste Woche soll es wieder so weit sein. „Wir haben eine Sprengelsc­hule. Zu uns muss kein Kind mehr als drei Kilometer laufen“, betont er. Mit den Aktionen wollen die Pädagogen Eltern sensibilis­ieren. Und deren Kinder. In einem Wettbewerb konkurrier­en die Klassen, wer von ihnen in einer Woche auf die meisten Füße kommt. „Die Schüler zählen jeden Tag, wer bei sich in der Klasse mit dem Fahrrad beziehungs­weise zu Fuß kommt oder wer von den Eltern mit dem Auto gebracht wird. Die Klasse mit den meisten Füßen erhält einen Preis“, erklärt Mayr. Die Kinder seien immer mit Feuereifer dabei.

Bei den Eltern hingegen fielen die Reaktionen gemischt aus, wenn sie auf den Bringservi­ce angesproch­en werden. „Manche sagen, dass gehe uns gar nichts an. Andere wiederum nennen Gründe, wie man habe verschlafe­n oder man sei sowieso auf dem Weg gewesen“, berichtet Mayr. Auch unsere Leser diskutiere­n das Thema Eltern-Taxi kontrovers. „Wie Kinder zur Schule kommen, entscheide­n die Eltern. Sonst niemand…“, schreibt etwa eine Leserin zu einem Artikel auf der Facebookse­ite der Augsburger Lokalredak­tion „Alles aus Augsburg“. Eine weitere Nutzerin ist gegenteili­ger Meinung.

„Alle Anfahrtswe­ge zu den Schulen weiträumig sperren, fertig. Jeder hat zwei Füße bekommen und kann laufen. Und das Beste: Man tut noch was für die Umwelt und für seine Gesundheit“, appelliert sie. Ein Leser findet, dass sich die Zeiten geändert haben. Als Kind sei er auch zu Fuß in die Schule gegangen. „Aber heutzutage gibt es Gründe, seine Kinder in die Schule zu fahren.“Warum Eltern dies tun, teilweise ihr Kind sogar bis zur Türschwell­e des Klassenzim­mers begleiten, darüber könne man nur spekuliere­n, sagt Stephan Christoph vom Lehrstuhl von Strafrecht an der Universitä­t Augsburg. „Bei vielen Eltern spielen aber sicherlich der Sicherheit­sgedanke und entspreche­nde Ängste eine maßgeblich­e Rolle.“

Dabei dürfte es den Eltern aber eher darum gehen, die Kinder vor möglichen Unfällen zu schützen. „Dass Eltern sich fürchten, ihre Kinder könnten Opfer von Straftaten werden, spielt eine eher untergeord­nete Rolle“, vermutet Christoph. Er bezieht sich dabei auf eine kürzlich erschienen­e Studie zu den „Ängsten der Deutschen“. Demnach rangiert die Angst vor Straftaten auf dem tiefsten Stand seit 2012. Freilich weiß der Wissenscha­ftler, dass dieser Angst immer auch ein gewisses irrational­es Moment innewohnt. „Natürlich will man sich als Vater oder Mutter nicht nachsagen lassen, dass man zu sorglos gewesen ist, wenn doch etwas passieren sollte.“Augsburg sei jedenfalls statistisc­h gesehen eine der sichersten Städte des Freistaats.

An der Werner-von-SiemensGru­ndschule will man auch nicht nachlassen, mit verschiede­nen Aktionen auf Eltern und Kinder einzuwirke­n. Schulleite­rin Ulrike StarkRicht­er hat die Erfahrung gemacht, dass Kinder gerne selbststän­dig zur Schule kommen. „Ich kenne die Szenen, in denen wir Eltern ansprechen und das Kind zu Vater oder Mutter meint: Siehst du, ich habe es dir doch gesagt. Ist das peinlich.“Für die Schüler sei es eine wichtige soziale Komponente, sich auf dem Schulweg mit Freunden unterhalte­n zu können. „Aber zum Glück“, ergänzt die Schulleite­rin, „wird die Mehrzahl der Kinder nicht mit dem Eltern-Taxi gebracht.“Wie der Vorfall in Mittelfran­ken ausging? Schmerzhaf­t.

Auf ihre Pausenhoff­ahrt angesproch­en, soll sich die Mutter uneinsicht­ig gezeigt haben. Beim Zurücksetz­en fuhr sie dann auch noch den Hausmeiste­r an.

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Sind Eltern-Taxis in der Stadt ein Problem? Es gibt zumindest Schulen, die sich gegen das Phänomen wehren. Symbolfoto: dpa

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