Friedberger Allgemeine

Nach vier Jahren fand sie endlich eine Wohnung

Im Wohnbüro im Jakobsstif­t erhalten Hilfsbedür­ftige Unterstütz­ung bei der Suche nach einer günstigen Wohnung. Wie die alleinerzi­ehende Mutter Hanife Ak. Die 26-Jährige war schon am Verzweifel­n

- VON INA MARKS

Vier Jahre lang hatte Hanife Ak in Augsburg nach einer Wohnung gesucht. Die alleinerzi­ehende 26 Jahre alte Mutter war dabei oft am Verzweifel­n. Sie bekam keinen einzigen Besichtigu­ngstermin. Dafür aber schlüpfrig­e Angebote von Männern. Vor wenigen Monaten erfuhr Ak vom städtische­n Wohnbüro. Es hat vor einem Jahr offiziell im Jakobsstif­t eröffnet. Dort hat man schon einigen Bürgern, die sich in Wohnungsno­t befinden, helfen können, zieht Leiterin Ursula Fusco ein positives Fazit. Wie auch Hanife Ak und deren vierjährig­en Tochter.

Seit sieben Jahren lebt Hanife Ak in einem 35 Quadratmet­er kleinen Einzimmer-Apartment in Hochzoll. Für die gelernte Altenpfleg­erin war das zunächst kein Problem. Bis vor vier Jahren ihre Tochter zur Welt kam. Das Zimmer wurde zu klein. Seitdem sucht Ak, die, wie sie erzählt, aus gesundheit­lichen Gründen ihren Job nicht mehr ausüben kann und auf Hartz IV angewiesen ist, nach einer Zweizimmer­wohnung. Wenigstens ihre Tochter soll einen eigenen Raum haben, findet sie. Bislang schliefen Mutter und Tochter in einem Bett. Als sich Hanife Ak zunächst bei den Wohnungsge­nossenscha­ften meldete, sei sie dort vorgewarnt worden.

„Es hieß, ich muss mit hohen Wartezeite­n rechnen.“Ak sah ständig bei Immobilien­anbietern im Internet nach, gab bei Ebay-Kleinanzei­gen ein Wohnungsge­such auf. Niederschm­etternd bei der jahrelange­n Suche war: Die junge Mutter erhielt keine Resonanz. Bis auf die eindeutig zweideutig­en Offerten. „Ein Mann, der eine Wohnung in der Stadtmitte zu vermieten hatte, meinte, er würde um hundert Euro monatlich von der Miete runtergehe­n, wenn ich mit ihm Swingerclu­bs besuche.“Ak schüttelt den Kopf. „Es gab viele Momente, in denen ich richtig verzweifel­t war.“Dann stieß sie auf eine Broschüre des städtische­n Wohnbüros. Sie rief dort an.

Menschen wie Hanife Ak, erzählt Leiterin Ursula Fusco, seien klassische Fälle, die Unterstütz­ung brauchen können: Augsburger eben, die eine Wohnung suchen, die eine Einkommens­situation auf dem Niveau von Sozialhilf­e haben und die in ihrer Situation oft hilflos sind. Das Wohnbüro arbeitet nicht nur mit ihnen zusammen. Als Vermittler steht das inzwischen dreiköpfig­e Team auch in Kontakt mit Privatverm­ietern und Immobilien­firmen.

„Diese wissen zwar, dass sie von Hartz-IV-Empfängern nicht ganz so viel Miete verlangen können wie auf dem normalen Markt. Dafür schauen wir, dass das Profil des Mieters auf die jeweilige Wohnung passt“, erklärt Fusco, die mit ihren Kolleginne­n häufig erst Überzeugun­gsarbeit leisten müsse. Oft seien Vermieter beruhigt, wenn sie erfahren, dass das Wohnbüro während eines Mietverhäl­tnisses weiterhin als Ansprechpa­rtner zur Verfügung steht. Manche Vermieter würden gerne helfen, beobachtet Fusco. Auch weil sie sich zunehmend vor einer Anfragenfl­ut scheuen, die ein Inserat heutzutage auslösen kann.

Der Wohnungsma­rkt ist in Augsburg eben angespannt, vor allem für Menschen in prekären Lebenslage­n. Fusco nennt Zahlen. Demnach haben sich bislang 806 Augsburger (Betroffene Kinder sind in der Zahl mit inbegriffe­n) beim Wohnungsbü­ro gemeldet. Die meisten von ihnen sind Einzelhaus­halte, gefolgt von Familien und Alleinerzi­ehenden. 398 Suchende lösten das Problem nach einer Beratung eigenständ­ig. Das Wohnbüro konnte bislang 62 Bürgern Wohnungen vermitteln, fast allen innerhalb von maximal drei Monaten. Sozialrefe­rent Stefan Kiefer (SPD) freut sich, dass das Wohnbüro, das ein Teil der „Offensive Wohnraum Augsburg“ist, so gut angenommen wird. „Es soll kein klassische­s Amt sein, sondern ein niederschw­elliges Angebot für Menschen, die sich in akuter Wohnungsno­t befinden.“

Statistisc­he Erhebungen seien zwar nicht möglich, aber man könne in der Stadt von rund tausend Haushalten ausgehen, die sich in einem akuten Wohnungsno­tstand befänden. Allein in den Einrichtun­gen für Obdachlose seien rund 300 Frauen und Männer untergebra­cht, so Kiefer. „Wenn wir mehr Wohnungen zur Verfügung hätten, würden wir uns leichtertu­n.“Für Ursula Fusco ist jeder Fall, der an sie herangetra­gen wird, unterschie­dlich. Manches sei selbst für sie schwer auszuhalte­n. Etwa wenn Senioren weinend vor ihr stehen.

„Der Wohnungsve­rlust bei älteren Menschen schockiert mich“, sagt die 51-Jährige. Fusco beobachtet eine Zunahme von sogenannte­n Eigenbedar­fskündigun­gen. „Plötzlich verlieren die Menschen ihr langjährig­es Zuhause. Für sie ist das eine Katastroph­e.“Stefan Kiefer ergänzt, dass sich vor allem ältere Menschen oftmals von Anwaltssch­reiben unter Druck setzen ließen, obwohl sie dies nicht müssten. Er verweist auf die sogenannte Law Clinic, die bei dem Thema Mietrechts­beratung mit dem Wohnbüro zusammenar­beitet. Dabei handelt es sich um ein Projekt von Studierend­en, die Hilfesuche­nde rechtlich beraten. Ursula Fusco betont, dass auch im Wohnbüro der Prozess der Wohnungssu­che regulär viele Monate dauert. Manchmal geht es aber auch schnell. Bei Hanife Ak etwa spielte Sympathie eine Rolle.

Über das Wohnbüro erhielt die Mutter unlängst einen Besichtigu­ngstermin. Ein Ehepaar suchte für die 47 Quadratmet­er große Zweizimmer­wohnung Mieter. Ak glaubt, dass sie wegen ihrer Tochter den Zuschlag bekam. „Sie hatte sich so auf ein eigenes Zimmer gefreut. Als wir uns bei der Besichtigu­ng verabschie­deten und das Ergebnis noch offen war, weinte sie plötzlich sehr und sagte: Aber Mama, das ist doch jetzt mein Zimmer.“Das Kind hatte die Vermieter offenbar gerührt. Am Tag darauf erhielt Ak den erlösenden Anruf. „Wir haben uns so riesig gefreut.“»

OWohnbüro: Jakobsstif­t, Mittlerer Lech, 86150 Augsburg, Telefon 0821/324-3638 oder: www.augsburg.de/wohnbuero.

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Foto: Bernd Hohlen Hanife Ak (links) hat nach langer Suche eine neue Wohnung gefunden. Geholfen hat das städtische Wohnbüro im Jakobsstif­t, das von Ursula Fusco geleitet wird.

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